de:3:35:352:3522:3522
zurück  
 weiter

3.5.2.2 Gleitlager

Gleitlager

In Industriegasturbinen schwerer Bauart ( "Bild 2.1-7") sowie Industrieverdichtern und stationären Getrieben (Kapitel 3.7.2) kommen, anders als in Derivaten von Flugtriebwerken, traditionell Gleitlager in Radial- und Axialausführung ( "Bild 3.5-14") als Hauptlager zum Einsatz. Im Folgenden werden typische Schadensformen und ihre Ursachen besprochen. Für Schwingungsanalysen und Überwachung (Monitoring) von Gleitlagern gibt es Normen wie die DIN 31692-3.
Gleitlager arbeiten mit einem hydrodynamischen Schmierfilmaufbau ( "Bild 3.5-14") und/oder hydrostatisch (Öldruckaufbau von außerhalb des Lagers). Sie haben spezifische Schadensformen zu denen insbesondere Kavitation ( "Bild 3.5-19") zählt. Gleitlager haben sich trotzdem hervorragend bewährt. Ihr Betriebsverhalten hat gegenüber Wälzlagern sowohl Vor- als auch Nachteile.

Vorteile:

  • Dämpfung von Rotorschwingungen durch unvermeidliche Restunwuchten.
  • Kleiner Einbauraum
  • Große Durchmesser (Wellen) nutzbar.
  • Hohe Tragkraft.

Nachteile:

  • Anfachung selbsterregender Schwingungen.
  • Eingeschränkte Erkennbarkeit von Schwingungen mit äußeren Beschleunigungsaufnehmern
  • Im hydrodynamischenFall ist bei niedrigen Geschwindigkeiten (Start, Abstellen) wegen ungenügendem Schmierfilmaufbau zu rechnen, sodass es ohne hydrostatische Unterstützung zu Mischreibung und erhöhtem Verschleiß kommt.

Bild 3.5-14

"Bild 3.5-14" (Lit. 3.5-12 und Lit. 3.5-13): Je nach Richtung der Belastung unterscheidet man Axiallager und Radiallager (engl. sleeve bearing, Skizze unten). Dabei kommen verschiedene Konstruktionsprinzipien zum Einsatz. In Axiallagern tragen gewöhnlich einstellbare Segmente (Kippsegmentlager Skizze oben links und Mitte rechts), in Radiallagern eine geschlossene Büchse (Skizze unten) oder axial geteilte Lagerschalen bzw. Segmente (Skizze oben rechts).

Im Betrieb trennt die Gleitflächen ein dynamisch aufgebauter Ölfilm. Dieser entsteht durch Reibungskräfte zwischen Öl und Gleitflächen und im Öl selbst. Dabei wird das Öl vom rotierenden Teil (Welle) in den Schmierspalt gerissen. So baut sich ein Druck auf und die Welle wird in der Größe des Schmierspalts angehoben. Sie schwimmt also auf diesem Ölfilm. Jeder Betrieb der diesen Zustand so beeinträchtigt, dass es zum metallischen Kontakt der Gleitflächen an den Rauigkeitsspitzen kommt (Mischreibung), ist potenziell schädigend und unbedingt zu vermeiden. Das lässt sich z.B. beim Start und Abstellen durch einen ausreichend hohen statischen Druck des in geeigneter Position zugeführten Frischöls vermeiden.

Um in jedem Fall zumindest kurzfristig ausreichende Notlaufeigenschaften zu gewährleisten, ist eine Seite (üblicherweise die statische Seite bzw. Gehäuseseite) mit einer weichen metallischen Gleitschicht versehen. Diese kann aus mehreren Schichten bestehen ( "Bild 3.5-19"). Die andere meist rotierende Gleitfläche (Welle) besteht gewöhnlich aus gehärtetem Stahl.

Typische Schäden der Gleitlager sind

Bild 3.5-15

"Bild 3.5-15" (Lit. 3.5-8, Lit. 3.5-10 und Lit. 3.5- 14): Mechanischer Verschleiß hat in erster Linie zwei Hauptursachen:

Fressen (Kaltverschweißen, engl. seizure oder galling, Skizze links) durch Trockenlauf oder Mischreibung (Kontakt der Rauigkeitsspitzen). Erste Spuren sind riefenartige Schädigungen mit mikroskopischen Spuren des Herausreißens und Zusammenschiebens von Material. Der Schaden ist selbstverstärkend. Er kann in sehr kurzer Zeit (Sekunden) in das Endstadium mit extremer Hitzeentwicklung kommen. Das führt zu plastischer Verformung der Gleitschicht bis zur großflächigen Verschmierung, Schmelzen und Ablösung.
Es gibt mehrere Ursachen für einen gefährlichen Kontakt der Gleitflächen. Hierzu gehören:

  • Niedrige Drehzahlen (Start, Abstellen, Verdichterreinigen) genügen nicht für einen ausreichenden Druckaufbau im Schmierspalt.
  • Örtliche Überlastung im Schmierspalt als Folge einseitiger Belastungen, Geometriefehlern, Unwuchten/Vibrationen, Fluchtungsfehlern und Deformationen.
  • Ungenügende Tragfähigkeit des Ölfilms wegen schlechter Öleigenschaften. Ursachen sind zu hohe Betriebstemperatur, Ölalterung, Ölverschmutzung (Wasser) und ungeeignetes Öl.
  • Ölmangel durch verstopfte Frischölleitung oder den Ausfall einer Komponente im Ölsystem (Pumpe, Filter usw.).

Eine weitere Ursache sind ungenügende Notlaufeigenschaften der Gleitschicht.

Verschleiß durch abrasive Partikel im Öl (Skizze rechts). Solche Partikel sind Umgebungsstaub, Abrieb aus Labyrinthen, Strahlgut, Kernrückstände von Gussteilen, Bearbeitungsspäne und Ölkoks. Partikel, die mit dem Öl durch den Spalt treten, erzeugen in der weichen Gleitschicht schleifriefenähnliche Spuren (Skizze oben rechts) die mikroskopisch für einen Schnittvorgang typische Merkmale aufweisen (Detail links unten).
Bleiben die abrasiven Partikel in der weichen Gleitschicht stecken (Detail rechts unten) kommt es zum Verschleiß der drehenden, harten Stahlwelle durch Zerspanung. Dabei entstehen weitere abrasive Späne, die den Vorgang beschleunigen.

Bild 3.5-16

"Bild 3.5-16" (Lit. 3.5-8 und Lit. 3.5-10): Auch an Gleitschichten kann Korrosion auftreten. Das makroskopische Schadensbild geht von dunkler Verfärbung (Skizze links) bis zu einer porösen, rauen (angefressenen) Oberfläche (Detail in der Mitte). In besonderen Fällen kann die Gleitschicht (z.B. Bleibronze) total abgetragen werden (Detail rechts). Selektive Korrosiion entsteht im Stillstand und wird von elektrolytischer Einwirkung eines schwachen Stromdurchgangs unterstützt.

Korrosion tritt in erster Linie in Zusammenhang mit dem Öl auf:

  • Gealtertes Öl, beispielsweise nach zu langen Ölwechselintervallen.
  • Verunreinigtes Öl (Wasser, Säuren, Alkalien). Wasser kann aus einem defekten Ölkühler ( "Bild 3.7.2-2") stammen und/oder von Schwitzwasser bei häufigem Stillstand.
  • Öl mit aggressiven Zusätzen.

Bild 3.5-17

"Bild 3.5-17" (Lit. 3.5-10 und Lit. 3.5-11): Die weiche Gleitschicht unterliegt intensiver dynamischer Beanspruchung. Es handelt sich um Druckschwingungen die vom Ölfilm übertragen werden. Sie lösen hochfrequente Schubspannungen in der Gleitschicht aus. Diese erzeugen kleine Schwingrisse, die mit der Zeit in ein Netzwerk übergehen (Schädigungsphasen rechts). Im fortgeschritteneren Stadium brechen kantige Partikel aus („Pflastersteine“, Skizze links, Detail) und beschleunigen als Fremdkörper Folgeschäden.

Bild 3.5-18

"Bild 3.5-18" (Lit. 3.5-11 und Lit. 3.5-14): Stromdurchgang kann im Schmierspaltbereich zu Mikrolichtbögen und örtlichen Anschmelzungen in der Gleitschicht führen (Detail Mitte). In der Anfangsphase sind einzelne Krater mit abgerundeten Schmelzstrukturen und aufgeworfenen Rändern zu erkennen. Ausgeprägte Schäden haben eine zerklüftete Oberfläche mit deutlichen Anschmelzungen (REM-Befund, Detail rechts). Sie überdecken größere Bereiche der Gleitfläche, die im dargestellten Fall eines Kippsegmentlagers dunkler erscheinen (Skizze links).

Bild 3.5-19

"Bild 3.5-19" (Lit. 3.5-8, Lit. 3.5-11 und Lit. 3.5- 14): Kavitation entsteht durch die Implosion von Dampfblasen (Skizze Mitte links) im Schmierspalt. Dabei trifft ein „Ölstachel“ die Oberfläche. Die vielen Blasen erzeugen eine hochfrequente Belastung der Oberfläche mit plastischen Verformungen. Ihre Folge ist Schwingermüdung mit Ausbrüchen (Detail Mitte rechts). So bilden sich zunächst Mikrokrater in der Gleitschicht mit Durchmessern im Bereich von 0,01 mm. Sie vergrößern sich zu Löchern (Kavitäten).

