Inhaltsverzeichnis
3.1.2.4 Dichtungsprobleme und Spalthaltung der Anstreifsysteme
Verschlechtern sich die Dichtungen in einer Gasturbine, führt dies zwar nicht wie beim Versagen der Zylinderkopfdichtung unseres Autos nach einem Leistungsabfall kurzfristig zu einem Ausfall. Die Auswirkungen sind bei einer Gasturbine eher schleichend. Auch hier erfolgt ein Leistungsabfall ohne sofort erkennbaren Schaden. Damit steigt der Kraftstoffverbrauch der Gasturbine langsam. Er wird deutlich höher, um die gleiche Leistung wie im Neuzustand zu erzielen. Der erhöhte Kraftstoffverbrauch dient auch zur Erzeugung der erforderlichen Leistung. Er macht sich zusätzlich in einer höheren Gastemperatur und somit einer höheren Heißteiltemperatur bemerkbar. Wir erinnern uns, dass 15 °C Temperaturerhöhung die Lebensdauer unserer teuren Hochdruck-Turbinenrotorschaufeln halbieren kann. Also ist neben erhöhten Kraftstoffkosten auch mit höheren Reparatur- und Überholungskosten bis zum Spontanausfall zu rechnen. Hier wird wieder die Ähnlichkeit mit der anfangs erwähnten Zylinderkopfdichtung deutlich.
Wie bereits dargestellt ( "Bild 3.1.1-2"), ist für den Betrieb des Verdichters eine Minimierung der Leckverluste wichtig. Aber auch die Dichtungen anderer Komponenten der Maschine wie Lagerkammern und Kühlluftsystem sind zu beachten. Ihr Ausfall kann schwere Folgeschäden auslösen.
Spitzenspiele
Unter Spitzenspielen versteht man die Spalte zwischen den Spitzen der Rotorschaufeln und den Gehäusen bzw. zwischen den Leitschaufelspitzen und den Abstandsringen (engl. spacer) des Rotors ( "Bild 3.1.2.4-1"). Die Spalte verändern sich mit dem Betriebszustand ( "Bild 3.1.2.4-2" und "Bild 3.1.2.4-3"). Wie bereits in Kapitel 3.1.1. dargestellt, sind Spalte zum Gehäuse wegen ihres Einflusses auf die Leckverluste und auf die Strömung von besonderer Bedeutung für Wirkungsgrad und Betriebsverhalten des Verdichters. Wegen des ansteigenden Druckniveaus und der kürzeren Schaufeln ist der Spalteinfluss im hinteren Verdichterbereich besonders groß.
Grundsätzlich ist ein über den gesamten Betriebsbereich gleichbleibender Minimalspalt wünschenswert. Dies ist in der Praxis nicht erreichbar. Geeignete Maßnahmen ermöglichen es jedoch, die Spalte so zu beeinflussen, dass die garantierten Betriebsdaten eingehalten werden. Will man die konstruktiven Besonderheiten der Maschinen und die für den Betrieb daraus folgenden Vorgänge verstehen, muss man die Einflussgrößen der Spaltbildung kennen. Im Folgenden werden die Vorgänge bei Rotoren und Gehäusen beschrieben.
Dehnungsverhalten der Gehäuse
Gehäuse sind besonders in Derivaten relativ dünnwandige Strukturen. Sie verhalten sich im Vergleich zu den dicken Wänden der „Heavy Frame Maschinen“ bei einer Aufheizung durch den Luftstrom und damit in ihrer thermischen Dehnung, deutlich weniger träge als der Rotor. Umgekehrt ist es beim Abstellen der Maschine. Zusätzlich erfahren sie zeitsynchron als „Druckkessel“ eine merkliche elastische Verformung durch den Verdichterdruck. Moderne Maschinen haben einen Enddruck der über 20 bar liegen kann. Die Aufweitung der Gehäuse folgt synchron dem Anstieg von Innendruck und Temperatur. Sie ist träger als die fliehkraftbedingte Durchmesseränderung des Rotors mit einer Drehzahländerung,
Um die Wärmedehnung von Gehäuse und Rotor anzupassen, gibt es verschiedene konstruktive Maßnahmen:
- Örtliche Verstärkung der Gehäuse, um die elastische Dehnung zu behindern.
- Anbringung von Massen, um die Trägheit der Erwärmung zu vergrößern.
- Isolation des Gehäuses auf der Innenseite, um die Wärmeaufnahme zu minimieren.
- Doppelwandige Strukturen, wobei sich die innere (auf der Luftstromseite ) anders verhält als die kältere, druckaufnehmende Außenwand.
Gehäuse können sich im Unterschied zum Rotor auch im Betrieb, abhängig vom Konstruktionsprinzip, durchaus ungleichmäßig am Umfang dehnen. Gehäuse mit Längsteilung (Axialflansch) lassen gewisse Abweichungen von der Rundheit, auf Grund der Steifigkeitsunterschiede am Umfang, erwarten.
