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5.2.1 Trends bei Werkstoff und Herstellung

 Neue Technologien versprechen Verbesserungen und sollen die Sicherheit erhöhen. Nur, halten sie dieses Versprechen?

Sie sind zwar unverschämt teuer, geben aber absolute Funktionssicherheit bei schwerster Beanspruchung, die neuen Bremsscheiben aus faserverstärkter Keramik.

Höchstdruck-Einspritzpumpen können den Kraftstoffverbrauch sehr attraktiv verringern. Nur was ist mit dem Verschleiß, wenn sich mit einem Wasserstrahl bereits feste Werkstoffe zerschneiden lassen?

Scheinwerfer die um die Kurve leuchten und uns helfen, nachts Unfälle zu vermeiden. Rechtfertigen sie einen neuen teureren Wagen?

Reifen die nicht platt werden können, wie steht’s aber mit Fahrkomfort und Lebensdauer?

Der Sensor für den Reifendruck, eine prima Sache. Wird er im Spritzwasser unter Verschmutzung und Korrosion leiden? Ist da nicht ein frühzeitiges Versagen vorprogrammiert? Sind nicht bereits an den üblichen Überwachungssensoren schon genug Ausfälle aufgetreten?

Die Gasturbine stellt den Betreiber vor vergleichbare Fragen. Die befriedigende Antwort wäre von einer, für den jeweiligen Einsatz aussagekräftigen, Betriebserfahrung zu erwarten. Aber, ist den Angaben und heiligen Schwüren des OEM zu trauen? Wie heißt die schöne schwäbische Maxime: ”…man soll nie etwas zuerst machen…” Leider lässt sich so nicht höchstmöglich von den Vorteilen einer neuen Entwicklung profitieren.

Der Nachweis positiver betriebsrelevanter Erfahrung entscheidet über die Akzeptanz einer neuen Technologie. Dazu gehören für stationäre Gasturbinen die folgenden Beispiele. Um die Kühlluftmenge zur Steigerung des Gesamtwirkungsgrades der Maschine zu reduzieren, haben sich keramische Isolationsschichten (Wärmedämmschichten) bewährt. Sie werden an der Heißgasseite aufgebracht (siehe "Bild 3.2.3-4"). Neue Maschinen verwenden solche Schichten nicht nur auf statischen Bauteilen wie Brennkammerwandungen und den Leitschaufeldeckbändern. Inzwischen findet man sie auch auf den Blättern der Laufschaufeln von Hochdruckturbinen. Werden solche Schichten durch Fremdkörper oder Erosion geschädigt ( "Bild 3.2.3-8") oder kommt es wegen Unteroxidation zum Abplatzen, führt das verständlicherweise zu einem vorzeitigen Bauteilausfall.

Heißteile werden aus immer warmfesteren Werkstoffen hergestellt. Neue Legierungen und/ oder besondere Gefügestrukturen sind der Schlüssel zur Warmfestigkeit. Diese Eigenschaften werden mit speziellen Herstellungsverfahren erzielt. Hierzu gehören sogenannte gerichtet erstarrte Strukturen, deren versagensempfindliche Korngrenzen parallel zur Hauptbelastung ausgerichtet sind. Einen weiteren Entwicklungsschritt stellen die korngrenzenfreien Einkristalle dar (Bild 3.3- 4). Leider entstehen im Betrieb in einer Turbinenschaufel auch hohe zyklische Beanspruchungen quer zur Fliehkraft und damit auch quer zu den gerichteten Korngrenzen ( "Bild 3.3-17"). Bauteile mit gerichtet erstarrter Struktur, die unter größeren Wärmespannungen quer zu den Korngrenzen stehen, neigen zu einem holzartigen Schadensbild. Die Korngrenzen spalten sich regelrecht auf.

