Inhaltsverzeichnis
3.1.2.3 Korrosion und Erosion im Verdichter
Welcher Autobesitzer fürchtet nicht, dass Korrosion sein Auto entwertet. Besonders aggressiv wirkte im Winter das Streusalz, wenn der Wagen längere Zeit stand. Heute, nachdem die Vollverzinkung zum technischen Standard gehört, versteht man kaum noch die Not früherer Generationen. Wenn außen Rostlöcher sichtbar wurden, war es eigentlich längst zu spät. Ganz ähnlich sieht es in der Gasturbinentechnologie aus. Auch hier ist ein Hauptübeltäter Salz. Nur wird dieses mit der Luft angesaugt. Gasturbinen mit längeren Stillstandzeiten bilden bei Temperaturwechseln Schwitzwasser. Damit sind sie ähnlich unserem Auto korrosionsbelastet. Die Verdichterschaufeln älterer Maschinentypen bestehen aus 13%-igem Cr-Stahl. In polierter Form, als Klinge unserer guten Haushaltsmesser, tritt Rost nur bei ungenügender Pflege auf, z.B. wenn es längere Zeit in der Spüle liegt. Die Verdichterschaufeln einer Gasturbine werden häufig von Erosion aufgeraut. Das ermöglicht eine gefährliche Form des Rosts, den sogenannten Lochfraß. Seine Korrosionslöcher vermindern gefährlich die Schwingfestigkeit bis zu Schaufelbrüchen. Deshalb werden rostempfindliche Stahlteile einer Gasturbine heute mit einem anorganischen Lacksystem beschichtet. Dies wirkt ähnlich wie Zink auf der Karosserie unseres Autos durch einen sog. „kathodischen Schutz“.
Korrosion im Verdichter
Korrosion tritt in Verdichtern in unterschiedlicher Form auf. Voraussetzung ist ein werkstoffspezifisches Korrosionsmedium, das in den meisten Fällen mit der Ansaugluft zugeführt wird. Da der Verdichter große Luftmengen durchsetzt, genügen darin bereits geringe Konzentrationen korrosiv wirkender Stoffe. In angereichertem Zustand können diese Ablagerungen auf Schaufeloberflächen Korrosionsschäden erzeugen.
Stillstandkorrosion wie Lochfraß (Pittingbildung, "Bild 3.1.2.3-1") durch wässrige Medien, entsteht in erster Linie während der Stillstandzeiten an empfindlichen Werkstoffen. Es handelt sich um eine örtliche Korrosion, die häufig mehrere Zehntel Millimeter in den Werkstoff eindringt. Die Kerbwirkung begünstigt Schwingbrüche mit der Gefahr extremer Folgeschäden.
Typische korrosionsempfindliche Verdichterkomponenten sind Beschaufelungen aus Cr-Stählen oder Al-Legierungen. Betroffen sind auch Gehäuse aus Mg-Legierungen, Kunstharz-Einlaufbeläge mit Al-Füllung und Leitschaufelverstellungen. Besonders korrosionsgefährlich sind Standorte mit Meeresatmosphäre. Hier entstehen im Stillstand Salzablagerungen die hygroskopisch wirken und mit Schwitzwasser für einen ausreichend wässrigen Elektrolyten sorgen. Deshalb gilt: Je mehr Stillstandzeiten, umso größer die Korrosionsgefahr.
Für Stähle haben sich anorganische Lacke mit Al-Pulverfüllung als optimaler Korrosionsschutz im gesamten Verdichterbereich bewährt. Diese Lacke bieten neben einer extrem hohen zulässigen Betriebstemperatur bis zu 500 °C durch Glasperlenstrahlen einen anodischen Korrosionsschutz. Das bedeutet, dass freiliegende kleinere Grundwerkstoffoberflächen, z.B. im Bereich von Kratzern und Riefen, von den umliegenden Zonen geschützt werden. Der Erosionswiderstand ist im Vergleich zu organischen Lacken gut.
Auch während des Betriebs tritt Korrosion auf. Dann handelt es sich im Allgemeinen nicht um Lochfraß. Besonders kritisch sind risserzeugende und/oder unterstützende Korrosionsarten. Sie benötigen neben einem werkstoffspezifischen Korrosionsmedium ausreichend hohe statische und/oder dynamische Belastungen. Zumindest im vorderen, relativ kalten Verdichterbereich besteht durch Luftfeuchtigkeit die Möglichkeit von Korrosionsschäden während des Betriebs. Dies gilt besonders für Schwingungsrisskorrosion (SRK; "Bild 3.1.2.3-2") während einer dynamischen Belastung. Erfahrungsgemäß sind gerade häufig verwendete Schaufelwerkstoffe vom Typ 13 % -Cr-Stahl für diese Korrosionsform anfällig. Meist geht der korrosionsunterstützte Schwingriss von einem bereits vorhandenen Lochfraßangriff aus ( "Bild 3.1.2.3-1").