Dehnungsverhalten des Rotors
Beim Rotor erfolgen die Dehnungen während des Betriebs zentrisch symmetrisch. Im Stillstand führt jedoch eine ungleichmäßige Erwärmung zur Rotorverkrümmung (engl. Rotor Bow, "Bild 2.2-1"). Beim Hochfahren der Maschine steigt die Fliehkraft mit dem Quadrat der Drehzahl. Gleichzeitig erwärmt sich der Rotor auf Grund der Kompressionstemperaturen des Luftstroms. In modernen Maschinen steigen die Temperaturen von Raumtemperatur am Eintritt bis zu 600 °C am Verdichterende moderner Maschinen. Die Fliehkraft führt, synchron mit dem Drehzahlanstieg, zu einer elastischen Aufweitung der Rotorkomponenten. Wärmedehnungen auf Grund der Aufheizung erfolgen dagegen verzögert. Diese Trägheit ist von den aufzuheizenden Rotormassen abhängig. Um die Dehnung besser dem Gehäuse anzupassen, wird der Rotor belüftet. Dazu wird Luft aus dem Hauptstrom dem Inneren des Rotors zugeführt. Bei Derivaten und kleinen Maschinen dauert es einige Minuten, bei Maschinen schwerer Bauart wird deutlich mehr Zeit benötigt bis der Rotor so durchgewärmt ist, dass sich eine stationäre Temperaturverteilung einstellt. In diesem Fall erfolgt keine Dehnungsänderung. Während des Herunterfahrens und/oder dem Abschalten der Maschine nimmt drehzahlabhängig die elastische Aufweitung wieder ab. Entsprechend der Abkühlungsträgheit des Rotors benötigt dessen Schrumpfung einige Zeit. Im Stillstand kann es dann, als Folge der Wärmekonvektion im Verdichter, zu großen Dehnungsunterschieden zwischen dem warmen oberen Rotorteil und dem kälteren unteren Bereich kommen. Der Rotor verkrümmt sich und überbrückt das Spiel zum Gehäuse. Er steckt dann zeitweise fest ( "Bild 2.2-1"). Beim Anfahren kann sich ein noch freier Rotor durch Unwuchten, Schwingungen und Verbiegungen gegenüber dem Gehäuse verlagern. Damit wird das Spiel zu den statischen Teilen zentrisch symmetrisch oder exzentrisch beeinflusst.
Kommt es zum Anstreifen der Rotorschaufeln, werden diese im Spitzenbereich aufgeheizt und erfahren so eine kurzzeitige zusätzliche Wärmedehnung. Dies erklärt das Phänomen, dass bei einer Maßkontrolle oft gerade die kürzeren Schaufeln besonders intensiv angestreift sind. Unter normalen Umständen wird die “Zerspanungsarbeit“ immer von der am weitesten hervorragenden Schaufel übernommen. Diese wird dabei so weit gekürzt, dass sie am nächsten Anstreifvorgang nicht mehr teilnimmt.
Spalthaltung durch Anstreifsysteme
Anstreifsystem Rotorschaufel/Gehäuse
Bei älteren Gasturbinen wird der Montagespalt ausreichend groß gehalten, damit die unterschiedlichen Verformungen zwischen Rotor und Gehäuse im Betrieb nicht zum gefährlichen Anstreifen führen. Die Entwicklung moderner Maschinen mit immer besseren Wirkungsgraden, steigender aerodynamischer Belastung der Beschaufelung, Druckniveau und Druckverhältnis (sowohl an der Einzelstufe als auch über den gesamten Verdichter), lassen nur noch winzige Spalte an den Schaufelspitzen zu. Hier werden die Mon-tagespalte bewusst so eng gewählt, dass es beim Betrieb der Maschine zum Anstreifen der Spitzen kommen muss. Die kontaktierten Gehäusewandungen weisen einlauffähige Schichten (Einlaufbeläge, "Bild 3.1.2.4-4") auf. In diese arbeitet sich die Schaufelspitze spanend ein. Auf diese Weise wird zumindest für einen Betriebspunkt, im besten Fall der am häufigsten genutzte, ein minimaler Spalt gewährleistet ( "Bild 3.1.2.4-3"). Natürlich sollte dies bei einer Industriegasturbine der Betriebspunkt mit den längsten Laufzeiten unter Leistungsabgabe sein. Ein Problem stellt die Span- und/oder Staubbildung beim Anstreifvorgang dar. Je nach Belagwerkstoff können die Späne bzw. Stäube auf die in Gasstromrichtung folgenden Stufen erosiv wirken und/oder Kühlluftbohrungen in den Heißteilen zusetzen ( "Bild 3.3-12").
Die weichen Einlaufbeläge sind notwendigerweise ein Kompromiss. Einerseits dürfen sie beim Anstreifen die Schaufelspitzen nicht thermisch oder dynamisch schädigen, d.h. ihre Struktur muss gute Zerspanbarkeit gewährleisten. Andererseits müssen sie typischen Betriebslasten, wie Erosion, Druckschwingungen (“Blade Passing Frequency“) und hochfrequenten mechanischen Schwingungen der Gehäusewand, über die vorgesehene Betriebszeit widerstehen. Diese unterschiedlichen Anforderungen, gute Zerspanbarkeit, d.h. niedrige Härte bei möglichst hoher mechanischer Festigkeit führen an den üblichen thermischen Spritzschichten (z.B. Nickel-Grafit-Plasmaspritzschicht) zu typischen Versagensbildern ( "Bild 3.1.2.4-4").Weniger empfindlich sind Schichten aus Aluminium, die man besonders in älteren Maschinen findet. Hier ist der Anstreifvorgang jedoch nur als Ausnahmefall vorgesehen. Der Abrieb kann Diffusionsschichten der Turbinenbeschaufelung schädigen.
