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3.3.1 Komponenten der Hochdruckturbine

Die HDT-Schaufeln

Rotorschaufeln ( "Bild 3.3-1" und "Bild 3.3-2") moderner Gasturbinen sind Feingussteile mit einer komplexen inneren Kühlluftführung und einer Vielzahl Öffnungen zur Oberfläche. Hier kann Luft für den schützenden Kühlschleier austreten ( "Bild 3.3-2"). Der Schaufelwerkstoff ist üblicherweise eine Nickelbasislegierung. Sie zeichnet sich durch hohe Warmfestigkeit, Kriechbeständigkeit und guten Oxidationswiderstand aus. Diese Legierungen enthalten eine „härtende“ Ausscheidungsphase (Ni3 Al). Sie ist für die gute Kriechfestigkeit verantwortlich. Gussteile können je nach Gießprozess polykristallin, gerichtet erstarrt oder als Einkristall vorliegen ( "Bild 3.3-4"). Die Ausrichtung bzw. Vermeidung der Korngrenzen trägt der Tatsache Rechnung, dass sie besonders bei ungünstiger Orientierung zur Hauptbelastung, eine Schwachstelle für Kriechbeanspruchung und Thermoermüdung bilden.

Die Schaufelspitze kann bei älteren Gasturbinentypen ein Deckband aufweisen, das die Dichtung zum Gehäuse übernimmt. Damit lassen sich die Nachbarschaufeln verspannen, um Schwingungen zu vermeiden ( "Bild 3.4-1"). In modernen Maschinentypen werden eher Rotorschaufeln der Hochdruckturbine ohne Deckband verwendet. Solche Schaufeln sind an der Spitze von einem Anstreifsystem gegen das Gehäuse abgedichtet. Zu diesem Zweck werden die Schaufelspitzen mit einer Panzerung in Form von aufgelöteten Hartstoffpartikeln ausgestattet. Auf der gegenüberliegenden Seite trägt das Gehäuse sogenannte Turbinensegmente. Sie verhindern den direkten Heißgaskontakt zum tragenden Gehäuse und haben eine temperaturbeständige Anstreifschicht. Eine besondere Gestaltung beeinflusst die Wärmedehnungen, um den Spitzenspalt zu minimieren. Bei älteren Triebwerken besteht die Anstreifschicht aus gefüllten oder ungefüllten “Honigwaben“ ( "Bild 3.4-5"). In modernen Maschinen werden dichte Plasmaspritzschichten aus Zirkonoxid als Anstreifschicht genutzt. Als Thermobarrieren verhindern sie eine Überhitzung der Dichtsegmente durch den Heißgasstrom.

Trotz des guten Oxidationswiderstands der Ni-Basis-Legierungen (Superlegierungen) reicht dieser für die heutigen, extrem langen Garantiezeiten alleine nicht aus. Deshalb sind HDT-Schaufeln normalerweise zumindest auf der Außenfläche mit Oxidationsschutzschichten versehen. Meist werden diese durch Eindiffusion von Aluminium hergestellt ( "Bild 3.3-7"). Im Betrieb bildet die Oxidation eine schützende, dichte Al2 O3 -Schicht. Um innere Oxidation zu vermeiden, wird immer öfter auch die innere Kühlstruktur der Schaufeln mit einer Diffusionsschutzschicht ausgerüstet.

In neuester Zeit werden die Blätter von Rotorschaufeln mit keramischen Wärmedämmschichten versehen. Anscheinend haben sich aufgedampfte Schichten (PVD) mit einer besonders thermowechselfesten “Stängelstruktur“ ( "Bild 3.2.3-6") durchgesetzt. Solche Wärmedämmschichten besitzen eine Haftschicht, die auch als Oxidationsschutz des Grundmaterials dient ( "Bild 3.2.3-7").

Die HDT - Scheiben

Die Scheiben der Hochdruckturbine ( "Bild 3.3-1") sind einer bauteiltypischen Belastungskombination ausgesetzt. Sie unterliegen den Fliehkräften des hochtourigen Rotors. Die absolute Höhe und die Differenzen der Temperaturen mit Gradienten und entsprechenden Wärmespannungen ( "Bild 3.3-5") erreichen an diesen Bauteilen jeweils das Maximum aller Scheiben der Maschine. Deshalb soll an dieser Stelle, stellvertretend für andere Scheiben (Verdichter und NDT), die Entstehung der Belastungen, ihre typische Verteilung im Bauteil und ihre Auswirkung auf die Lebensdauer behandelt werden.

