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3.7.2 Stationäre Getriebe

 Ohne das Getriebe können wir die Motorleistung nicht sinnvoll nutzen. Es zeichnet sich gewöhnlich durch Unauffälligkeit aus. Problemlos versieht es über lange Zeit seinen Dienst. Weil die Schmierung wegen der besonderen Anforderungen an die ‘Tragfähigkeit’ des Öls nicht mit Motoröl erfolgt, ist in Abständen Getriebeöl nachzufüllen

Versagt das Getriebe aber doch, wird es gewöhnlich teuer und die Reparatur zeitaufwändig.

Ähnlich verhält es sich mit dem stationären Getriebe einer Gasturbine. Es muss die Abtriebsdrehzahl und das Drehmoment der Gasturbine optimal der Anwendung anpassen.

Wenn die Abtriebsdrehzahl des Leistung abgebenden Rotors nicht zur notwendigen Drehzahl des anzutreibenden Geräts passt, wird ein stationäres Getriebe zwischengeschaltet ( "Bild 3.7.2-1"). Dieses erfordert selbst besondere Komponenten wie eine eigene Ölversorgung ( "Bild 3.7.2-2"). Zusätzlich kann es die Gasturbine mit dem Anlasser verbinden und weitere Aggregate wie Kraftstoffpumpen, Hydraulik und Regeleinrichtungen antreiben. Im Gegensatz zu Anbaugetrieben der Derivate ( "Bild 3.6.1-1") kommen in stationären Getrieben hauptsächlich Gleitlager für Zahnräder und Wellen zum Einsatz. Sie benötigen ca. 80 % des Drucköls der Versorgung.

Gewöhnlich handelt es sich um sog. Parallelwellengetriebe mit zwei kämmenden Zahnrädern. Sie sind heute einfach- oder doppelt schrägverzahnt ( "Bild 3.7.2-3"). Die einfache Schrägverzahnung erzeugt im Gegensatz zur doppelt-schrägverzahnten einen Axialschub. Dieser kann von einem Drucklager aufgenommen und/oder zum Ausgleich des Axialschubs des Turbinenrotors genutzt werden. Dafür bieten sich Gleitlager an ( "Bild 3.5-14").

Um katastrophale Folgeschäden bei Ölmangel oder Fremdkörpern im Öl im ursächlichen Zusammenhang mit der Gasturbine zu vermeiden, besitzt ein stationäres Getriebe üblicherweise ein eigenes Ölsystem ( "Bild 3.7.2-2"). Dies versorgt jedes Lager und Zahnrad individuell. Die Anforderungen an das Öl (z.B. Viskosität, Hochdruckzusätze) unterscheiden sich im Getriebe von denen der Gasturbine. In dieser werden in erster Linie Wälzlager geschmiert. Deshalb wird gegebenenfalls vom OEM ein geeignetes Öl vorgeschrieben. Das Getriebe einer 80 MW Maschine benötigt etwa 1 m3 Schmieröl pro Minute, um die entstehende Verlustleistung von ca. 1MW als Wärme abzuführen. Bei einer anzustrebenden Öltemperatur am Eintritt unter ca. 60°C, erfährt dieses im Getriebe einen Temperaturanstieg um 25 °C. Dafür ist ein ausreichend dimensionierter Ölkühler erforderlich, der die Wärme an Luft oder Wasser abgibt. Natürlich ist die Verlustleistung auch ein nicht zu vernachlässigender Kostenfaktor. Unter diesen Aspekten strebt man einen möglichst hohen Getriebewirkungsgrad an. Realisiert werden bei konventioneller Ausführung bis zu 99 %.

In der Verzahnung entsteht der größte Teil der Verluste. Dabei ist erstaunlich, dass nicht die Reibung der Zahnflanken dafür verantwortlich ist, sondern die Bildung von mit Luft aufgeschäumtem Quetschöl zwischen den im Eingriff befindlichen Zähnen. Auch die Verwirbelungsverluste (Quirlverluste) der Luft im Getriebe sind wohl nicht zu vernachlässigen.
Alle diese Verluste lassen sich bis um 80% mit einem abgedichteten und evakuierten Getriebe abbauen (High Efficiency Turbogear = HET). Die Flutung mit einem leichten Schutzgas (Helium) bietet sich ebenfalls an. So dürften sich auch die Oxidation als Ursache für eine Ölalterung und Abdichtungsprobleme verringern

