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4.2 Arbeiten vor Ort

 Solange es sich um einfache Wartungsarbeiten handelt, die wir selbst nach Herstellerempfehlungen durchführen, sollten bei ausreichender Fachkenntnis keine besonderen Probleme auftreten.

Die Vorstellung jedoch, ein Auto in einer Normgarage ohne Montagegrube reparieren zu müssen, kann selbst den Fachmann vor eine kaum lösbare Aufgabe stellen.

Sorgen wir dafür, dass eine vergleichbare Situation nicht bei Wartung und Überholung unserer Gasturbine auftritt. Beengte Platzverhältnisse, nicht griffbereite Vorrichtungen und fehlende “Onlinehilfe”, weil konsultierbare Kollegen nicht erreichbar sind, machen solche Arbeiten besonders anspruchsvoll. Nicht immer wird in solchen Fällen der neugierige, die Arbeiten störende Betreiber als hilfreich angesehen.

Je mehr wir über die Besonderheiten und Risiken dieser Arbeiten wissen, umso besser lassen sich Probleme vermeiden.

Typische Arbeiten vor Ort sind Inspektionsarbeiten, die bereits in Kapitel 4.1 behandelt wurden. Vom Betreiber werden auch Wartungsarbeiten wie das Reinigen und/oder Waschen des Verdichters ( "Bild 4.2-1.1") nach OEM-Angaben durchgeführt. Gerade bei diesem Vorgang sind einige spezifische Dinge zu beachten. Zeigt der Verdichter eine deutliche Verschlechterung (im Zweifelsfall OEM konsultieren), die sich nicht auf eine Fehlfunktion der Abblasventile zurückführen lässt, ist zunächst eine visuelle Prüfung des Eintrittsbereichs anzuraten. Sind hier Anzeichen für Ölrückstände zu erkennen, ist die Quelle dieser Verunreinigung zu ermitteln. Ist sie gefunden, muss für Abhilfe gesorgt werden. Gerade moderne Verdichter werden bereits merklich von Verunreinigungen beeinflusst, die nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen sind (z.B. Ölfilm). Eine Überprüfung durch Abwischen mit einem sauberen Papier kann für eine Identifikation hilfreich sein. Soweit der OEM nichts anderes empfiehlt, ist im Zweifelsfall eine Reinigung des Verdichters ins Auge zu fassen. Eine moderne computergestützte Maschinenüberwachung (Gas Path Analysis, Kapitel 5.1.1) erlaubt es, den optimalen Zeitpunkt für das Waschen der Maschine in Abhängigkeit von gemessenen Verdichterdaten zu bestimmen ( "Bild 4.2-1.2").

Die Reinigung des Verdichters ( "Bild 4.2-1.1" und "Bild 4.2-1.2") kann auf unterschiedliche Art erfolgen, immer aber streng nach Vorgaben des OEM. Die Reinigung wird je nach Verfahren üblicherweise unter Verwendung abrasiver Trockenstoffe und/oder Waschlösungen durchgeführt. Die Vorgehensweise wird von Art und Konsistenz der zu entfernenden Verunreinigungen und Ablagerungen bestimmt (Kapitel 3.1.2.2). Das gilt sowohl für die Reinigungsprozedur, als auch die Wasch- bzw. Reinigungsmittel, sowie deren Menge und Einbringung. Verdichter, die bei besonders ungünstigen Verschmutzungsbedingungen betrieben werden, müssen häufiger gereinigt werden. Hierfür sollten angepasste Vorrichtungen, die der OEM anbietet, vorhanden sein.

Weisen die Schaufeln trockene, harte Ablagerungen auf, reinigt man mit Trockenstoffen wie Nussschalen, Reisschalen oder “Polierpudern“. Beim Reinigen mit diesen, leicht abrasiven Stoffen ist, falls der OEM keine Angaben macht, unbedingt darauf zu achten, dass keine erosionsempfindlichen Beläge im Verdichter ( "Bild 3.1.2.4-4") geschädigt werden. Es handelt sich beispielsweise um organische Lacke auf Schaufeln und Gehäusen, weiche Einlaufbeläge und ungeschützte Mg- und Al-Werkstoffe. Im Zweifelsfall ist der OEM zu konsultieren.

Ölige und klebrige Beläge erfordern flüssige Waschlösungen. Auch hier sind nur die vom OEM zugelassenen Originalmittel zu verwenden ( "Bild 4.2-1.1"). Dabei ist nicht nur der direkte Hauptgaskanal zu berücksichtigen, sondern auch Luftentnahmen und die zugehörigen Rohrleitungen, Messsysteme und Aggregate. Drainageleitungen sind nach OEM-Angaben zu öffnen. Beispielsweise sind Entnahmeleitungen in der unteren Verdichtergehäusehälfte so zu behandeln, dass die Waschlösung austreten kann und nicht von Leitungen weiter transportiert wird. Falls konstruktiv vorgesehen, sind Flüssigkeitsfallen zu drainieren. Wenn gefordert, müssen Öffnungen für Pyrometer, Flammdetektoren oder ähnliche Sonden geschlossen werden.

