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3.3.3 Überwachung der Bauteiltemperatur an Turbinenrotorschaufeln mit einem Pyrometer

Im Flugtriebwerksbau wird seit den 70er-Jahren die mittlere Temperatur von Turbinenrotorschaufeln mit Pyrometern gemessen ( "Bild 3.3.3-1"). Sie dienen der Regelung und Überwachung. Diese Technik, wenn auch nicht mit Hilfe eines optischen flexiblen Lichtleiters sondern über ein Linsensystem ( "Bild 3.3.3-5"), wird in Derivaten und schweren Gasturbinen eingesetzt.

Neuer ist die Messung der individuellen Temperatur an Turbinenrotorschaufeln (Bild 3.3.3- 2). So wird jede einzelne Schaufel überwachbar. Für diese Messungen ist ein mit der Wellendrehzahl synchronisiertes Pyrometer erforderlich ( "Bild 3.3.3-2").

Die individuelle Temperaturmessung bietet entscheidende Vorteile der Schadensverhütung, Kosteneinsparung (Kraftstoff, Reparatur, Ersatzteile), Inspektionsplanung und Logistik.

Bild 3.3.3-1

"Bild 3.3.3-1" (Lit.3.3-13 und Lit.3.3-14): Pyrometer können direkt die Temperatur der Schaufeln einer sichtbaren Turbinenrotorstufe überwachen. Damit ist eine Voraussetzung zur Ermittlung des Lebensdauerverbrauchs gegeben. Dies ist für Schadensverhütung und Logistik von großer Bedeutung.

Ein Pyrometer (Skizze oben) besteht aus einem Linsensystem, das direkt auf einen vorgegebenen Schaufelbereich, hier die Eintrittskante, weist. Das Licht wird bei modernen Aufbauten einem Empfänger (Fotozelle) zugeführt. Der dazu notwendige biegsame Lichtleiter besteht aus vielen Einzelfasern. Er macht es möglich, die Elektronik im kälteren äußeren Bereich anzubringen.

Pyrometer die den Stroboskopeffekt nutzen, um Temperatur bzw. deren Verteilung individueller Rotorschaufeln zu bestimmen, kommen bereits bei Industriegasturbinen und auf Prüfständen zum Einsatz ( "Bild 3.3.3-2"). Sie können in mehrfacher Hinsicht genutzt werden (Rahmen unten). Damit besteht die Möglichkeit, einzelne Schaufeln mit erhöhter Materialtemperatur zu erkennen und auszutauschen. Eine solche individuelle Temperaturerhöhung kann auf einer Beeinträchtigung der Kühlluftführung beruhen. Dafür sind Verstopfung oder Fremdkörpereinschlag (carbon impact) typisch ( "Bild 3.3-12").

Spezifische Schäden der Pyrometer werden in "Bild 3.6.2-3" behandelt.

Bild 3.3.3-2

"Bild 3.3.3-2" (Lit.3.3-14): Dies ist ein Beispiel einer im Einsatz befindlichen Anlage zur Messung der individuellen Oberflächentemperatur von Turbinenrotorschaufeln (Diagramm unten). Das kann an jedem Blatt an "Bild 3.3.3-2" bis zu dreißig Stellen erfolgen. So lassen sich Temperaturprofile erstellen.

Die Skizze oben zeigt ein Schema des Aufbaus. Eine Steuereinheit nutzt die Signale einer Drehphasenaufnahme für ein ‘stroboskopisches optisches Pyrometer’. Damit können einzelne rotierende Schaufeln für die Messung ausgewählt werden.

Die Temperaturdaten gehen über eine Datenverarbeitung zur Datenanalyse. Die Ergebnisse werden digital gespeichert und mit angepassten Bildschirmdarstellungen zu häufigen Fragen gezeigt. In kritischen Fällen lässt sich ein automatischer Alarm auslösen.

Vorteile dieser Analyse sind:

  • Kontinuierliche Temperaturmessung individueller Blätter
  • Optimierung der Verbrennung und damit des Wirkungsgrads der Maschine.
  • Erkennen schlechter gekühlter Blattzonen ( "Bild 3.3-10"). Typisch sind verengte oder blockierte Kühlluftkanäle ( "Bild 3.3-12").
  • Gewährleistung der Temperaturgrenzen am gesamten Schaufelkranz.
  • Frühzeitige Warnung vor Blattversagen/ Bruch durch Überhitzung.
  • Kontinuierliche Überwachung des Zustands (Abzehrung) der Oxidationsschutzschicht (Diffusionsschicht, "Bild 3.3-7"). Auch unge wöhnliche Veränderungen wie Schäden an Oxidationsschutzschichten oder Wärmedämmschichten ( "Bild 3.2.3-7" und "Bild 3.2.3-8") lassen sich so erkennen. Damit besteht die Möglichkeit, die Beschaufelung rechtzeitig in einem reparierbaren Zustand zu tauschen.