Bei den auch in der Radnabe von Spannungen aus Momenten und Fliehkräften hoch beanspruchten großvolumigen Rädern besteht eine gewisse Gefahr der Ermüdungsrissbildung und Radbruch mit katastrophalen Folgen. Um herstellungsbedingte, wachstumsfähige Fehler (Werkstoffinhomogenitäten) und gefährliche Zugeigenspannungen (Härten, Schmieden) zu vermeiden, werden heute Schleuderversuche durchgeführt. Im Betrieb können mit Beschleunigungsaufnehmern Schwingungen erfasst und erkannt werden, die auf einen beginnenden Schaden hinweisen. Für dieses Monitoring bzw. eine Schwingungsanalyse und Rückschlüsse auf Schadensmechanismen ( "Bild 3.7.2-5.1", "Bild 3.7.2-5.2" und "Bild 3.7.2-5.3") gibt es Vorschriften/Normen wie DIN 4979 oder ISO 8579-2. Sie ermöglichen dem Betreiber u.a. zu überprüfen, ob die Schwingungsüberwachung seiner Maschine dem Stand der Technik entspricht und ein besseres Verständnis der Schwingungsursachen.

Bild 3.7.2-1

"Bild 3.7.2-1" (Lit. 3.7-9): Es gibt eine Fülle von Konzepten von Gasturbinenanlagen. Sie optimieren anwendungsspezifisch Komponenten und deren Anordnung zur Leistungsabgabe bzw. -abnahme. Als Grundprinzip gilt ein Parallelwellengetriebe mit zwei kämmenden Zahnrädern.

Für Übertragungsleistungen bis ca. 10 MW kommen auch Planetengetriebe (Umlaufgetriebe) zum Einsatz. Diese bieten sich besonders bei kleinen, schnell laufenden Gasturbinen an. Diese Getriebe beanspruchen wenig Platz. Günstig ist auch, dass An- und Abtriebswelle in einer Achse verlaufen.

Bild 3.7.2-2

"Bild 3.7.2-2" (Lit. 3.7-12): Bei stationären Getrieben in Gasturbinenanlagen verwendet man ein eigenes Ölsystem. Der Ölfluss wird in erster Linie zum Abtransport der Verlustwärme benötigt. Die typische Öleintrittstemperatur in den Ölkühler („C“) liegt bei ca. 55 °C. Dort erfolgt eine Abkühlung auf ca. 40°C. Dazu werden Luft/Öl oder Wasser/Öl Wärmetauscher verwendet.

Typische Ölfilter („B“) stationärer Getriebe haben eine Maschenweite von 0,04 mm. Um den Ölfilm zwischen den tragenden Zahnflanken nicht zu durchbrechen und so Verschleiß und Ermüdung auszulösen (Bild 3.7.2- 5.1), müssten die Partikel jedoch kleiner als 0,01 mm sein (siehe auch "Bild 3.5-2").

Zur Vermeidung eines Ölmangels durch einen verstopften Filter ist ein Bypass („H“) vorgesehen.

Das vom OEM vorgeschriebene Getriebeöl ist unbedingt zu verwenden.

Bild 3.7.2-3

"Bild 3.7.2-3" (Lit. 3.7-11): Tragbildfehler zeigen geometrisch bedingte, schädigende Flankenbelastungen an.

Auf die Fehlerart bzw. die fehlerhafte Komponente lässt sich aus einem Tragbild, das im Kontakt mit einem Meisterrad erzeugt wurde, rückschließen. An sehr schlanken Zahnrädern, besonders in der Nähe einer Kupplung, können durch Verdrillung und Durchbiegung andere Tragbilder als die dargestellten entstehen.

„A“ Eckenträger sind auf fehlerhafte Flanken-, Schrägungsrichtung, Wellenparallelität oder Achsschränkung zurückzuführen.

„B“ Taumelfehler zeigen nach 180° meist auf der Zahnbreite einen Wechsel des tragenden Bereichs (wechselnder Eckenträger).

„C“ Kopf- („C1“) und Fußträger („C2“) sind Folgen eines Fehlers im Eingriff (Grundkreisfehler).

„D“ Welligkeit in Richtung der Zahnhöhe („D1“) oder über die Zahnbreite („D2“) sind eine Folge der Zahnherstellung.