Technische Einkristalle sind nicht mit Einkristallen aus der Chipproduktion zu verwechseln. Sie können durchaus innere Strukturfehler und Inhomogenitäten aufweisen, wie sie für ein Werkstoffkorn typisch sind. Das einkristalline Bauteil hat lediglich keine Korngrenzen. Solche Einkristalle bestehen aus besonders geeigneten Werkstoffvarianten. Diese zeichnen sich durch besonders hohe Kriechfestigkeit, gute Oxidationsbeständigkeit und gutes Thermoermüdungsverhalten aus. Nachteile gegenüber Schaufeln aus konventionellen Werkstoffen könnten der hohe Preis und eine eingeschränkte Reparatureignung bei Regeneration und Wärmebehandlungen sein. Zu den hochwarmfesten Werkstoffen gehören auch monolithische Keramiken, die heute bereits in Kacheln von Brennkammerwänden zum Einsatz kommen ( "Bild 3.2.1-4" und "Bild 5.2-2", Lit. 5.2-4).

Im Folgenden werden Beispiele für Technologien beschrieben, deren Einsatz noch aussteht.

In der Entwicklung stehen noch “exotischere“ Werkstoffe. Hierzu gehören dispersionsgehärtete Materialien. Deren plastische Verformung unter Belastung (Kriechen) wird von fein verteilten keramischen Partikeln behindert. Sowohl die Verarbeitung als auch die Bearbeitung dieser schwer zerspanbaren Werkstoffe bereitet besondere Probleme. Von einer ausgeprägten Sprödigkeit im Vergleich zu konventionellen Werkstoffen kann ausgegangen werden.

Die Werkstofffamilie der intermetallischen Phasen ruft in den letzten Jahren verstärktes Interesse hervor. Solche metallischen Werkstoffe haben ähnlich einer chemischen Verbindung eine feste Zusammensetzung der Legierungselemente. Für die technisch interessanten Verbindungen NiAl und TiAl bedeutet dies beispielsweise, dass jeweils zur Hälfte Nickelatome und Aluminiumatome bzw. Titanatome und Aluminiumatome beteiligt sind. In der Technik sind sie bisher meist als unerwünschte Begleiterscheinungen, wie z.B. die versprödende Sigma-Phase in hochlegierten Stählen nach langen Betriebszeiten, in Erscheinung getreten. Nun hat man ihre dennoch vorhandenen praktisch nutzbaren Eigenschaften, etwa eine hohe spezifische Warmfestigkeit, erkannt. Problematisch ist die ausgeprägte legierungsabhängige Sprödigkeit bis zu Temperaturen von einigen 100 °C. Die Erfahrung muss erst zeigen, inwieweit die technische Anwendbarkeit dadurch begrenzt ist.

Abschließend sei noch auf den Einsatz monolithischer (kompakter) Keramikwerkstoffe und faserverstärkter Keramiken in der Turbinenbeschaufelung hingewiesen. Es handelt sich in erster Linie um Si3 N4 und SiC. Gerade für Industriegasturbinen werden Vorteile durch Einsparung von Kühlluft, durch hohen Erosionswiderstand und gute chemische Beständigkeit erwartet. Problematisch ist die sprichwörtliche Sprödigkeit. Überlastung oder Schockbeanspruchung führt deshalb zum katastrophalen Versagen (Lit 5-1, "Bild 5.2-1"). Vorbehalte gegenüber dem Einsatz solcher Werkstoffe können nur mit Hilfe ausreichender Erfahrung in der Entwicklungsphase abgebaut werden. In diesem Licht sind die Anstrengungen in Japan zu sehen, um diese Technologie einzuführen (Lit. 5-2). Dort werden Turbinenleitschaufeln aus Keramik für eine größere Industriegasturbine entwickelt. Arbeiten an monolithischen (einstückigen und homogenen) keramischen Leit- und Laufschaufeln sind auch aus den USA bekannt. Weitere Bauteile die in der Entwicklung stehen sind Brennkammerauskleidungen und Schindeln ( "Bild 3.2.1-4") sowie Gasführungen und Hitzeschilder aus faserverstärkter und/oder monolithischer Keramik. Faserverstärkte Keramiken haben den Vorteil einer (pseudo-) Duktilität. Ein Anriss führt nicht zu schnellem Rissfortschritt und spontanem Versagen. Zur Demonstration lässt sich ohne Schaden ein Nagel durch einen solchen Werkstoff treiben. Der Nachteil solcher Werkstoffe ist die niedrige Festigkeit und die Oxidationsschädigung. Zwar gibt es wirksame Oberflächenschichten, bei einer Beschädigung erfolgt aber von hier die innere Oxidation. Langzeiteinsätze mit Temperaturen deutlich über 800 °C, wie sie Industriegasturbinen verlangen, sind derzeit zumindest problematisch.