Das kann auch für die Logistik bzw. Festlegung von Überholintervallen oder ‘On-ConditionMaßnahmen’ (Kapitel 5.1.1) hilfreich sein. Die individuelle Schaufelüberwachung kann Aufwand und Kosten minimieren, indem nur die betroffenen Teile getauscht oder behandelt werden.

Bild 3.3.3-3

"Bild 3.3.3-3" (Lit.3.3-14): Diese Monitordarstellung zeigt markant den bedenklichen Temperaturanstieg einer einzelnen Schaufel. Der Anstieg begann offenbar in den letzten zehn Tagen. Es dürfte sich also um eine individuelle Schädigung dieser Schaufel handeln. Sie ist derart stark, dass innerhalb kurzer Zeit die Lebensdauer aufgebraucht wird, bzw. mit einer nennenswerten Restlebensdauer nicht zu rechnen ist.

Bild 3.3.3-4

"Bild 3.3.3-4" (Lit.3.3-14): Dieser Langzeittrend der Temperatur eines Turbinenschaufelsatzes lässt wichtige Rückschlüsse zu:

  • In ca. sechs Monaten erhöhte sich die Temperatur der Schaufeln (nicht einzelner). Als Ursache ist ein Anstieg der Gastemperatur zu sehen, von der die Temperatur aller Schaufeln der Stufe betroffen ist.
    Dieser Anstieg lässt sich als eine Folge einer Wirkungsgradverschlechterung (Deterioration) der Maschine interpretieren ( "Bild 1.1-3"). Hierfür sind gewöhnlich Effekte in Verdichter und Turbine wie Fouling, Rauigkeitssteigerung und Ausrieb der Dichtungen (Schaufelspitzen, Labyrinthe) verantwortlich.
  • Nach einer Überholung konnte das Temperaturniveau des Heißgases und damit der Turbinenschaufeln deutlich abgesenkt werden. Das spricht für ein erfolgreiches Anheben der Wirkungsgrade. Neben der entsprechenden Kraftstoffeinsparung ist mit einer deutlich geringeren Betriebsschädigung der Schaufeln zu rechnen ( "Bild 4.1-2"). Die Absenkung der Oberflächentemperatur um ca. 100°C lässt einen deutlichen Anstieg der Lebensdauer dieser teuren Heißteile erwarten. Dabei ist die Temperatur der tragenden Blattwände sicher nicht in gleichem Maße abgesenkt. Effekte wie Wärmedämmschichten und innere Kühlung dürften in den tragenden Schaufelwänden eine solche Temperaturabsenkung nur teilweise wirksam werden lassen ( "Bild 2.3-1").

Bei Kriechen ( "Bild 3.3-13") als lebensdauerbestimmende Belastung bedeutet eine Absenkung der Materialtemperatur um 12 °C eine Verdoppelung der Lebensdauer ( "Bild 2.3-2"). Die verlängerte Lebensdauer führt zu deutlichen Einsparungen wie:

  • Geringere Ersatzteilkosten.
  • Einsparung von Reparaturkosten.
  • Kürzere Stillstandszeiten für einen Teiletausch.

Bild 3.3.3-5

"Bild 3.3.3-5": (Lit. 3.3-14): Pyrometer haben gegenüber Thermoelementen den großen Vorteil, dass sie direkt berührungslos die Temperatur rotierender Bauteile wie Turbinenschaufeln messen können. Damit wird es auch möglich, Übertemperaturen, die nicht auf einem Anstieg der Gastemperaturen beruhen, festzustellen. Dies ist beispielsweise bei Verstopfung der Kühlluftführungen in Heißteilen der Fall ( "Bild 3.3-12"). Pyrometer haben jedoch auch Schwächen, die einen erhöhten Wartungsaufwand bedeuten können. Hierzu gehören:

(„1“) Verschmutzung der Frontlinse (engl. lens fouling) gaukelt dem Regler ein niedrigeres Temperaturniveau vor. Das kann die Heißteillebensdauer stark beeinflussen. 12°C Erhöhung der Materialtemperatur führen bei den üblichen Betriebstemperaturen der Heißteile zu einer Lebensdauerhalbierung. Außer der optischen Durchgängigkeit der Linse wird die Kalibrierung des Pyrometers verändert. Das verkürzt das erforderliche Überholungsintervall. Eine saubere Eintrittslinse des Pyrometers ist also eine wichtige Wartungsaufgabe. Dafür dürfen Wartungsintervalle auf keinen Fall überschritten werden.
Die Ursachen der Linsenverschmutzung sind Partikel im Gasstrom, die aus der Brennkammer stammen und in das Sichtrohr gelangen. Um diesen Effekt zu minimieren, werden Pyrometer mit Reinigungsluft (engl. purge air) aus dem Hochdruckverdichter beaufschlagt. Sie wirkt als Sperrluft für das Heißgas und tritt aus dem Sichtrohr in den Gasstrom. Diese Luft kann jedoch, ganz im Gegensatz zum vorgesehenen Effekt, ihrerseits die Linsenverschmutzung begünstigen. Das ist der Fall, wenn Partikel ausreichend hoher kinetischer Energie (Geschwindigkeit, Größe) den Strom der Reinigungsluft durchbrechen und durch den Wirbel vor der Linse auf diese treffen.