Fliehkraftbelastungen führen zu einer Aufweitung der Scheibe. Dabei sind die inneren Scheibenpartien, sofern sie nicht durch konstruktive Maßnahmen entlastet werden, von Tangentialspannungen besonders hoch zugbeansprucht. Diese Beanspruchung fällt zum Umfang hin deutlich ab. Die Höhe der Radialspannung liegt am Rand im Bereich der Tangentialspannung. Wir wissen aus eigener Erfahrung (z.B. Karussell), dass eine Masse der Außenzonen einer rotierenden Scheibe (Kranz, "Bild 3.3-1") oder eines Stabes, deutlich höhere Fliehkräfte erfährt als in Nabennähe. Die Tatsache, dass die Fliehkräfte die Nabe höher belasten als den Kranzbereich, ist bei flüchtiger Betrachtung nicht sofort plausibel. Die Erklärung liegt darin, dass eine Masse am Umfang höhere Fliehkräfte erfährt, jedoch von den (radial nach innen) anschließenden Zonen gehalten werden muss. So übertragen sich die Fliehkräfte der äußeren Zonen letztlich auch auf den Nabenbereich und belasten diesen sehr hoch, obwohl die Nabe selbst zur Fliehkraft relativ wenig beiträgt. Um die Beanspruchung im Nabenbereich auf ein akzeptables Maß zu senken, werden Rotorscheiben hier deutlich dicker als in der anschließenden Scheibenmembrane ( "Bild 3.3-1"). Trotzdem sind bei modernen Triebwerken und ihren Derivaten im Nabenbereich zyklische plastische Verformungen unvermeidlich. Es liegt eine lebensdauerbestimmende LCF-Beanspruchung vor

Zur Belastung der Scheibe, trägt die aufgrund der Temperaturgradienten behinderte Wärmedehnung erheblich bei. Dadurch bedingten Wärmespannungen überlagern sich Spannungen aus Fliehkräften ( "Bild 3.3-5"). Weil Wärmespannungen von den Temperaturgradienten abhängen, verändern sie sich mit den Betriebszuständen.

Beim Start steigt die Gastemperatur, der Rotor nimmt über die große gasbeaufschlagte Oberfläche der Beschaufelung in kurzer Zeit viel Wärme auf. Der anschließende, relativ dünne Scheibenquerschnitt heizt sich dadurch schnell auf ( "Bild 2.2-3" und "Bild 3.3-5"). Die dicken Nabenquerschnitte verhalten sich sehr viel träger und sind somit anfangs vergleichsweise kalt. So entstehen in der Startphase sehr hohe Temperaturgradienten zwischen Kranz und Nabe. Die heiße Kranzpartie will sich ausdehnen, wird aber vom kalten, massiven Nabenbereich der Scheibe behindert. Die Folge sind hohe Druckspannungen im Kranz bis in den plastischen Bereich. Der für das Spannungsgleichgewicht sorgende Nabenbereich wird entsprechend hoch zugbeansprucht. Addiert man die Fliehkraftspannungen hinzu, wird der Kranzbereich entlastet, der Nabenbereich aber zusätzlich zugbelastet. Der Start ist also der kritischste Belastungszustand der Scheiben und beeinflusst entsprechend die vorgesehene zyklische Lebensdauer. Sie wird deshalb häufig als maximal zulässige Zahl an Start-Abstell-Zyklen ( "Bild 3.3-5") und nicht als Laufzeit angegeben.

Einen stabilen Temperaturgradienten erreicht die Scheibe je nach konstruktiver Gestaltung und Belüftung erst nach mehreren Minuten im stationären Betrieb. Der Zeitpunkt des höchsten Gradienten und damit der höchsten Belastung kann in diesem Zeitintervall liegen (Bild 2.2-4). Dem Betreiber sollte bewusst sein, dass die Startprozedur bis zur Volllast von großer Bedeutung für die zu erwartende Lebensdauer der Turbinenscheiben und damit der Maschine ist ( "Bild 2.2-5").