Doch auch scheinbar korrosionsunempfindliche Werkstoffe wie Ti-Legierungen sind gefährdet. Trockene Salzablagerungen können über 450°C Rissbildung auslösen. Das gilt auch für Schäden in der Galvanik und bei Reinigung während einer Überholung bzw. Reparatur. Hier wurde Spannungsrisskorrosion (SpRK) im Zusammenhang mit einer Reinigung in “Tri-“ oder “Perbädern“ bekannt. In diesen Fällen wirkt Chlor, bei ausreichenden Zugspannungen vom Schweißen und Schmieden, schadensauslösend. Gefährlich hohe Temperaturen werden im Reparaturprozess erreicht. In diesem Licht erscheint eine Zugabe von Cl-haltigen Lösungsmitteln in den Ansaugluftstrom besonders problematisch.
Im vorderen Verdichter bestehen manche Einlaufbeläge der Gehäuse zum Zweck der Spitzenspaltminimierung aus Polyester-Kunstharzen, die mit Al-Pulver gefüllt sind. Diese, wie Lack in mehreren Lagen aufgespritzen Schichten sind empfindlich gegen selektive Korrosion der Al-Partikel. Typische Merkmale sind Riss- und Blasenbildung sowie nachfolgende Ausbrüche (Bild 3.1.2.3- 1).
Al-Schaufeln älterer Gasturbinentypen werden mittels Kunstharzlacken gegen Erosion und Korrosion geschützt. Dieser Schutz ist nur begrenzt wirksam. Eine Kombination von Erosion und Korrosion, die den Lack zerstört und unterwandert, erzeugt Lochfraß. Der dadurch bedingte Schwingfestigkeitsabfall kann die Beschaufelung irreparabel schädigen.
Manche Rotorzwischenringe (sog. Spacer) sind mit harten keramischen, abrasiv wirkenden, leicht porösen Anstreifschichten versehen (z.B. Al2 O3 oder ZrO2 ). Sie dienen zur Spaltminimierung gegenüber deckbandlosen Leitschaufeln. Falls das Grundmaterial der Ringe nicht ausreichend korrosionsfest ist (Stähle), können die porösen Schichten von Korrosion unterwandert werden. Kommt es zu größeren Schichtabplatzungen, entstehen umfangreiche Folgeschäden an der Beschaufelung.
Erosion im Verdichter
Verdichter ohne vorgeschalteten, ausreichend wirksamen Filter sind potenziell erosionsgefährdet. Weist die gefilterte Ansaugluft nur 1 ppm (Gewichtsanteil 1 zu einer Million) Staubanteil auf, saugt eine Gasturbine täglich pro 10 MW ca. 4 kg Staub an (Lit 3.1.2.3-1). Erosion wird normalerweise durch abrasive, vom Luftstrom mitgeführte Stäube und Partikel hervorgerufen. Diese werden bereits auf kurzer Strecke nach außen zentrifugiert. Sie reichern sich an den Gehäusewänden und Rotorschaufelspitzen an. Solche Bauteilzonen werden deshalb auch besonders stark erosionsbeansprucht. Weiche Einlaufbeläge auf den Gehäuseinnenwänden wie Nickel-Grafit-Spritzschichten werden durch diese Erosion geschädigt ( "Bild 3.1.2.4-4") und erzeugen dabei selbst wieder abrasive Partikel. Typisch für Erosion an Leitschaufeln ist die Schwächung des Fußbereichs ( "Bild 3.1.2.3-3"). Damit wird die Frequenz abgesenkt (Resonanzgefahr) und die Ermüdungsfestigkeit in der häufigen Grundbiegeschwingung fällt ab. Die Erosion erfolgt bei Rotorschaufeln vorzugsweise im Bereich der Spitze. Hier wirkt sich Erosion besonders ungünstig auf den Wirkungsgrad aus.Das beeinflusst die Schwingfestigkeit der Schaufel weniger. Es kommt jedoch zur Profiländerung mit Sehnenverkürzung ( "Bild 3.1.2.3-3") und einem größeren Spitzenspiel. Nicht selten zeigt die Schaufel bei extremer Erosion ein sog. “hooking“, eine hakenartige Erosionsform an der Vorderkante im Bereich der Schaufelspitze.