Bild 5.2-1

"Bild 5.2-1": Der Einsatz sogenannter monolithischer Keramik wird bei Hochdruckturbinenleitschaufeln seit Jahren in betriebsnahen Versuchen erprobt. Es handelt sich um homogene keramische Werkstoffe wie gesintertes Silizumnitrid oder Siliziumkarbid. Ein Vorteil dieser Werkstoffe gegenüber Metalllegierungen ist die für Gasturbinenteile ausreichende Warmfestigkeit bei relativ hohen Materialtemperaturen. Betriebstemperaturen von ca. 1400 °C über lange Laufzeiten, wie sie für die Anwendung in Industriegasturbinen typisch sind, erscheinen realisierbar. Die hohe Oxidationsbeständigkeit und die Beständigkeit gegen einige aggressive Gasverunreinigungen versucht man ebenfalls gezielt zu nutzen. Die HDT-Leitschaufeln als statische Bau-teile sind besonders hohen Gastemperaturen ausgesetzt ( "Bild 3.2.3-2" und Bild3.3-9). Sie benötigen deshalb in der metallischen Ausführung extrem viel Kühlluft.

Erste Entwicklungen für den Einsatz geeigneter Schaufeln in Keramikbauweise in größeren Gasturbinen fanden in Deutschland durch W. Krüger et.al. statt. Heute bemüht man sich in Japan intensiv um die Anwendung in einer 20 MW Industriegasturbine (Lit 5-2). Ein serienmäßiger Betriebseinsatz scheint jedoch nicht unmittelbar bevorzustehen. Der Aufbau dieser Turbinenleitschaufeln erfolgt nach dem Hybridprinzip. Im Gegensatz zu vollkeramischen Bauteilen in Maschinen kleiner Leistung (z.B. PKW-Turbinen), wurde eine Kombination gekühlter Metallteile (C) mit keramischen Komponenten gewählt. Die Metallstruktur nimmt die Betriebsbeanspruchungen (Gasbiegelasten) und Wärmedehnungsunterschiede des keramischen Schaufelhemds (A) auf. Sie gleicht die Wärmedehnungen aus und

Bild 5.2-2

"Bild 5.2-2" (Lit 5-4): Die hohe Leistungsdichte bzw. Wärmebelastung moderner Brennkammern von Gasturbinen schwerer Bauart machen hochwarmfeste Werkstoffe notwendig, wenn ein erhöhter Kühlluftverbrauch vermieden werden soll. Das Bild zeigt ein ‘offenes Brennkammerkonzept’, bei dem die Kühlluft/ Sperrluft durch die tragende metallische Brennkammerwand und zwischen den Hitzeschildern (Kacheln) austritt (Detail oben).

Die Kacheln bestehen aus Aluminium- und Siliziumoxid und sind mit Federelementen an der tragenden Metallwand befestigt (Bild 3.2.1- 4). So können sich Wärmedehnungen ausgleichen. Die Betriebstemperaturen der Kacheloberflächen erreichen 1500°C.

Derartige Brennkammern befinden sich offenbar bereits im Einsatz.

Literatur zu Kapitel 5.2

5.2-1 A.Rossmann, „Schadenuntersuchung und Schadenverhütung an Bauteilen der Ingenieurkeramik“, Expert Verlag, Schadenskunde im Maschinenbau, AE Kontakt & Studium Band 308, Seite 76-96.

5.2-2 N.Bolt, „Kosteneffiziente Forschungsergebnisse für Gasturbinenbetreiber“, VGB Kraftwerkstechnik 76 (1996), Heft 6, Seite 471-475.

5.2-3 T.Hansen, R.Smock, „Gas turbines aim at world power market dominance“, Zeitschrift „Power Engineering International“, http://pe.articles.clickability.com, 12.08.2008, Seite 1-9.

5.2-4 J.Hellat, A.Eroglu, W.Krebs, „Technische Verbrennungssysteme“, Kapitel in C.Lechner, J.Seume, „Stationäre Gasturbinen“, Springer Verlag Berlin Heidelberg New York, ISBN 3-540-42831-3, 2003, Seite 466-480.

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