Üblicherweise beginnt der Waschvorgang mit einer ausreichenden Wasserspülung von 5 bis 10 Minuten bei niedrigen Verdichterdrehzahlen. Dieser Waschvorgang muss die Trocknungswirkung des Luftstroms ausgleichen. Es ist darauf zu achten, dass alle luftbeaufschlagten Flächen vollständig benetzt werden. Dafür sind verstellbare Einlaufleitschaufeln ganz zu öffnen. Die Einspritzung der wässrigen Reinigungslösung erfordert eine geeignete Vorrichtung im Bereich der Laufschaufelfüße. Dieser Waschvorgang erfolgt während des Herunterfahrens des Rotors bis zu einer Drehzahl, bei der die Reinigungslösung nicht mehr durch den gesamten Verdichter transportiert wird. Anschließend gewährleistet eine ausreichende Einwirkzeit im Stillstand, dass die anhaftenden Schichten aufgeweicht und gelöst werden. Diese erweichten Beläge lassen sich dann bei niedriger Drehzahl durch eine ausreichend lange Wasserspülung mit Reinigungslösungsresten entfernen. Eine Untersuchung der im abgelassenen Wasser mitgeführten Verunreinigungen kann Zusammensetzung, Herkunft und Ursache klären. Damit wären gezielte Maßnahmen gegen die Ursachen der Luftverunreinigungen möglich. Nach dem Spülen sollte die Maschine ca. 20 Minuten zum Trocknen weiter laufen. Einen besonders guten Reinigungseffekt hat ein nachfolgender Reinigungsvorgang mit abrasiven Trockenstoffen. Man nutzt dazu den ersten Betrieb mit niedriger Last.

Abhängig von Bedingungen wie Zugänglichkeit, Maschinengröße und verfügbarer Infrastruktur können vom Fachpersonal des OEM oder einer von ihm “empfohlenen“ Firma umfangreiche Wartungs- und Reparaturarbeiten am Einsatzort durchgeführt werden. Es sollte selbstverständlich sein, dass der Betreiber selbst zugegen und/oder von einem Fachberater vertreten ist. Er sollte sich so selbst einen Eindruck vom Zustand seiner Maschine machen. Erfahrungsgemäß stehen Entscheidungen mit Spielraum an. Dann stellen sich Fragen nach begrenzter Weiterverwendung “betriebsbeeinflusster“ Bauteile.

Von einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen OEM, Betreiber und gegebenenfalls einem hinzugezogenen Berater ist auszugehen. Dies ist umso wahrscheinlicher, je mehr der Berater vom OEM fachlich anerkannt wird. Da eine Überholung vor Ort häufig nicht optimale Bedingungen (z.B. Zugänglichkeit) für das Wartungspersonal ermöglicht, ist mit besonderer Gründlichkeit , Vorsicht und Expertise vorzugehen.

Bild 4.2-1.1

"Bild 4.2-1.1": Das Waschen des Verdichters (Lit 4.2-2, und Lit 4.2-3) muss ins Auge gefasst werden, wenn die Leistung der Maschine bis zu einem vorgegebenen Horizont im Punkt (A) abgesunken ist. Merkmale für einen verschlechterten Verdichterwirkungsgrad sind bei gleicher Leistung bedenklich angestiegene Gastemperaturen bzw. ein erhöhter Kraftstoffverbrauch ( "Bild 5.1-1"). Je nach äußeren Einflüssen wie zeitweise Luftverunreinigungen oder Verfügbarkeitszwänge unterscheiden sich die Zeitintervalle bis zum Punkt (A). Deswegen sind diese meist nicht fest vorgegeben, sondern zustandsabhängig (engl. on condition, "Bild 4.2-1.2"). Es ist zu prüfen, ob der Leistungsabfall ( "Bild 3.1.1-2") in der Hauptsache auf belagsbedingtes “Compressorfouling“ in Form von erhöhter Rauigkeit und/oder einer Profilveränderung der Verdichterbeschaufelung zurückzuführen ist. Dasist notwendig, weil auch andere Komponenten wie Labyrinthe oder die Turbinenbeschaufelung für den Langzeittrend im Verlauf „C“ ursächlich sein können. Sie profitieren von einem Waschvorgang nicht. Dafür sollte eine visuelle Inspektion des Verdichtereintrittsbereichs und gegebenenfalls eine Boroskopinspektion ausreichen. Es kann davon ausgegangen werden, dass Ablagerungen aus Öl und Salz durch Waschen entfernbar sind. So lässt sich die technisch mögliche hohe Verdichterleistung (B) wieder erreichen. Wäscht man den Verdichter nicht, ist eine Verschlechterung entlang der Kurve D zu erwarten. Rauigkeiten durch Korrosion oder Erosion des Schaufelmaterials sind nicht entfernbar. Hier hilft gegebenenfalls nur ein Ersatz der Schaufeln. Zur Reinigung können je nach Art der Beläge unterschiedliche Mittel, allein oder in Kombination, verwendet werden. Dies sind:

Trockene, leicht abrasive Medien wie Nussoder Reisschalen.

Flüssige Medien wie Wasser/ReinigungsmittelGemische.

Für einen Reinigungsvorgang wird in Lit 1-6 beispielsweise als die erfahrungsgemäß effektivste Methode ein “Einweichvorgang” (engl. soaking) mit nachträglichem Waschen angegeben. Das macht ein Abstellen der Maschine mit ausreichender Abkühlzeit notwendig. Der Waschvorgang erfolgt bei langsamem Drehen des Verdichters mit dem Starter. Höhere Verdichterdrehzahlen mit merklicher Luftströmung, welche die abgelösten Verunreinigungen in die Heißteile waschen könnte, sind unbedingt zu vermeiden. Anschließend wird die vorgeschriebene Menge Wasser/ Reinigungsmittel-Gemisch in den Verdichter eingesprüht. Dann lässt man dies ca. 3 bis 4 Minuten einwirken. Der nachfolgende Waschvorgang nutzt einen “Guss” reines Wasser. Eine effektive Drainage der verschmutzten Reinigungsflüssigkeiten ist besonders wichtig.

Von der Anwendung leicht abrasiver Medien ist abzuraten, wenn im Gaspfad Lacke auf Schaufeln und Gehäusen oder Einlaufbeläge ( "Bild 3.1.2.4-4") geschädigt werden können. Besteht Gefahr einer Verunreinigung des Ölsystems (Ölfilteruntersuchung, Kapitel 3.5) sind abrasive Reinigungsmedien ebenfalls zu vermeiden.

Waschmethoden, die ein Kerosin/Wasser-Gemisch während des Leerlaufs benutzen und dabei verbrennen, haben den Vorteil kurzer Zeiten, in denen die Maschine nicht zur Verfügung steht. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Verunreinigungen aus dem Verdichter in die Heißteile gelangen. Sie bilden Ablagerungen die große Langzeitschäden infolge Hochtemperaturkorrosion (HGK) begünstigen.

Dazu gehört auch die Sulfidation ( "Bild 3.4-2", Beispiel 4.2-1).

Die ausschließliche Verwendung vom OEM empfohlener Mittel ist selbstverständlich. “Ersatzmittel”, auch wenn scheinbar mit den vorgeschriebenen Medien identisch, müssen explizit vom OEM zugelassen sein.

Gerade wenn das Reinigen des Verdichters eine notwendige Routine ist, muss ein vorschriftsgemäßer Reinigungsprozess gewährleistet sein. Dazu wird empfohlen (Lit. 4.2-3) die Herstellerangaben und Vorschriften als Aushang anzubringen. Zumindest beim Ablauf der Arbeiten sollte er gut lesbar und sichtbar sein und bezieht sich auf Reinigungsmittel,

  • Schutz von Personal und
  • Hardware.

Die praktische Erfahrung beim Reinigen in Verbindung mit der dokumentierten erreichten Leistungsverbesserung, ist für den Betreiber eine Voraussetzung optimale Ergebnisse zu erzielen.

Bild 4.2-1.2

"Bild 4.2-1.2" (Lit 4.2-5): Mit Hilfe einer modernen computergestützten Maschinenüberwachung (GasPath Analysis, Kapitel 5.1.1) ist es heute möglich, den Zeitpunkt für das Waschen eines Verdichters zu optimieren. Darüber hinaus lässt sich auch die Verschlechterung (engl. deterioration) anderer Komponenten berücksichtigen.

Das Diagramm wird auf dem Bildschirm des Überwachungssystems angezeigt. Als Kriterium dient die Ertragsminderung der Anlage. Das Beispiel gilt für eine Anlage mittlerer Leistungsklasse.

Wie zu erkennen, lässt ein Waschen bereits nach ca. 1000 Betriebsstunden statt erst nach 2000 Stunden im Lauf eines Jahres das Einsparpotenzial in der Größenordnung eines Einfamilienhauses erwarten.

de/4/42/42.txt · Zuletzt geändert: 2023/08/16 10:09 von ittm_indgasturbde