Beim Abstellen der Maschine fallen die Gastemperatur und die Fliehkraft schnell ab. Die Kühlung des Kranzbereichs ( "Bild 3.3-11") durch den kalten Gasstrom führt zu einer großen Temperaturdifferenz gegenüber der noch heißen Nabe. Der Kranz zieht sich zusammen und es entstehen hier hohe Zugspannungen bis in den plastischen Bereich (Thermoermüdung, "Bild 3.3-16"). Entsprechende Druckspannungen entlasten den noch heißen Nabenbereich ( "Bild 3.3-5"). So entsteht im Nabenbereich durch den Start und das Abstellen der Maschine eine LCF- Beanspruchung ( "Bild 3.1.2.1-0") niedriger Frequenz mit örtlichen plastischen Verformungen. Dies begrenzt die ertragbaren Lastwechsel (ca. 104 ) bzw. die Ermüdungslebensdauer entscheidend. Üblicherweise wird für die sichere Lebensdauer eine Zyklenzahl gewählt, die unter Berücksichtigung eines ausreichenden Sicherheitsabstands statistisch zu einem technischen Anriss (elliptischer Anriss mit ca. 0.8 mm Länge) führen kann. Diese “Inkubationszeit“ streut relativ stark. Die verbleibende Lebensdauer aufgrund eines stabilen Rissfortschritts bis zur kritischen Risslänge ( "Bild 3.3-17") kann besonders bei Thermoermüdung deutlich länger als die Inkubationszeit sein. Sie wird jedoch bisher nicht genutzt, da eine ausreichend sichere, seriengeeignete zerstörungsfreie Rissprüfung noch nicht möglich ist. An dieser Forderung scheitert bisher auch das Retirement for Cause Konzept ( "Bild 5.3-2"). Im Rahmen von Schadensfällen, bei denen das Restrisiko für andere Maschinen desselben Typs abzuschätzen ist, werden aber solche bruchmechanische Überlegungen durchaus genutzt.

Die Abhängigkeit der Lebensdauer von den besonderen Belastungen der Scheiben in den einzelnen Betriebsphasen lässt sich für den Austausch der Teile aufgrund der tatsächlich eingetretenen Belastungen nutzen. Diese sind maschinenspezifisch und üblicherweise nur dem OEM bekannt. Voraussetzung ist, dass alle notwendigen Daten über den gesamten Betrieb kontinuierlich aufgezeichnet werden. Zu diesen Daten gehören Starts, Drehzahlen, Beschleunigungszyklen (Minizyklen), Gastemperaturen und Leistungsabgaben. Je mehr von der tatsächlichen Lebensdauer des Bauteils genutzt werden soll, umso genauer sind die Daten zu erfassen. Es erfolgt eine Umrechnung in Referenzzyklen, d.h. in Lebensdauer, die ein normaler Startzyklus verbraucht. Hierfür muss die Auslegung bekannt sein und in besondere Algorithmen eingehen. Letztendlich sind solche Betrachtungen ohne Angaben des OEM nicht möglich. Die kontinuierliche Verfolgung der Restlebensdauer bzw. der verbrauchten Lebensdauer zu ermitteln übernimmt das sog. “Life Monitoring“ (Kapitel 5.3).

Es sei angemerkt, dass die Gehäuse der Maschinen so ausgelegt sind, dass sie Schaufelbruchstücke auffangen (engl. „containing“). Diese Fähigkeit zum „Containment“ ist bei einem Scheibenbruch, zumindest für Derivate, im allgemeinen nicht gegeben. Durch besondere Maßnahmen wie einen Berstschutzring, lassen sich aber auch bei diesen Scheibenbruchstücke auffangen. Auch für Gasturbinen der schweren Bauart ist offenbar ein Containment bei schweren Schäden nicht selbstverständlich (Lit. 2-15)

Weil die HD-Turbinenschaufeln gekühlt werden müssen, ist die dafür benötigte Kühlluft dem Schaufelfuß zuzuführen ( "Bild 3.3-11"). Um einen Kühlluftschleier ( "Bild 3.3-3") auch gegen die hohen Drücke vor der Turbine zu gewährleisten, wird die Kühlluft von einer Art Radialverdichter (engl. “Coverplate“) vor der HDT-Scheibe zusätzlich komprimiert. Diese Luftführung zu den HDT-Rotorschaufeln ist in ihren mechanischen Auswirkungen sehr komplex. Je nach Zustand der zugehörigen Dichtungen, kann es z.B. zu Gasschwingungen in diesem System kommen. Davon wird wiederum der Rotor beeinflusst. So hat vielleicht der unerklärlich “unruhige Lauf“ einer Gasturbine in bestimmten Betriebsphasen hier seinen Ursprung.

MERKSATZ:

Rotorscheiben sind im Nabenbereich bei Start-Abstell-Zyklen besonders hoch belastet!

Die Lebensdauer einer Gasturbine wird daher stark von der Anzahl der Start-Abstell-Zyklen bestimmt!