Einlaufbeläge werden von der Umgebungsatmosphäre, besonders der Temperatur, beeinflusst. Freier Grafit in Nickel-Grafit-Belägen beginnt bereits bei Temperaturen unterhalb 400 °C merklich zu oxidieren. Diese Alterung verändert den Belag. Er wird spröder, die innere Bindung wird geschwächt, damit nimmt die Erosionsfestigkeit ab und zeigt wegen einem geringeren Grafitanteil ein schlechteres Einlaufverhalten. Beläge auf der Basis Al-gefüllter Kunststoffe (Al/Polyester) werden im vorderen Verdichterbereich verwendet. Sie sind für ihre Korrosionsempfindlichkeit bei Stillstand im Schwitzwasser der Meeresatmosphäre bekannt ( "Bild 3.1.2.3-1"). Auch thermisch gespritzte metallische Al-Beläge können korrodieren. Diese Schäden sind erfahrungsgemäß vergleichsweise gering.
Beläge aus gummiartigen Werkstoffen werden nur im vorderen Verdichterbereich verwendet. Dazu gehört gefüllter Silikongummi, in der Konsistenz eines Radiergummis. Sie können von unterschiedlichen Medien wie Kraftstoff, Öl, ungeeigneten Waschmitteln und Lösungsmitteln angegriffen werden. Es kommt zur Schädigung mit Festigkeitsverlust, Quellen oder Ablösung. Normalerweise wird die Resistenz der Beläge gegen alle “normalen“ Medien geprüft. Trotzdem sollte man sich beim Hersteller vergewissern, ob Einwände gegen eventuelle betreiberspezifische Verunreinigungen und Medien (z.B. Waschmittel) bestehen.
Anstreifsystem Statorschaufel/Rotor
Die relativ kurzen Schaufeln im hinteren Verdichterbereich sind oft steif genug, um auch ohne Deckbänder gegen einen glatten Rotorzwischenring (engl. Spacer) den Spitzenspalt zu bilden ( "Bild 3.1.2.4-1"). Leitschaufeln mit Deckbändern gibt es in zwei unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien. Geschlossene Deckbandringe oder Deckbandsegmente aus jeweils mehreren Schaufeln. Diese Dichtflächen dienen dem Einlaufen von Labyrinthspitzen. Hier gibt es typische Labyrinthprobleme die in "Bild 3.1.2.4-6" und Bild 3.1.2.4-7 behandelt werden.
Wenn auch nicht für den Wirkungsgrad des Verdichters von gleicher Bedeutung beim System Rotorschaufel/Gehäuse, ist der Spalt zwischen Leitschaufelspitzen und Rotor nicht zu vernachlässigen und ebenfalls zu minimieren. Die Beläge auf Umfangsflächen des Rotors ( "Bild 3.1.2.4-4") oder Rotorzwischenringe (engl. spacer) unterliegen hohen zyklischen elastischen Dehnungen bei Drehzahl- bzw. Fliehkraft- und Temperaturänderungen. Dafür reicht die hohe Festigkeit harter, abrasiv wirkender Beläge gewöhnlich aus. Häufig handelt es sich um Plasmaspritzschichten aus Al2 O3 oder ZrO2 . Diese Beläge schleifen bei Spaltüberbrückung die (Leit-) Schaufelspitze mit möglichst wenig Wärmeentwicklung ab.
Falls es zur Ablösung der Spacerbeläge kommt, kann die Beschaufelung von den harten Bruchstücken beschädigt werden. Befinden sich die Beläge auf korrosionsempfindlichen Werkstoffen (Stähle), kann Schwitzwasser im Stillstand durch die herstellungsbedingt poröse Spritzschicht oder von seitlichen Rissen zum Grundmaterial vordringen. Dann bewirkt Unterkorrosion in der Haftzone eine Schwächung der Bindung und begünstigt so ein Abplatzen.
Strukturierte Gehäuse
Nicht selten werden Gehäusewände über den Schaufelspitzen mit einer besonderen Profilierung versehen (engl. casing treatment). Diese hat nicht nur einen Anstreifeffekt, um die Belastung der Schaufelspitze niedrig zu halten. Die Profilierung soll auch aerodynamisch wirksam werden. Im einfachen Fall handelt es sich um eine Stufe ( "Bild 3.1.2.4-1") oder mehrere umlaufende Nuten. Es gibt jedoch auch komplexe Anordnungen mit einer Vielzahl schrägstehender Rillen. In Maschinen die auf russische Konstruktionsarbeiten zurückgehen, kann man über der ersten Verdichterstufe axial versetzt eine umlaufende Kammer finden. Sie ist über Schlitze zur Rotorschaufelspitze offen (“Iwanow-Anordnung“). Alle beschriebenen Strukturen haben die Aufgabe, den Verdichter gegen Einlaufstörungen und vergrößerte Spitzenspalte unempfindlicher zu machen. In erster Linie werden so negative Auswirkungen auf den Wirkungsgrad gemildert. Auch das Pumpverhalten des Verdichters lässt sich auf diese Weise merklich verbessern. Bis in jüngste Zeit gelang beides gleichzeitig nicht.
Labyrinthe
Labyrinthe sind die bisher am häufigsten angewandte Methode zylindrische umlaufende Flächen gegeneinander abzudichten. Dabei ist prinzipbedingt immer mit einer gewissen Leckströmung zu rechnen. Diese sollte über die gesamte Betriebszeit minimiert und möglichst konstant gehalten werden. Unvermeidlich ist bei einem Anstreifvorgang Abrieb an Spitze und/oder Belag. Im weiteren Betrieb bedeutet die dabei entstandene Spaltvergrößerung mehr Leckströmung.