(„2“) Bruch von Glasfasern im Lichtleiter (Rahmen unten). Wird das Licht zur Fotozelle mit einem Glasfaserbündel übertragen, besteht die Gefahr der Spannungsrisskorrosion in den Fasern. Es wurde beobachtet, dass sich offenbar mit der Zeit in Stillstandsperioden Schwitzwasser im Bereich des Faserbündels sammeln kann. Weisen die Glasfasern ein bestimmtes kritisches Zugspannungsniveau auf, können die Glasfasern unter Feuchtigkeit bei verzögertem Risswachstum brechen. Gefährliche Spannungen können beispielsweise an der Fassung des Glasfaserbündels hinter der Linse und/oder vor der Fotozelle entstehen. Auch ein zu enger Biegeradius des Glasfaserbündels kann bei Zutritt von Schwitzwasser und/oder feuchter Luft über längere Zeit Faserbrüche auslösen. Die Messwerte driften dann zu einer scheinbar niedrigeren Temperatur ab. Damit wird der kostspielige Austausch des Systems notwendig.

(„3“) Das Problem der Veränderung des Emissionsverhaltens des zu überwachenden Bereichs am Bauteil ist nicht auf das Pyrometer selbst zurückzuführen. Trotzdem kann Oxidation, Verunreinigung, Erosion oder Fremdkörpereinwirkung das Strahlungsspektrum verändern und die Messwerte driften ab. Auch eine Verfälschung durch glühende Rußpartikel ist nicht ausgeschlossen.

(„4“) Trübung der Linse als Folge von Erosion wurde bisher nicht berichtet, ist aber eine wahrscheinliche Schädigung. Sie gewinnt mit der Verwendung von harten Partikeln im Verdichter (Panzerung von Schaufelspitzen) und keramischen Wärmedämmschichten in Brennkammer und Turbine an Aktualität. Ihre kinetische Energie kann ausreichen, um gegen den Reinigungsluftstrom auf die Linse zu gelangen. Selbst eine sehr harte Saphirlinse könnte von der erosiven Wirkung beeinträchtigt werden.

Literatur zu Kapitel 3.3

3.3-1 D.Goldschmidt, „Single-Crystal Blades “, Proceedings der „Conference on Materials for advanced Power Engineering“, Lüttich,B, 1994, Seite 661-674.

3.3-2 A.Rossmann, „Untersuchung von Schäden als Folge thermischer Beanspruchung“ Schadenskunde im Maschinenbau, Expert Verlag, AE Kontakt & Studium Band 308, Seite 162-187.

3.3-3 „New engine maintenance strategy: Throw it out just before it breaks“, Machine Design Vol.55,1983 4,5, Seite 25-30

3.3-4 J.A.Harris Jr., C.G Annis Jr., M.C. Van Wanderham, D.L.Sims, „Engine Component Retirement for Cause“ Proceedings AGARD-CP-317, Seite 5-1 bis 5-9.

3.3-5 K.G.Kubarych,J.M.Aurrecoechea,Solar Turbines Inc..“Post Field Test Evaluation of an Advanced Industrial Gas Turbine First Stage Turbine Blade“ Proceedings of ASM 1993 Materials Congress, Seite 59-68.

3.3-6 M.I.Wood, ERA Technology, England,“Internal Damage Accumulation and Imminent Failure of an Industrial Gas Turbine Blade, Interpretation and Implications“, ASME Paper 96-GT-510 (1996).

3.3-7 A.K.Koul, R.Castillo,“Creep Behavior of Industrial Turbine Blade Materials“, Proceedings of ASM 1993 Materials Congress, Seite 75-88.

3.3-8 A.K. Koul, J.P. Immarigeon, R.V. Dainty,P.C.Patnaik,“Degradation of High Performance Aero-Engine Turbine Blades“, Proceedings of ASM 1993 Materials Congress, Seite 69-74.

3.3-9 M.P.Borom, C.A. Johnson, L.A. Peluso, GE Corporation,“Role of Environmental Deposits in Spallation of Thermal Barrier Coatings on Aeroengine and Land-based Gas Turbine Hardware“.ASME Paper 96-GT-285 (1996).

3.3-10 P.König, T.Miller, A.Rossmann, „Damage of High Temperature Components by Dust- Laden Air“, AGARD Conference Proceedings 558 (1994).

3.3-11 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 3, ISBN 3-00-017733- 7, 2003, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

3.3-12 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 4, ISBN 3-00-017734- 5, 2005, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

3.3-13 „The Jet Engine“, Rolls-Royce plc, Printed 1986, Fifth Edition, ISBN 0902121235, Seite 55.

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