HDT - Leitschaufeln

Die Leitschaufeln ( "Bild 3.3-6") am Brennkammeraustritt ( "Bild 3.2.1-1") vor dem HDT-Rotor sind die thermisch am höchsten beanspruchten Bauteile der Gasturbine. Sie sind besonders den örtlichen Temperaturspitzen im Gasstrom ausgesetzt ( "Bild 3.2.3-2"). Obwohl es sich um statische Teile handelt, werden sie von Gaslasten hoch biegebeansprucht. Deshalb werden für solche Bauteile heute häufig Ni-Basis-Legierungen verwendet, obwohl diese empfindlicher als Co-Basis-Legierungen auf Überhitzungsschädigungen reagieren. Diese haben keine Ausscheidungshärtung und werden deshalb bei Überhitzung weniger bleibend geschädigt. Leitschaufeln sind im allgemeinen an beiden Enden mit Deckbändern ausgestattet. Sie sind meist zu Zwillings- oder Drillingssegmenten in einem Stück gegossen und/oder mit Hochtemperaturlot verbunden ( "Bild 3.3-1").

Die Temperaturbelastung erfordert eine intensive Kühlung. Dazu werden ca. 5-10 % des gesamten Luftdurchsatzes benötigt. Deshalb besitzen Leitschaufeln besonders viele Bohrungen für den Kühlluftschleier ( "Bild 3.3-6"). Die intensive Zumischung der Kühlluft aus den Leitschaufeln zum Heißgas kommt einer niedrigeren und gleichmäßigeren Temperatur der dahinter liegenden Rotorschaufeln zugute.

Wichtig ist, dass die Axialspalte am Umfang zwischen Einzelschaufeln oder Schaufelsegmenten gegen den Heißgasstrom abgedichtet sind. Das verhindert eine Überhitzung der Gehäuse oder der Rotorkomponenten ( "Bild 3.3-11").

Gerade die besonders hoch oxidationsbeanspruchten Leitschaufeln werden mit Schutzschichten versehen. Diffusionsschichten ( "Bild 3.3-7") und/oder thermische Spritzschichten (MCrAlY-Schichten) kommen zum Einsatz. Leitschaufeln erhielten bereits vor Rotorschaufeln keramische Thermobarrieren (thermische Spritzschichten, "Bild 3.2.3-5") auf den gasbeaufschlagten Flächen, insbesondere dem Schaufelblatt. Dies muss natürlich auch im Zusammenhang mit der fehlenden Fliehkraft gesehen werden.

Als engster Querschnitt im Gasstrom hat der Turbinenleitapparat hinter der Brennkammer großen Einfluss auf das Betriebsverhalten der gesamten Gasturbine ( "Bild 3.3-8").

Bild 3.3-1

"Bild 3.3-1": Eine typische Turbinenscheibe von Maschinen höherer Leistungsklassen (Skizze oben links) hat im Kranzbereich eine Tannenbaumverzahnung zur Aufnahme der Schaufelfüße. In diesem Bereich befindet sich auch die Arretierung und Abdichtung der Schaufeln (z.B. durch Blechsegmente). Die Scheibe (-Membrane) hat häufig Labyrinthstege zur Kühlluftführung. Die Drehmomentübertragung erfolgt gewöhnlich über Verschraubungen. Diese können im äußeren Scheibenbereich liegen, wozu Bohrungen durch die Scheibe erforderlich sind. Für die Scheibenbelastung sind Flansche günstiger, weil die Kerbwirkung in einem hochbelasteten Scheibenbereich entfällt. Turbinenscheiben haben eher nabennahe Flansche, in Verdichtern und Niederdruckturbinen findet man dagegen Flansche in Kranznähe. Im Nabenbereich sind Turbinenscheiben, besonders die der Hochdruckstufen verdickt, um die extremen Wärmespannungen und Fliehkräfte ( "Bild 2.2-3" und "Bild 3.3-5") bei den vergleichsweise hohen Bauteiltemperaturen aufnehmen zu können. Die Skizze oben rechts zeigt ein einstückiges, sog. integrales Turbinenrad (Skizze oben rechts). Solche gegossenen Räder kommen in kleineren Maschinen zum Einsatz, sind preiswert, aber haben spezifische Probleme ( "Bild 3.3-17" und "Bild 3.3-18"). Aus Schmiedeteilen gefräste Räder werden wegen ungenügender Warmfestigkeit und hohen Fertigungskosten nur von wenigen Herstellern verwendet. Das Schaufelblatt beim Blisk ist direkt am Kranz “angewachsen“. Im Bereich der Scheibe (-Membrane) befinden sich üblicherweise ringförmige Dichtungsstege gegen Heißgaseintritt bzw. zur Kühlluftführung. Die Scheibe trägt häufig auch einen Wuchtbund, an dem spanend Wuchtentnahmen vorgenommen werden. Im hochbelasteten, deutlich aufgedickten Nabenbereich erfolgt herstellerspezifisch mit Flanschen die Zentrierung und die Drehmomentübertragung