Labyrinthe werden an vielen Stellen der Gasturbine angewandt. Im Verdichter arbeiten sie als Dichtelemente an Deckbändern der Statorschaufeln ( "Bild 3.1.2.4-5"). Von großer Bedeutung ist die Verdichteraustrittsdichtung. Sie trennt den Hauptluftstrom vom inneren Rotorbereich bei besonders hoher Druckdifferenz, Umfangsgeschwindigkeit und Betriebstemperatur.
Labyrinthe haben in der Gasturbine eine Vielzahl von Aufgaben:
- Vermeidung von unzulässigen Leckagen für Luft, Luft/Öl-Gemische ( "Bild 3.1.2.4-5") und Heißgase ( "Bild 3.4-5").
- Gewährleistung zulässiger und notwendiger Lagerschübe ( "Bild 2.5-1").
- Gewährleistung der Kühlluftzuführung zu den Heißteilen ( "Bild 3.3-11").
- Zumessung von Kühlluft als „gezielte Leckage“ (z.B. zur Scheibenkühlung, "Bild 3.3-11").
Labyrinthe werden im Betrieb auf vielfältige Art belastet. Die prinzipbedingt höchste und gefährlichste Belastung ist das Anstreifen der Labyrinthfins an der spaltbildenden Gegenfläche ( "Bild 3.1.2.4-6"). Es treten Relativgeschwindigkeiten mit bis zu einigen hundert m/s und kurzzeitige örtliche Aufheizungen mit Anschmelzen auf. Deshalb muss die Anstreiffläche eine gewisse Einlauffähigkeit besitzen. Die Labyrinthspitze ist in Form, Werkstoff und eventueller Beschichtung (Panzerung) auf den zu erwartenden Anstreifvorgang abzustimmen.Besonders problematisch sind Schichten die nach langen Laufzeiten durch Alterung ihre Einlauffähigkeit verlieren. Dies ist bei Maschinen mit Modulbauweise von Bedeutung ( "Bild 4.2-3" und "Bild 4.2-4"). Ungünstige Anstreifbedingungen, die nicht notwendigerweise mit einer hohen Zustellgeschwindigkeit in Zusammenhang stehen, können zu einem sich “aufschaukelnden“ Schadensmechanismus führen. Dabei kann es zu katastrophalen Überhitzungsschäden bis zum Totalverlust des Labyrinths kommen. Labyrinthspitzen mit Hartstoffpanzerungen wie Plasmaspritzschichten aus Al2 O3 oder WC verringern diese Gefahr im Vergleich zu unbeschichteten Spitzen. Grund ist eine geringere Wärmeentstehung an der ausreichend rauen/schneidfähigen Panzerung. Auch die Risiken unzulässigen Abriebs oder einer Schädigung durch Rissbildung und/oder Festigkeitsabfall sind deshalb an gepanzerten Spitzen weniger wahrscheinlich. Eher besteht ein Risiko, dass die Panzerung sich ablöst ( "Bild 3.1.2.4-7.1") und andere Bauteile schädigt. Ablösungen von Panzerungen und Anstreifschichten stehen nicht selten im Zusammenhang mit Fertigungsproblemen ( "Bild 3.1.2.4-7.2").
Bürstendichtungen
In modernen Gasturbinen kommen sogenannte Bürstendichtungen immer mehr zum Einsatz. Es handelt sich im Grunde um das übliche Dichtprinzip der Pendeltür. Die Anordnung ist jedoch ringförmig, mit schräg nach innen weisenden Bürstenhaaren. Sie bestehen gewöhnlich aus rostfreien Drähten. Bürstendichtungen haben gegenüber einer Labyrinthdichtung mehrere Vorteile.
- Im Falle des Anstreifens führen, wegen des elastischen Ausweichens und der Bürstenstruktur, bei richtiger Auslegung auch große Radialbewegungen nicht zum katastrophalen Versagen.
- Wegen des elastischen Ausweichens der Bürstenhaare entsteht kaum Abrieb. Somit wird die Dichtwirkung wenig beeinflusst.
- Die Bürstendichtung benötigt einen (axial) schmäleren Einbauraum als eine Labyrinthdich- tung gleicher Wirkung. Eine Bürste entspricht in ihrer Dichtwirkung etwa einer Labyrinthdich- tung mit drei Spitzen.
Die Praxis (Lit 3.1.2.4-2) zeigt, dass auch Bürstendichtungen typische Probleme, insbesondere bei Langzeitbetrieb, aufweisen:
- Mit den ersten Starts nimmt die Leckage, wenn auch geringer als bei einer Labyrinthdichtung, am stärksten zu. Im “Endstadium“ einer geschädigten Bürste können die Leckverluste höher als bei einer Labyrinthdichtung sein.
- Schädigung und Ausbrechen der Bürstenhaare durch Luftschwingungen
- Verschleiß des Abstützblechs (engl. „backing plate“) durch reibende Bürstenhaare.
- Schädigung (Aufbiegung) der Bürste beim Zurückdrehen des Rotors im Stillstand (z.B. während Montage oder Inspektion)
- Schädigung der Anlauffläche (Verschleiß, Ausbrüche, Aufrauung).