Bei Erosionsbeanspruchungen sind deutliche Aufrauungen der aerodynamisch wirksamen (Schaufel-)Flächen und Deformationen der Kanten im Mikrobereich ( "Bild 3.1.2.3-3") zu erwarten. Das gilt selbst dann, wenn makroskopisch auffällige Geometrieveränderungen fehlen. Solche Veränderungen reichen dennoch aus, das Betriebsverhalten des Verdichters ( "Bild 3.1.1-2") und damit die gesamte Maschine zu beeinträchtigen. Da diese Schädigung über längere Zeiträume „schleichend“ erfolgt, können - zunächst unbemerkt - höhere Betriebskosten als erwartet anfallen. Dies ist in erster Linie auf erhöhten Treibstoffverbrauch ( "Bild 4.2-1.2") und Heißteilschädigung durch höhere Temperaturen bei gleicher Leistungsabgabe zurückzuführen.
"Bild 3.1.2.3-1": Korrosion findet in Gasturbinen in erster Linie im Stillstand unter Einwirkung von Schwitzwasser statt. Das Wasser bildet mit Ablagerungen einen aggressiven Elektrolyten. In Verdichtern von Gasturbinen im industriellen Einsatz werden üblicherweise Werkstoffe mit einer gewissen Korrosionsempfindlichkeit eingesetzt. Es handelt sich um niedrig legierte Stähle für Gehäuse sowie 13%CrStähle für Beschaufelung und Scheiben. Leichtmetallegierungen auf Al- oder Mg-Basis findet man bei Gehäusen ( "Bild 3.6.1-5"). Diese Bauteile werden mit effektiven Lack- bzw. Beschichtungssystemen geschützt. Nur in seltenen Fällen, z.B. wegen der hohen Betriebstemperaturen im hinteren Verdichter, kommen Diffusionsschichten (inchromieren) zum Einsatz. Diese bieten wie galvanische Cr- und NiSchichten nur einen Korrosionsschutz solange sie das Korrosionsmedium zum Grundwerkstoff abdichten. Anderenfalls können sie mit dem unedleren Grundwerkstoff ein galvanisches Element bilden und sogar Korrosion unterstützen. Diese Gefahr besteht besonders dann, wenn die Schicht von Schwingverschleiß (Fretting) oder Erosion geschädigt wird.
Nicht nur die genannten metallischen Werkstoffe können durch Nasskorrosion angegriffen werden. Auch sogenannte Einlauf- und Anstreifbeläge ( "Bild 3.1.2.4-1") sind, auf Grund ihrer Zusammensetzung und der häufig porösen Struktur thermischer Spritzschichten, korrosionsempfindlich. Als besonders anfällig haben sich mit Al-Pulver gefüllte Polyester Spritzbeläge (Detail “B“) gezeigt.
Schaufeln aus Cr-Stählen oder hochfesten AlLegierungen sind von Lochfraß, (engl. “pittingcorrosion“) besonders gefährdet (Detail “A“). Von diesen Kerben können, selbst bei der relativ niedrigen, immer vorhandenen Schwingbelastung, Ermüdungsbrüche ausgehen. Besonders korrosionsempfindlich sind Bauteilzonen mit unterschiedlichen Werkstoffen, die durch metallischen Kontakt eine Elementbildung ermöglichen. Ein Beispiel sind Silber- oder Kupferlötungen (Detail “C“) an gebauten Verdichterschaufeln aus Cr-Stahl
Vermeidung von Korrosion: Es ist darauf zu achten, dass Korrosion auslösende und fördernde Bedingungen vermieden werden. Hierzu gehören:
- Verhinderung von Schwitzwasserbildung durch geeignete Umgebungsbedingungen oder Trocknungsmaßnahmen (Warmluft) im Stillstand.
- Vermeiden korrosiver Ablagerungen durch geeignete Reinigung.
- Verwendung korrosionsunempfindlicher Werkstoffe bzw. Werkstoffzustände. Weitestgehend korrosionsfest sind Titan- und Ni-Basis Legierungen die in Flugtriebwerken eingesetzt werden und damit auch in Derivaten auftreten.