Turbinenleitschaufeln sind üblicherweise mit einem inneren und einem äußeren Deckband ausgestattet (Skizzen unten). Meist sind zwei oder drei Schaufeln, bei Niederdruckturbinen (NDT) auch mehr, zu einem Segment zusammengefasst (Skizze unten links). Dadurch wird eine merkliche Versteifung der langen und schlanken NDT-Schaufeln gegen die hohen Gasbiegekräfte und Schwingungen erreicht. So entsteht ein gewisses “fail save”-Verhalten. Damit führt die Überlastung einzelner Schaufeln bei Überhitzung nicht zum spontanen Bauteilausfall. Die Schaufeln der vorderen Stufen, insbesondere die der Hochdruckturbine sind mit effektiven Konvektions- und Schleierkühlungen ( "Bild 3.3-3" und "Bild 3.3-6") versehen. In Gasturbinen kleiner Leistung kommen integrale Leitapparate sowohl im Hochdruckteil als auch in der Niederdruckturbine erfolgreich zum Einsatz (Skizze unten rechts). Eine solche Konstruktion besteht aus einem einzigen Teil. Dies kann ein Gussteil sein oder es ist durch Schweißen und Löten gefügt. Der Nachteil dieser Gestaltung sind hohe Wärmespannungen und so eine gewisse Empfindlichkeit gegen Thermoermüdung ( "Bild 3.3-17" und Bild 3.3- 18). Solche Leitapparate weisen aus gießtechnischen Gründen im Inneren, wenn überhaupt, keine vergleichbar komplexe Kühlstruktur wie die Leitschaufelsegmente der größeren Maschinen auf

Bild 3.3-2

"Bild 3.3-2": Turbinenrotorschaufeln lassen sich in unterschiedlichen Konstruktionsprinzipien realisieren. Es gibt OEMs die Schaufeln mit Deckband bevorzugen. Deckbänder haben neben einer effektiven, weitgehend problemlosen Abdichtung des Spitzenspalts den Vorteil der Schaufeldämpfung und Abstützung gegen Schwingungen. Nachteile sind die zusätzliche Fliehkraftbelastung, Verschleißprobleme an den Anlageflächen und Rissbildung in den Deckbändern ( "Bild 3.4-1"). Die Schaufelblätter der Hochdruckturbinenstufen sind üblicherweise intensiv gekühlt ( "Bild 3.3-3" und "Bild 3.3-6"). Lediglich Kleingasturbinen im Leistungsbereich von wenigen hundert kW haben integrale Turbinenräder (ohne Einzelschaufeln, "Bild 3.3-1") mit ungekühlten Rotorschaufeln.

Das Schaufelblatt wird zur Nabe hin von der sog. Fußplattform begrenzt. Diese übernimmt neben der Gasführung auch Dichtungsaufgaben. So wird ein Heißgaseinbruch zum Schaufelfuß vermieden und/oder eine unzulässige Kühlluftleckage verhindert. Der Schaufelschaft oder Schaufelhals hat u.a. die Aufgabe einer günstigen Krafteinleitung aus dem Blatt in den Fuß. Hier tritt gewöhnlich auch die Kühlluft durch radiale Bohrungen ein. In manchen Fällen versorgen seitliche Bohrungen im Schaft das Blatt zusätzlich mit Kühlluft. Der Schaufelfuß überträgt, anders als der Schwalbenschwanzfuß im Verdichter, die Kräfte mit einer “Tannenbaumverzahnung“ in die Scheibe. So lassen sich die Belastungen der schweren Turbinenschaufeln bei den höheren Betriebstemperaturen beherrschen. Zahl und Größe der Zähne einer Tannenbaumverzahnung sind eher herstellerspezifisch. Sie wirkt sich z.B. auch auf das Überdrehzahlverhalten, d.h. die Neigung zum Ausschaufeln bei Aufweitung der Scheibe, bevor es zum Bersten kommt, aus.

Bild 3.3-3

"Bild 3.3-3": Rotorschaufeln der Hochdruckturbine müssen großen Fliehkräften bei hohen Bauteiltemperaturen widerstehen.Um eine eine ausreichende Festigkeit zu gewährleisten wird die Temperatur der tragenden Querschnitte abgesenkt. Dazu fließt die Wärme durch die Wand zum Kühlsystem im Schaufelinneren (Skizze rechts). Hier wirkt die erforderliche Kühlluft als Konvektionskühlung (Wärmeleitung). Im Bereich der Eintrittskante ist eine besonders intensive Kühlung notwendig. Der dazu erforderliche gute Wärmeübergang wird erreicht, indem man durch eine perforierte Wand Luft eines benachbarten Kühlluftkanals direkt gegen die innere Oberfläche des Kühlkanals an der Eintrittskante bläst (Prallkühlung).