Bild 3.7.2-4

"Bild 3.7.2-4" (Lit. 3.7-11): Das Tragbild einer Verzahnung ist von besonderer Aussagekraft. Es sollte bei der Werksabnahme und bei der Inbetriebnahme kontrolliert werden. So werden montagebedingte elastische Verformungen des Getriebes und der Anschlüsse miterfasst. Ein solcher Einfluss sind Unebenheiten der Fundamentplatte. Zunächst erfolgt eine Tragbildermittlung im Leerlauf. Dazu wird Tuschierfarbe verwendet. Wegen der nicht vollständigen elastischen Anformung, erhält man Tragbilder entsprechend der rechten Skizze. Bei Nennlast sollte die gesamte Zahnflanke tragen.

Die dargestellten Tragbilder entsprechen der als Beispiel gewählten Vorschrift British Standard 1807. Sie gilt für die unbelastete Zahnflanke. Vorgeschrieben ist, unabhängig vom Tragbild, nur die tragende Fläche. Die Klassen A1 und A2 gelten für eine Teilkreisgeschwindigkeit über 50 m/s.

"Bild 3.7.2-5.1" (Lit. 3.7-11 und Lit. 3.7-12): In diesen Bildern wird versucht, dem Praktiker eine erste Einschätzung von Verzahnungsschäden zu ermöglichen. So kann das Verständnis von Angaben in Überholhandbüchern und Spezifikationen erleichtert werden. Die dargestellten Schadensformen finden sich auch in Anbaugetrieben (Bild 3.6.1- 1). Grundsätzlich ist in Zweifelsfällen ein Fachmann bzw. der OEM zu Rate zu ziehen und entsprechend den Vorschriften vorzugehen.

Bild 3.7.2-5.1

Bild 3.7.2-5.2

Bild 3.7.2-5.3

Literatur zu Kapitel 3.7

3.7-1 T.Zaba,P.Lombardi,BBC&Co Ltd.,.“Experience in the Operation of Air Filters in Gas Turbine Installations“, ASME Paper 84-GT-39 (1984).

3.7-2 A.W.Anderson,R.G.Neaman,“Field Experience with Pulse-Jet Self-Cleaning Air Filtration on Gas Turbines in Desert Environment“,ASME Paper 82-GT-283 (1982).

3.7-3 H.J.Willcocks,P&W Aircraft,“Icing Conditions on Sea Level Gas Turbine Engine Test Stands“, AIAA-82-1237 (1982).

3.7-4 J.Dickson,Trans Canada Pipelines,Toronto,“Extreme-cold-weather operation gas-turbines show key problems“, The Oil And Gas Journal - April 26,1976, Seite 104.

3.7-5 J.Dickson,Trans Canada Pipelines,Toronto,“Problems Associated with Cold Weather Operation of Gas Turbines“, ASME Paper 76-GT-129.

3.7-6 T.L.Bowen,D.P.Guimond,R.K. Muench,“Experimental Investigation of Gas Turbine Recuperator Fouling“, ASME Paper 87-GT97 (1987).

3.7-7 M. Sauer-Kunze, „Auswahl geeigneter Luftfiltersysteme zur Optimierung des Wirkungsgrades von Gasturbinen bei gleichzeitiger Verminderung der Lebens-Zyklus- Kosten“, aus „Gasturbinen in Praxis und Entwicklung“, VDI-Gesellschaft Energietechnik, VDI-Berichte 1721, ISBN 3-18-091721-0, Seite 115 bis 127.

3.7-8 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 3, ISBN 3-00-017733-7, 2003, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

3.7-9 T. Deeg,“Getriebe“, in „Stationäre Gasturbinen“, Herausgeber C.Lechner, J.Seume, ISBN 3-549-42831-3, Springer Verlag Berlin Heidelberg, 2003, Seite 113-134.

3.7-10 H.-G. Brummel ,“Abgasstrecke und Abhitzedampferzeuger in GUD-Anlagen“, in „Stationäre Gasturbinen“, Herausgeber C.Lechner, J.Seume, ISBN 3-549-42831-3, pringer Verlag Berlin Heidelberg, 2003, Seite 135-206.

3.7-11 „Handbuch der Schadensverhütung“, Allianz Versicherungs-AG München und Berlin 1972, Kapitel „Stationäre Getriebe“, Seite 388-426.

3.7-12 P.Lynwander ,“Gear Drives for Turbomachinery“, in „Sawyer’s Turbomachinery Maintenance Handbook, Volume III“, Turbomachinery International Publications ISBN 0-937506-02-8, 1980, Seite 11-1 bis 11-22.

3.7-13 G.G.Ostrand, “Gas Turbine Inlet Air Filtration“, in „Sawyer’s Turbomachinery Maintenance Handbook, Volume III“, Turbomachinery International Publications ISBN 0-937506-02-8, 1980, Seite 10-1 bis 10-20.

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