Sind in einer Maschine Bürstendichtungen vorgesehen, sollte der Betreiber einen Nachweis, zumindest eine überzeugende Referenzanwendung mit ausreichend langer Laufzeit für seine Betriebsbedingungen verlangen.
"Bild 3.1.2.4-1": Spalte im Verdichter zwischen Rotorschaufel und Gehäuse (G1),(G2) sowie Rotor und Leitschaufelspitzen (R1),(R2) sind für Wirkungsgrad (Bild 3.1.1- 3) und Betriebsverhalten (Bild 3.1.1- 2) von besonderer Bedeutung. Im Bereich der Spitzenspalte gibt es eine Vielzahl Ausführungen und deren Kombinationen. Das Bild zeigt einige typische Varianten: (G1) Rotorschaufeln denen eine vertiefte Ringfläche im Gehäuse (strukturierte Wand, engl. casing treatment) gegenüber liegt. Eine solche Geometrie wird auch in Turbinen genutzt. Dafür bieten sich axial getrennte Gehäuse an. Anstreifen ist nicht vorgesehen. Der Spalt ist so groß gewählt, dass die Schaufel lediglich eintaucht ohne zu berühren. Ein ausreichend großer Axialspalt soll axiale Rotorbewegungen bei Lastwechseln (z.B. Abstellen oder Vollast, "Bild 2.5-1") ermöglichen. Der Vorteil dieser Variante gegenüber der nicht strukturierten Gehäusewand (G2) sind geringere Verluste. Je größer der Spalt, desto deutlicher der Effekt (Diagramm rechts).
Gehäuse mit glatter Wand bzw. Einlaufbelag lassen ein Anstreifen und Einlaufen der Schaufelspitzen zu. Der Einlaufbelag muss entsprechend weich ausgebildet sein. Üblicherweise handelt es sich um thermisch gespritzte Beläge aus Ni/Graphit oder Aluminium. Die Leitschaufelspitzen können mit einem Deckband versehen werden. Es versteift die Schaufeln und kann eine Einlaufschicht tragen. Die Labyrinthspitzen des Rotors liegen diesem Deckband gegenüber(R1). Kürzere Leitschaufeln im hinteren Verdichter stehen üblicherweise frei. Gegenüber befindet sich die Rotornabe, meist in Form eines Zwischenrings (spacer). Dieser trägt eine abrasive, harte, häufig keramische Spritzschicht aus Al2 O3 oder ZrO2 . Sie reibt die Schaufelspitzen ab.
Für alle Anwendungen gilt: Kombinationen, die merklich zum Abschleifen der Schaufelspitzen beim Kontakt führen, können die Überholungskosten anheben. Sind die Schaufeln verschleißbedingt bei der Überholung zur Erzielung der Abnahmewerte der Maschine zu kurz, kann eine aufwändige Reparatur (Aufschweißen + Nacharbeit) notwendig werden.
"Bild 3.1.2.4-2": Auch nach dem Abstellen verändern sich die Spalte durch axiale und radiale Relativbewegungen von Gehäuse und Rotor. Lit 3.1.2.4-1 sind Angaben zu entnehmen, die aus Spaltmessungen im Verdichter eines Flugtriebwerks stammen. Mit Relativbewegungen von mehreren Millimetern ist zu rechnen. Erst nach mehreren Stunden veränderte sich die Position der Blattspitze gegenüber dem Gehäuse nicht mehr. Je massiver Rotoren und Gehäuse ausgebildet sind, umso träger ist ihr Temperaturverhalten. Entsprechend lang sind die Zeiten bis keine Relativbewegungen mehr stattfinden. Unterschiede zwischen schwerer Bauweise und Triebwerksderivaten liegen auf der Hand. Das erklärt warum manchmal Rotoren erst einige Zeit nach dem Abstellen der Maschine festsitzen und später wieder frei werden.
Diese Zustände geben ein maschinenspezifisches Zeitfenster vor, in dem ohne das Risiko umfangreicher Schäden nicht gestartet werden darf (Kapitel 2.2).
"Bild 3.1.2.4-3": Die Spalthaltung während aller Betriebszustände zwischen rotierenden und statischen Komponenten ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Dehnungen durch Wärme, Fliehkräfte und Druckänderungen benachbarter Komponenten sind häufig sehr unterschiedlich. Zu große Spalte verschlechtern den Wirkungsgrad als Folge der Leckströmung. Zu starkes Anstreifen birgt die Gefahr einer gefährlichen Schädigung der Komponenten in Form von Rissbildung, Überhitzung und Verschleiß.
Im dargestellten Diagramm ist die radiale Dehnung einer Rotorschaufelspitze gegenüber der Gehäusedehnung aufgetragen. Dabei dürften sich aufgrund typischer Konstruktionsmerkmale sogenannte Heavy-Frame-Maschinen deutlich anders verhalten als Triebwerksderivate ( "Bild 2.1-7"). Dies erklärt die unterschiedlichen Anfahr- und Abstellzeiten beider Bauformen.
Ein dickwandiges Gehäuse wird sich langsamer aufheizen und durch den Innendruck weniger stark dehnen als ein dünnwandiges. Die Wärmedehnung der Rotoren ist wegen der relativ massiven Scheibenquerschnitte üblicherweise träger als die von Gehäusen. Für Derivate typisch dünne Gehäusewände begünstigen diesen Effekt. Die Radialdehnung des Rotors auf Grund der Fliehkräfte wird bei einer Drehzahlsteigerung als Folge der Scheibenbelastung sofort wirksam. Diese Dehnung dürfte bei Derivaten etwas größer als bei Maschinen schwerer Bauart mit niedrigerer Scheibenbelastung sein.