Um die Schleierkühlung (Skizze links) auf der Oberfläche des Schaufelblattes auch an der Eintrittskante gegen den aufprallenden Gasstrom zu gewährleisten, ist ein besonders hoher Kühlluftdruck notwendig. Dieser Druck wird bei modernen Maschinen mit einem kleinen Zusatzverdichter erreicht. Es handelt sich um eine dünne Scheibe (engl. “cover plate”) mit einem luftführenden Abstand zur Turbinenscheibe. Diese Vorrichtung erhöht ähnlich einem Radialverdichter den Druck der Kühlluft vor Eintritt in die Schaufel.

Bild 3.3-4

"Bild 3.3-4": Der Entwicklungstrend geht zur Leistungssteigerung und Anhebung des Wirkungsgrads bei immer längeren Betriebszeiten. Dieser Trend setzt eine Temperatursteigerung des Heißgasstroms vor der Turbine voraus. Das erfordert eine Verbesserung der Warmfestigkeit, insbesondere der Kriech- und Zeitstandfestigkeit ( "Bild 2.3-1" und "Bild 2.3-2") von Turbinenschaufelwerkstoffen. Zusätzlich muss der Werkstoff einen ausreichenden Widerstand gegenüber Thermoermüdung ( "Bild 3.3-16") und gute Oxidationsbeständigkeit aufweisen.

Die hohe Warmfestigkeit der Gusslegierungen beruht auf Grobkorn mit besonderer (dendritischer) Gefügestruktur und einem hohen Anteil an Aushärtungsphase. Sie haben die Schmiedelegierungen (z.B. Nimonic) Anfang der 60er Jahre ersetzt.

Gussteile entstehen im sog. Feinguss- oder Wachsausschmelzverfahren. Dafür wird zunächst ein formgenauer Wachskern benötigt. Diesen umhüllen keramische Schichten als Formschale. Sie werden in einem komplexen Tauch- und Trocknungsprozess aufgebracht. Nach dem Ausschmelzen des Wachskerns wird die Form gebrannt. Der Guss erfolgt meist unter Schutzgas oder im Vakuum.

Das Metall erstarrt relativ schnell von der Formoberfläche her. Es entstehen vielkristalline Gefüge mit unregelmäßig orientierten Körnern (Kristalle, (engl. conventionally cast, multi-axed, Skizze links). Korngröße und Ausrichtung ist von örtlichen Temperaturgradienten und Erstarrungsgeschwindigkeiten beeinflusst.

Korngrenzen sind für Kriechen und Thermoermüdung werkstofftypische Schwachstellen ( "Bild 3.3-13"). Deshalb wird bei Turbinenleitund laufschaufeln versucht, die Körner längs der Hauptbeanspruchungsrichtung auszurichten (Lit. 3.3-13). Dies geschieht mit einem geeignet gerichteten Temperaturgradienten während der Erstarrung. Die Kristalle wachsen in Richtung dieses Gradienten. Es entsteht ein gerichtet erstarrtes (engl. directionally solidified = DS) Gefüge (mittlere Skizze). Man hat jedoch erkannt, dass neben der Hauptbelastungssrichtung auch Querbeanspruchungen auftreten. Dafür sind in erster Linie Wärmespannungen verantwortlich. Zusätzlich kann Oxidation entlang der Korngrenzen eindringen. So können Korngrenzen des gerichtet erstarrten Gefüges holzartig aufreißen. Typisch ist eine radiale Rissbildung von der Schaufelspitze.

Um deshalb alle Korngrenzen zu vermeiden, wurden Bauteile aus sog. technischen Einkristallen, (engl. single crystal = SC, Skizze rechts) entwickelt (Lit 3.3-1). Sie gingen in den 90er Jahren in Serie. „Technische Einkristalle“ bestehen aus einer Legierung und sind nicht so hochrein und frei von Mikrofehlern wie Kristalle der Chipindustrie. Die Temperaturführung wird beim Erstarren der Einkristalle noch exakter und über längere Zeit als bei der gerichteten Erstarrung kontrolliert. Am Erstarrungsbeginn sind besondere Maßnahmen notwendig, um das Aufwachsen eines Kristalls zu gewährleisten. Einkristallwerkstoffe sind auch legierungstechnisch optimiert, um Warmfestigkeit und Oxidationsbeständigkeit weiter zu steigern.