Mehrphasige Gleitschichten von Gleitlagern (z.B. Dreistofflager) zeigen nach H. Klingele einen besonderen Schadensmechanismus (Skizzen unten). Zunächst entstehen von der Oberfläche senkrecht in die Gleitschicht verlaufende Schwingrisse.

Die Risse orientieren sich parallel zur Nickelschicht. Ein solcher Riss wird aufgeweitet. Es entsteht eine Mulde .

Die weiche Gleitschicht wird am Boden der Mulde unter den Druckstößen plastifiziert und nach oben gedrückt. Es entsteht am Muldenrand ein Wulst.

Wird die Nickelschicht unter der Kavitationsbelastung durchbrochen, kommt es zur Schädigung der darunter liegenden Tragschicht (Bleibronze). Bruchstücke der Nickelschicht können in die Bronze so gedrückt werden, dass diese dazwischen hervorquillt (Skizze unten rechts).

Kavitationsschäden zeichnen sich als flächige, verfärbte, oft mikroraue Zonen in bestimmten Gleitflächenbereichen aus. Deren Lage ist von Unterdruckzonen der Strömung bestimmt. Sie finden sich an Ölnuten (Skizze oben links) oder einem Rand der Gleitfläche (Skizzen oben rechts). Diese typischen Lagen lassen den Schaden als Kavitation identifizieren.

Kavitationsbedingungen entstehen bei

  • zu niedriger Ölviskosität als Folge hoher Öltemperaturen oder ungeeigneten Öls,
  • Wellenschwingungen,
  • Wasser im Öl,
  • Gleitschicht mit zu geringer Ermüdungs- festigkeit.

Literatur zu Kapitel 3.5

3.5.-1 W.R.Loomis,NASA Lewis Research Center,“Aircraft Engine Sump-Fire Studies“, Seite 443-456.

3.5.-2 FAG, Kugellagerzeitschrift 242,Seite 22-25.

3.5.-3 M.J.Kroes,T.W.Wild,“Aircraft Powerplants“,Seventh Edition,Glencoe Aviation Technology Series, Mc Graw Hill Seite 352-356.

3.5.-4 S.Jung,“Technische Diagnoseverfahren kurz vorgestellt“,TIZL 20 (1984) Heft 4, Seite 114-116.

3.5-5 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 2, ISBN 3-00-008429-0, 2001, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

3.5-6 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 5, 2008, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

"Bild 3.5-7" S.Verstege, F.Böckel ,“Lagerung- Grundlagen und konstruktive Gestaltung“, in „Stationäre Gasturbinen“, Herausgeber C.Lechner, J.Seume, ISBN 3-549-42831-3, Springer Verlag Berlin Heidelberg, 2003, Seite 699-723.

3.5-8 „Handbuch der Schadensverhütung“, Allianz Versicherungs-AG München und Berlin 1972, Kapitel „Stationäre Getriebe“, Seite 361-375.

3.5-9 P.Lynwander ,“Gear Drives for Turbomachinery“, in „Sawyer’s Turbomachinery Maintenance Handbook, Volume III“, Turbomachinery International Publications ISBN 0-937506-02-8, 1980, Seite 11-19

3.5-10 E.Greuter ,“Motorschäden: Schäden an Verbrennungsmotoren und deren Ursachen“, Vogel Buchverlag, ISBN 3-8023-1515-4, 1994, Seite 143-200.

3.5-11 L.Engel, H.Klingele, “Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen von Metall- schäden“, 1974 Gerling Institut für Schadensforschung und Schadensverhütung GmbH Köln, ISBN 3-9800043-0-9, Seite 76, 85-89, 109.

3.5-12 G.Niemann, “Maschinenelemente, Erster Band“, Springer-Verlag, Berlin/Göttingen/ Heidelberg, 5.Neudruck, 1961, Seite 239-258.

3.5-13 W.L.Sapp ,“Centrifugal Compressors“, in „Sawyer’s Turbomachinery Maintenance Handbook, Volume I“, Turbomachinery International Publications ISBN 0-937506-03- 6, 1980, Seite 11-1bis 11-11.

3.5-14 K.C.Ludema ,“Failures of Sliding Bearings“, in „Metals Handbook, Ninth Edition, Volume11, Failure Analysis and Prevention“, American Society for Metals (ASM), November 1986, ISBN 0-87170-007-7, Seite 483-489.

de/3/35/352/3522/3522.txt · Zuletzt geändert: 2023/08/16 09:34 von 127.0.0.1