Nach dem Start wird der Montagespalt von der prompten Fliehkraftdehnung des Rotors verkleinert. Bei Beschleunigung auf Betriebsdrehzahl steigt die Fliehkraft und damit die Dehnung quadratisch mit der Drehzahl. In Punkt “B” ist Anstreifkontakt möglich. Üblicherweise tritt dieser Vorgang beim Einfahren einer Maschine ein. Er führt zum Ausrieb der Kontaktflächen und macht sich im späteren normalen Betrieb kaum mehr bemerkbar. Wird der Rotor verzögert, erweitert sich der Spalt entsprechend. Ein schnelles Hochfahren auf Vollast nach längerer Verzögerungsphase ergibt erneut eine potenzielle Anstreifsituation (Punkt “V”). Das etwas abgekühlte Gehäuse berührt den schnell gedehnten Rotor
Allgemein kann gefolgert werden: Dünne Gehäusewände und leichte Rotoren, wie sie für Triebwerksderivate typisch sind, lassen bei schnellen Starts und Lastwechseln weniger Probleme erwarten als Maschinen schwerer Bauart. Deshalb: Bei Spitzenlast bieten sich Derivate an.
"Bild 3.1.2.4-4" (Lit 3.1.2.4-3, Lit 3.1.2.4-4): Dargestellt sind typische Schadensmerkmale (weicher) Einlaufbeläge wie thermisch gespritzter Ni-Grafit-Schichten (Detail oben) und mit Metallpulver gefülltes Kunstharz (Detail unten). Solche Beläge kommen vorzugsweise in Verdichtergehäusen zur Anwendung.
Abrieb, Verschleiß („A“): Weiche Einlaufbeläge erfahren funktionsbedingt beim Anstreifen einen deutlichen Abrieb. Die Oberfläche dieser Verschleißfläche ist anfangs relativ glatt, wird aber gewöhnlich nach längeren Laufzeiten durch Erosion aufgeraut und ist dann als Anstreiffläche schwer zu identifizieren.
Erosion („B“): Mit dem Luftstrom vom Triebwerk angesaugte oder in der Gasturbine entstandene Partikel (z.B. Abrieb von einem Anstreifvorgang), können weiche Einlaufbeläge in wenigen hundert Betriebsstunden auserodieren. Die Erosionsoberfläche ist üblicherweise rau mit einer in Strömungsrichtung orientierten Struktur. Eine periodische Teilung entspricht den Leitschaufeln davor. Gealterte (oxidierte) Beläge können bereits durch den Luftstrom allein beschleunigt erodieren.
Materialaufschmierung („C“): Metallische Aufschmierungen von den Rotorschaufelspitzen sind bei porösen weichen Belägen ungewöhnlich. Sie weisen auf ein schlecht einlauffähiges Tribosystem hin. Wird der Belag bis zum Grundwerkstoff oder einer Haftschicht durchgeschliffen, kann das zu ausgeprägten Aufschmierungen mit Anzeichen hoher Reibungstemperaturen (Anlauffarben, Beulen) kommen.
Einschlagschaden („D“): Größere angesaugte oder im Triebwerk entstandene Fremdkörper oder Bruchstücke (Ausplatzer harter Schichten, Schaufelbruchstücke, Sondenbruchstücke) können größere Kerben in den Belag schneiden. Diese lassen sich zur Identifikation des Primärschadens (Ort der Bruchentstehung) nutzen.
Schichtausbruch („E“): Verschiedene betriebsbedingte Ursachen führen zu Schichtausbrü-chen: Schwingermüdung (Schallermüdung) auf Grund der „blade passing frequency“, schwingende Gehäuse, Wärmedehnungen und Dehnungen infolge mechanischer Lasten. Typische Fertigungsmängel sind zu hohe Eigenspannungen oder eine ungenügende Haftfestigkeit(Bild 3.1.2.4- 7.2). Die Lage der Trennfläche zum Grundmaterial, zur Haftschicht oder in der Schicht selbst gibt einen ersten Hinweis auf die Ablösungsursache.
Ablösungserscheinung („F“): Zeigt die Schicht Rissbildung an der Außenkante parallel zur Haftfläche, ist mit einem bevorstehenden größeren Ausbruch zu rechnen. Diese Rissbildung kann fertigungsbedingt und/oder betriebsbedingt sein. Eine mikroskopische Untersuchung der Rissflächen ergibt wichtige Hinweise auf die Schadensursachen (z.B. „Kügelchenproblem“, "Bild 3.1.2.4-7.2").
Schichtalterung („G“): Oxidieren oder reagieren Bestandteile einer mehrphasigen Schicht (Detail oben, schematische Darstellung: G1 = Grafit, G2 = Nickelpartikel, G3 = Poren), kann die innere Festigkeit des Schichtverbunds nachlassen. Das begünstigt Erosion und/oder ein schlechtes Anstreifverhalten. Dabei werden die Schaufelspitzen überhitzt und/oder Schwingungen angeregt.
Korrosion („H“): Manche Schichten bzw. bestimmte Schichtkomponenten sind korrosionsempfindlich. Typisches Beispiel ist Al-Pulver (H2) gefülltes Polyesterharz (H3). An Spalten und Rissen (H1) eindringende Meeresatmosphäre führt zur Korrosion der Al-Partikel. Die Folgen sind Blasenbildung und/oder Rissbildung mit Absprengen der Schicht ( "Bild 3.1.2.3-1").