Bild 3.3-5

"Bild 3.3-5": Während eines Start-/Abstellzyklus verändert sich Temperaturverteilung und mechanische Belastung in der Scheibe auf charakteristische Weise. Als Beispiel wurde ein integrales Turbinenrad einer kleinen Gasturbine ( "Bild 3.3-1") gewählt, bei dem die Effekte besonders ausgeprägt sind. Turbinenscheiben mit Einzelschaufeln zeigen in der Tendenz das gleiche Verhalten, wenn auch weniger ausgeprägt.

Heißgastemperatur und Drehzahl sind im dargestellten Verlauf vereinfacht. Im Kranzbereich “A“ erfolgt beim Start über die Beschaufelung eine schnelle Aufheizung durch die Heißgase. Die Folge sind hohe Druckspannungen aufgrund behinderter Wärmedehnung. Bei integralen Turbinenrädern kommt es zum plastischen Stauchen. Diese Beanspruchung geht mit der Zeit wegen des Temperaturausgleichs in der Radscheibe zurück, bis ein stationärer Zustand erreicht ist. Wird die Maschine abgestellt, kühlt der Kranz schneller ab als die Nabe. Es bilden sich in “A“ hohe Zugspannungen, insbesondere in vorher plastisch gestauchten Bereichen. Eine solche LCF-Beanspruchung wird als Thermoermüdungsbeanspruchung bezeichnet ( "Bild 3.3-16"). In integralen Turbinenrädern kommt es gelegentlich zur sog. Kranzrissbildung (Lit. 3.3-2). Es sind vorzugsweise axial orientierte Risse zwischen den Schaufeln ( "Bild 3.3-17" und "Bild 3.3-18").

Im Nabenbereich “B” entstehen hohe Zugspannungen, die aufgrund des Temperaturausgleichs bis zum stationären Zustand abfallen. Nach dem Abstellen können die noch vorhandenen Wärmespannungen (langsames Abkühlen der massiven Nabe) ohne überlagerte Fliehkraftbelastung in den Druckbereich kommen.

Bild 3.3-6

"Bild 3.3-6": Die Leitschaufeln der Hochdruckturbine, direkt hinter der Brennkammer ( "Bild 3.2.3-2") sind die am intensivsten gekühlten Bauteile der Gasturbine. Damit sich trotz des hohen Druckniveaus des Gasstroms ein Kühlluftschleier (Skizze unten) bilden kann, wird die Kühlluft im Bereich des Verdichteraustritts entnommen. Der Kühlluftverbrauch der Hochdruckturbinenleitschaufeln allein liegt bei mehreren Prozent des Luftdurchsatzes der Maschine. Die Energie der Kühlluft bleibt zu einem merklichen Teil nutzbar. Sie kommt mit der Expansion in der Turbine der Nutzleistung noch bis zu einem gewissen Grad zugute. Steigt die Gastemperatur, z.B. um Leistung und Wirkungsgrad anzuheben, muss sich bei gleichbleibender Heißteiltechnologie (Werkstoff, Konstruktion) gewöhnlich auch der Kühlluftverbrauch erhöhen. Trotzdem bemüht man sich diesen zu minimieren. Das gelingt mit dem Einsatz keramischer Werkstoffe in Form thermisch gespritzter Wärmedämmschichten ( "Bild 3.2.3-3", "Bild 3.2.3-4", "Bild 3.2.3-5"). Diese thermischen Isolationsschichten verringern den Wärmefluss in die Schaufelwand und so die notwendige Intensität der Kühlung auf der Innenseite. In Entwicklung befinden sich bereits Schaufeln die monolithische Keramikkomponenten verwenden (“Hybridschaufel“, "Bild 5.2-1").

Eine besonders intensive und effektive Kühlung der Schaufelblattoberflächen und der Deckbänder metallischer Schaufeln benutzt eine “siebartige” Perforation der Schaufelwände für die Schleierkühlung. Die sogenannte Effusionskühlung mit Hilfe poröser Schaufelwände ist bisher wegen verschiedener Probleme wie Rissbildung und Verstopfung nicht zur Serienanwendung gekommen.

Im Inneren der Schaufelblätter wird die Kühlluft von perforierten Blecheinsätzen verteilt (Skizze unten).