- Vermeidung korrosionsbedenklicher Beschichtungen. Das kann die Schicht selbst betreffen, aber auch eine Elementbildung mit dem Grundwerkstoff
"Bild 3.1.2.3-2": Das Diagramm zeigt die Bedingungen vor dem Verdichter (E) und in den vorderen Stufen bis zu einem Druck von ca.3 bar. In diesem Bereich kann Feuchtigkeit während des Betriebs (graue Zone), zusammen mit Salz- und Staubablagerungen, klebrige Beläge bilden (Lit. 3.1.2.2-4). Diese Beläge vergrößern die Rauigkeit der Schaufelflächen und verursachen Fouling. Ein weiteres Problem ist wässrige Korrosion. Besonders betroffen sind Schaufeln und Scheiben aus 13% Cr-Stählen sowie Gehäuse aus Leichtmetallen oder niedrig legierten Stählen (siehe "Bild 3.1.2.3-1"). Diese Korrosion kann nicht nur im Stillstand, sondern auch während des Betriebs wirken. Die normalen Schwingungen der Schaufeln im Betrieb können Ermüdungsrisse an den Korrosionskerben entstehen lassen. Schwingungsrisskorrosion (SRK) beschleunigt dann den Rissfortschritt.
"Bild 3.1.2.3-3": Erosion im Verdichter entsteht im vorderen Bereich überwiegend durch Partikel in der Ansaugluft. Im hinteren Verdichter kann jedoch auch merkliche Erosion von Abrieb oder Ausbrüchen der Anstreifbeläge in den Gehäusen herrühren. Auch der Luftstrom selbst löst, besonders wenn eine Schädigung der Beläge bereits vorliegt, ähnlich einem Sandsturm, Partikel ab und reißt diese mit. Eine die Erosion begünstigende Alterung durch Oxidation von Nickel/Grafit-Spritzschichten tritt im hinteren, heißen Verdichterbereich auf. Im vorderen Verdichter kann Korrosion Kunstharzschichten mit Al-Füllpulver ausbrechen lassen ( "Bild 3.1.2.3-1"). Angesaugte Partikel werden im Luftstrom des Verdichters vom Drall sehr schnell nach außen zentrifugiert und schädigen die Einlaufschichten in den Gehäusen.
An der Beschaufelung entsteht ein typisches Erosionsbild: Die Rotorschaufeln werden im Spitzenbereich abgetragen, die Leitschaufeln in Fußnähe. Dies führt zur Schwächung der Blattprofile. Bei den Leitschaufeln ist dieser Effekt besonders bedenklich. Die Grundform als am häufigsten auftretende Biegeschwingung belastet den geschwächten Blattbereich. Zusätzlich fällt die Biegefrequenz der Schaufel infolge des erodierten Querschnitts. Dadurch kann eine Schaufel in Resonanz mit einer sonst tiefer liegenden Anregungsfrequenz geraten.
Umgekehrt ist es bei Rotorschaufeln. Die Erosion an der Spitze verringert hier die Schaufelmasse. So steigt die Grundbiegefrequenz. Eine Schwächung am kritischen Fußquerschnitt der Schaufel erfolgt nicht.
Erosion verändert nicht nur die Makrogeometrie des Profils. Sie raut vorzugsweise die Druckseite des Blattes auf. Saugseitenerosion durch reflektierte Partikel ist deutlich geringer. Falls sie nennenswert auftritt, ist die Auswirkung auf die Strömung aber besonders stark. Erosionsfolgen wie Deformation der Eintrittskante im Mikrobereich (Detail), Spitzenspaltvergrößerung an Einlaufschichten und eine makroskopische Veränderung des Blattprofils führt zur Verschlechterung des Verdichterwirkungsgrades (Kapitel 3.1.1). Die Bedingungen der hinteren Stufen insbesondere der hohe Druck, führen zu einer dünneren laminaren Grenzschicht. Rauigkeiten die durch diese Schicht ragen erhöhen die Reibung der Strömung. Damit beeinflussen im hinteren Verdichter deutlich geringere Rauigkeiten das Betriebsverhalten und den Wirkungsgrad des Verdichters.
Angesaugte Partikel oder von erodierten Anstreifbelägen können zur Verstopfung der Heißteile ( "Bild 3.3-12") und so zum vorzeitigen Ausfall beitragen. Das kann die Betriebs- bzw. Reparaturkosten stark ansteigen lassen. Um eine möglichst saubere Kühlluft zu erhalten, wird diese bevorzugt im Nabenbereich des Verdichterrotors entnommen. Hier sind die Partikel weitgehend auszentrifugiert. Maschinen mit einer ungünstigeren Entnahmezone sind potenziell gefährdeter für Heißteilverstopfung und deren Folgen.
Literatur zu Kapitel 3.1.2.3
3.1.2.3-1 R. Swanekamp, „Monitoring and maintaining advanced gas turbines“, Zeitschrift „Power“ March/April 2001, Seite 55-74.