"Bild 3.1.2.4-5": Die Gasturbine “lebt“ nicht zuletzt von Druckunterschieden verschiedener Bauteilzonen. Sie sind über die gesamte Betriebszeit von Bedeutung und haben eine wichtige Funktion im Luftsystem der Maschine. Betriebsverhalten und Wirkungsgrad sowie die Haltbarkeit wichtiger Komponenten sind von der Funktion der Labyrinthe betroffen ( "Bild 3.1.1-2"). Labyrinthe findet man in nahezu allen Bereichen der Maschine. Dazu gehören neben dem Verdichter besonders gekühlte Heißteile und Hauptlager. Das Bild zeigt Labyrinthe mit ihren typischen Funktionen und Anordnungen am Verdichtereintritt einer Derivat-Maschine.
Abdichtung der Lagerkammern gegen Ölaustritt. Meist im Zusammenhang mit Sperrluft und einem geeigneten Druckniveau im Sumpfraum.
Zwischenstufenlabyrinthe zur Abdichtung gegen eine Rückströmung der Verdichterluft.
Labyrinthe die eine Belüftung des Rotors bzw. der Scheiben beeinflussen. Dies wirkt sich im heißeren Teil u.a. auf die Temperatur bzw. auf die Lebensdauer der Scheiben aus ( "Bild 3.3-7" und "Bild 3.3-11").
Eine weitere Aufgabe von Labyrinthen ist, das auslegungsgemäße Druckniveau im Scheibenbereich zu gewährleisten, um Achsschübe ( "Bild 2.5-1") einzuhalten. Diese Labyrinthe sind somit für das Erreichen der vorgesehenen Lagerlaufzeiten wichtig.
"Bild 3.1.2.4-6": Ein wichtiger, wenn auch nicht sehr häufiger Schadensmechanimus führt zum katastrophalen Versagen von Labyrinthdichtungen. Der Schaden beginnt meist mit dem leichten Anlauf einer oder mehrerer Spitzen. Die naheliegende Anschauung, dass für diese Schadensform ein heftiger Anstreifvorgang notwendig ist, wird von der Erfahrung nicht bestätigt. Erfolgt kein Einlauf durch Abtrag oder Einschleifen, wird Material am außen liegenden Anlaufbereich aufgeschmiert. In Sekundenbruchteilen entsteht ein gefährlicher Aufbau. Dadurch verstärkt sich der Vorgang wechselseitig. Eine Folge des Aufheizens der Anstreifzonen ist das Aufbiegen des geschwächten Labyrinthstegs am Rotor, was den Schaden weiter beschleunigt und vergrößert. Häufig kommt es zum axialen Einreißen und dann dem Abreißen eines Segments des Labyrinthrings. Die von Überhitzung betroffenen Spitzen bestimmen die abgetrennte und/oder abgeschmolzene Ringbreite. In diesem Zusammenhang können sich auf und um die Anstreiffläche Strukturen bilden die thermischen Spritzschichten ähneln. Derartige Schäden sind dann besonders wahrscheinlich, wenn das Einlaufverhalten der Anstreifpartner schlecht ist. Solche Bedingungen können sich im Laufe der Betriebszeit entwickeln, wenn sich der Anstreifbelag infolge Alterung veränderte. Auch ungepanzerte Spitzen oder zu glatte Panzerungen begünstigen diese Schadensform.
"Bild 3.1.2.4-7.1" (Lit 3.1.2.4-3): Charakteristische, belastungsspezifische Schadensbilder an Labyrinthspitzen:
Von der radialen Zustellbewegung ist Tiefe und Länge der Verschleißzone am Umfang abhängig. Davon wird der Leckspalt bzw. die Leckage bestimmt. Die Zustellbewegung entsteht durch örtlichen Verzug, Auslenkung der Welle, Unwucht oder Schwingungen. Der Verschleiß kann auf dem gesamten Umfang oder nur in einem begrenzten Bereich erfolgen. Kennzeichnend für einen Anstreifbereich sind Gratbildung („B“) und Anlauffarben bis zu verstärkter Oxidation. Diese Merkmale zeigen auch geschädigte Werkstoffzonen (z.B. „Härte- bzw Festigkeitsabfall, „D“). Tritt in einer solchen Zone Korngrenzenerweichung oder Anschmelzen der Korngrenzen auf, genügen bereits geringe Zugspannungen um Warmbzw. Heißrisse auszulösen. Diese Risse entstehen einzeln oder in Rissfeldern (siehe auch „H“). Sie schreiten („C“) durch ausreichend hohe LCF- (Thermoermüdung) oder HCF-Beanspruchung (Labyrinthschwingungen) fort. Bleibt Material auf der Spitze haften (Aufschmierung, „E“) kann dies zu der im "Bild 3.1.2.4-6" beschriebenen gefährlichen Verstärkung des Anstreifvorgangs führen.
Erosionspartikel als Ausbrüche des Anstreifbelags oder Abrieb beanspruchen die Spitzen erosiv („F“). Dabei kann es zu einer „peppering“-ähnlichen Erscheinung kommen, bei der die Einschlagstellen der einzelnen Partikel noch erkennbar sind.