Bild 3.3-7

"Bild 3.3-7": Diffusionsschichten auf Heißteilen dienen der Vermeidung unzulässiger Oxidation und Heißgaskorrosion. Sie werden durch Diffusion von Aluminium, manchmal auch mit Platin, bei hoher Temperatur in geeigneten Atmosphären hergestellt. Aluminium bildet bei Betriebstemperatur eine dichte, schützende Aluminiumoxidschicht und ist besonders geeignet vor weiterer Oxidation zu schützen. Die Schichtdicke liegt üblicherweise deutlich unter 0,1 mm. Bei anderen Anforderungen mit merklichem Korrosionsanteil, z.B. als Sulfidationsschutz,( "Bild 3.4-2") werden andere Metalle wie Chrom eindiffundiert. Während des Diffusionsprozesses in der Fertigung wächst ein Teil der Schicht mit besonders hohem Al-Gehalt auf dem Grundmaterial (Aufbauzone). Ein weiterer Teil diffundiert in den Grundwerkstoff (Diffusionszone).

Die Schichten können sich im Betrieb verändern. Diese Veränderungen können dem Fachmann wichtige Aufschlüsse über den Betrieb ermöglichen. Dazu gehören Schädigung, Restlebensdauer und Temperaturen bzw. Überhitzung.

Hier einige typische Effekte:

“A”: Rissbildung (sog. Schichtrisse = “Coating Cracks”) entsteht bevorzugt bei niedrigen Temperaturen. Hier ist die Schicht noch relativ spröd.

“B”: Bildung von “Oxidnägeln” an Schichtrissen im Bereich des Schichtgrunds. Da bietet der relativ niedrige Al-Gehalt keinen ausreichenden Oxidationsschutz.

“C”: “Riffelbildung” (engl. “Rippling”) bildet sich bei hohen Betriebstemperaturen unter zyklischen Wärmedehnungen mit plastischer Schichtverformung.

“D”: Ablösung der Schicht durch Rissbildung im Bereich spröder Phasen.

“E”: Bildung spröder Phasen durch Diffusionsvorgänge im Betrieb. Betroffen sind Grundwerkstoff und Schicht in Abhängigkeit von Temperatur und Zeit.

“F”: Porenbildung am Übergang zum Grundwerkstoff durch den “Kirkendalleffekt”. Diffusionvorgänge zum Ausgleich von Legierungsbestandteilen lassen die Poren entstehen.

“G”: Abzehrung der Schicht durch Zusammenwirkung von Oxidation, Erosion und zyklischen Wärmedehnungen. Sie ist das Hauptkriterium der Schichtlebensdauer.

“H”: Gefügeänderungen in der Schicht können dem Fachmann wichtige Hinweise auf die tatsächlich aufgetretenen Betriebstemperaturen geben. Aus bestimmten Gefügeveränderungen lässt sich beispielsweise erkennen, ob schädigende Überhitzungen stattgefunden haben.

“I”: Interdiffusion zwischen Grundwerkstoff und Schicht verändert die Struktur und Zusammensetzung beider. Solche Diffusionsvorgänge können, wenn auch langsam, bereits bei normalen Betriebstemperaturen auftreten. Sie lassen sich mit sogenannten Diffusionsbarrieren minimieren. Hierfür eignet sich z.B. eine Zwischenschicht aus Platin.

“K”: Anschmelzungen der Übergangszone mit Schichtablösungen bei Temperaturen im Bereich von 1250 °C. Damit sind sie ein Indiz extrem hoher Oberflächentemperaturen.

Bild 3.3-8

"Bild 3.3-8": Der kleinste Querschnitt im Gasstrom ist der Turbinenleitapparat direkt hinter der Brennkammer (Hochdruckturbinenleitapparat 1. Stufe, engl. turbine nozzle, "Bild 3.2.3-2"). Dieser Querschnitt ist individuell und sehr genau auf die Gasturbine abgestimmt. Selbst scheinbar kleine Veränderungen können sich gravierend auf das Betriebsverhalten auswirken. Dazu gehört z.B. der Pumpgrenzenabstand ( "Bild 3.1.1-2"). Typische Veränderungen können im Betrieb durch Ausknicken beim Kriechen unter Wärme-Druckspannungen entstehen. Es kann sich auch um Erosion, Oxidation, Überhitzung („Verbrennungen“, Beulen) und Ausbrüche handeln. Über Grenzwerte müsste der OEM im Handbuch oder Anweisungen (z.B. zum Boroskopbefund) Auskunft geben.

Wichtig ist, dass bei einer Reparatur dieser Querschnitt nicht unzulässig beeinflusst wird. Dazu gehören nicht ausreichend masshaltige Reparaturen.

Ein weiteres Problem sind Strömungsstörungen an den Deformationen, die gefährliche Schwingungen von Rotorschaufeln auslösen.

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