Das Ausbrechen oder örtliche Ablösen von Hartstoffpanzerungen (z.B. Al2 O3 ) ist ein häufiger Schaden („G“) und sollte bei ungewöhnlicher Größe im Zusammenhang mit Fertigungsmängeln und/oder Handhabungsfehlern (Transport, Montage) gesehen werden. Auch eine Panzerung ist kein absolut sicherer Schutz gegen Heißrisse („H“). Dies ist insbesondere dann zu erwarten, wenn die Panzerung nicht ausreichend schneidfähig ist. Ein Kennzeichen dafür kann eine auffallend glatte Schicht sein, wie sie bei einer mechanischen Nacharbeit (Schleifen) entsteht. So wird zu viel Wärme in der Anstreifzone erzeugt (siehe auch „C“).
Die Werkstoffe der Labyrinthspitzen im Turbinenbereich sind dem Heißgasstrom der Leckströmung ausgesetzt. Sie müssen deshalb eine ausreichend hohe Oxidationsfestigkeit aufweisen. An oxidationsempfindlichen hochwarmfesten Werkstoffen oder ungeeigneten Aufschweißungen werden Oxidationsschäden beobachtet, die dem Orangenschaleneffekt ( "Bild 3.3-9") an Eintrittskanten von überhitzten Turbinenschaufeln ähneln („I“). Typisch sind viele kleine Anrisse durch Thermoermüdung auf Grund von Start/Abstellvorgängen.
"Bild 3.1.2.4-7.2": Das „Kügelchenproblem“. Es handelt sich um eine häufige, fertigungsbedingte Ursache für Ablösungen bzw. Ausbrüche thermisch gespritzter Schichten. Der Effekt ähnelt dem Mechanismus, der für die schlechte Haftung von Klebestreifen auf einer staubigen Oberfläche verantwortlich ist. Belegen Abpraller beim thermischen Spritzen die zu beschichtende Fläche, leidet die Haftfestigkeit enorm. Bei Schichtschäden ist deshalb die Bruchfläche mikroskopisch (REM) auf Ansammlungen solcher „Spritzkügelchen“ zu untersuchen.
"Bild 3.1.2.4-8" (Lit 3.1.2.4-3): Bürstendichtungen kennt man zur Abdichtung von Drehtüren. Für zylindrische Geometrien ist die Bürste zu einem Ring gebogen. Die Bürstenhaare weisen hier radial oder schräg nach innen. Die Haare bestehen aus dünnen, hochfesten, rostfreien Drähten. Diese sind auf unterschiedliche Weise, je nach Hersteller, in einem Tragring gehalten (eingeschweißt, umschlungen). Von der Art dieser Befestigung wird das sichere Betriebsverhalten (Ablösung von Drähten, Nachstellung) entscheidend beeinflusst. Auf der Seite mit dem niedrigeren Druck befindet sich eine Scheibe (engl. backing plate). Sie dient zur Abstützung der Bürste gegen axiale Auslenkung durch Kräfte aus der Druckdifferenz. Die Bürste ist üblicherweise am statischen Teil fixiert. Der rotierende Teil besteht aus der zylindrischen Gleit- bzw. Dichtfläche. Diese kann eine besondere Beschichtung aufweisen. Üblicherweise wird jedoch eine unbeschichtete Oberfläche vorgezogen. Kennzeichnend für eine gute Dichtfläche ist eine polierte Laufspur ohne Schädigungsmerkmale wie Riefen, Verschleiß oder örtliche Aufrauung. Mit einer Bürstendichtung kann man etwa die gleiche Dichtwirkung wie mit einer guten mehrspitzigen Labyrinthdichtung erreichen. Dies ermöglicht in axialer Richtung einen kurzen Einbauraum.
Die Bürstendichtung hat den großen Vorteil, beim ungünstigen Anstreifvorgang nicht das katastropale Schadensverhalten (Bild 3.1.2.4- 6) der Labyrinthdichtungen aufzuweisen. Bei einem Auslenken des Rotors gibt die Bürste elastisch nach und vermeidet so zu starken Verschleiß.
Bürsten zeigen ein typisches Betriebsverhalten. Ausgelenkte Bürstenhaare stellen sich meist erst wieder bei einer niedrigen Druckdifferenz zurück (Hysterese). Das ist erst dann der Fall, wenn die Leistung zurückgenommen wird und die Reibkräfte in der Bürste und gegen die Abstützscheibe ausreichend abgesunken sind. Betriebstemperaturen über 500 °C führen ohne Sondermaßnahmen zu Langzeitproblemen durch Oxidation und Kriechen (bleibende Verformung) der Bürstenhaare. Starke Verwirbelungen der Strömung vor der Bürste können die Haare zu Schwingungen mit Verschleiß bis zum Bruch anregen. So kommt es zur Zerstörung der Bürste mit typischem Schadensbild.
Literatur zu Kapitel 3.1.2.4
3.1.2.4-1 P.A.E. Stewart, K.A. Brasnatt, „The Contribution of Dynamic X-Ray to Gas Turbine Air Sealing Technology“, AGARD-CP-237 (1981).
3.1.2.4-2 S. Ingistov, „Compressor Discharge Brush Seal for Gas Turbine Model 7EA“, Proceedings of ASME Turbo Expo 2001, June 4-7, 2001, New Orleans, Louisiana, Seite 1-8.
3.1.2.4-3 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 1, ISBN 3-00-005842-7, 2000, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.
3.1.2.4-4 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 2, ISBN 3-00-008429-0, 2000, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.