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5.1.2 Sensoren und Verfahren zur Fernüberwachung

Heute werden Gasturbinen mit einer Vielzahl von Sonden und Aufnehmern kontinuierlich überwacht (Condition Monitoring, "Bild 5.1-1", Lit 5.1-1, Lit 5.1-2, Lit 5.1-3, Lit.5.1-6, Lit 3.3-14), um Schäden und Fehlfunktionen bereits im Entstehungsstadium zu erkennen.

In der Serienanwendung, in der praktischen Erprobung und in der Laborphase befindet sich eine Vielzahl interessanter Überwachungstechniken wichtiger Bauteile:

  • Ein typisches Beispiel ist die Lagerüberwachung mit Schwingungsaufnehmern.
  • Die pyrometrische Überwachung der Temperaturen von Turbinenrotorschaufeln. Dabei wird gewöhnlich eine integrale Temperaturmessung über den Umfang an den vorbeilaufenden Schaufeln vorgenommen. Sehr viel weitreichendere Aussagen sind mit einem “getakteten“ Pyrometer (Lit 5.1-7 und 3.3-14) möglich. Es ermittelt die Temperatur der Einzelschaufel mit Temperaturunterschieden bis zu 30°C der Schaufeln untereinander. Das entspricht einer Lebensdauerabweichung um den Faktor vier ( "Bild 2.3-2"). Mit einem derartigen Verfahren ließen sich also besonders kriechgefährdete Schaufeln identifizieren. Das ermöglicht eine Frühdiagnose mit rechtzeitigem Tausch.
  • Noch in der Entwicklungs- und Erprobungsphase befindet sich offenbar die Überwachung von Rotoren auf Rissbildung in einzelnen Komponenten ( "Bild 5.1.2-1"). Dafür scheint neben der Auswertung unwuchtbedingter Vibrationen eher die berührungslose Messung und Analyse von Torsionsschwingungen der Rotorwelle erfolgversprechend.
  • Überwachung des Gasstroms auf mitgeführte Partikel und deren Analyse (Engine Debris Monitoring, Lit. 5-4): Sensoren, die auf die elektrostatische Aufladung reagieren, werden im Hauptstrom angebracht. Steigt die Partikelbeladung, z.B. durch einen Anstreifvorgang, erhöht sich erfahrungsgemäß auch die elektrostatische Aufladung. So besteht die Möglichkeit, den Zeitraum der Partikelentstehung zu erkennen. Daraus sind Rückschlüsse auf betroffene Komponenten (z.B. Schaufeln oder Labyrinthe) und die Schadensursache möglich.
  • Die kontinuierliche Überwachung, Messung und Regelung der Radialspalte zwischen Schaufelspitzen und Gehäuse bei allen Betriebszuständen ist ein alter Wunschtraum. Er geht deutlich über die im Einsatz befindliche „Active Clearance Control“ hinaus. Bei dieser werden lediglich nach fest vorgegebenen Werten je nach Betriebszustand Gehäuse erwärmt oder gekühlt. Das Problem ist eine unter Gasturbinenbedingungen ausreichend robuste, langzeittaugliche, genaue Sonde. Denkbar ist ein in einer Glasfaseroptik geführter Laserstrahl, der von der Schaufelspitze reflektiert wird. Eine solche echte Spaltregelung könnte auch erosionsbedingte Spaltvergrößerungen oder als Folge ungewöhnlicher Rotorauslenkungen ausgleichen.
  • Überwachung von Schaufelschwingungen im Betrieb. Dafür gibt es mehrere Ansätze:
    Die Laser Doppler Anemometrie ermöglicht es, Schwingungen von Schaufelblättern auch am Rotor zu messen und zu überwachen. Damit besteht die Möglichkeit, zumindest eine zeitlich begrenzte Überwachung problematischer Bauteile durchzuführen. Bis dies jedoch in die Praxis gelangt, dürfte noch einige Zeit vergehen.
    Mit der akustischen Doppler-Methode lässt sich der Schall von schwingenden Schaufeln aufnehmen und analysieren. Die notwendigen Sensoren befinden sich in Strömungsrichtung hinter der zu untersuchenden Stufe außerhalb des Gehäuses. Mit diesem Verfahren kann man sowohl gefährliche Resonanzschwingungen der Beschaufelung erkennen als auch bereits angerissene Schaufelblätter an ihrer veränderten Frequenz. Hier befinden wir uns noch im Laborstadium.
  • In letzter Zeit bemüht man sich im Triebwerkbau verstärkt um Methoden zur sicheren Früherkennung von gefährlichen Strömungsinstabilitäten (z.B. Verdichterpumpen, Bild 51.2-2 und Lit. 5.1-9) und Druckschwingungen (z.B. von der Brennkammer). Gelingt dies, so ist die Voraussetzung für eine geregelte Vermeidung solcher Zustände gegeben. Ein erfolgversprechender Ansatz zur Vermeidung von Strömungsabrissen im Verdichter befindet sich im Versuchsstadium und hat als Schwerpunkt die Messung und Analyse von Druckschwingungen.

Bild 5.1.2-1

"Bild 5.1.2-1" (Lit. 5.1-9): Seit langem wird versucht, Risse in der Phase des stabilen Fortschritts in rotierenden Systemen berührungslos festzustellen.

Zunächst verfolgte man den Ansatz von Vibrationsmessungen an Lageraußenringen und/ oder Gehäusen. Damit sollten ungewöhnliche, von kleinen Unwuchten ausgelöste Schwingungen erkannt werden. Erfolgversprechender scheint die Registrierung der Veränderung der Torsionsschwingung einer Welle als Folge einer Rissbildung in der Beschaufelung. Man nutzt den Effekt, dass solche Risse (Thermoermüdung, Schaufelschwingung, Zeitstand) bevorzugt in axialer Richtung verlaufen. Je näher der Riss zur Schaufelwurzel liegt, umso mehr beeinflusst er deren Biegeschwingung. Dies wirkt sich merklich auf die Frequenz der Torsionsschwingung der Welle im Betrieb aus. Der Funktionsnachweis wurde beim OEM in Prüfstandsversuchen am Hochdruckrotor eines größeren Fantriebwerks erbracht. Damit stellt sich die Frage, ob ein solches Verfahren auch für die sehr steifen und massiven Wellen eines schweren Gasturbinentyps geeignet ist. Dazu wird an einer geeigneten Stelle am gesamten Umfang der Welle eine gleichmäßig unterbrochene Reflexionsfläche (hier 60 ‘Zähne’) angebracht. Beleuchtet über ein Glasfaserbündel, werden die Reflexions-Lichtimpulse an eine Auswertungseinheit weitergeleitet (Skizze oben). Für den Funktionsnachweis wurden drei Schaufeln an einer Hochdruckturbinenscheibe geeignet präpariert. Danach bei zwei Drehzahlen die Torsionsfrequenzverläufe gemessen und ausgewertet (Diagramm unten). An Hand der charakteristischen Amplitudenpeaks und zugehöriger Frequenzen ließen sich die individuellen Schaufeln mit einer Frequenzverschiebung erkennen. Wann dieses Verfahren, soweit die Entwicklung erfolgreich ist, zum Einsatz kommt, ist derzeit nicht abzusehen.

Bild 5.1.2-2

"Bild 5.1.2-2" (Lit. 5.1-10): Strömungsinstabilitäten, insbesondere Verdichterpumpen können in Gasturbinen für die Stromerzeugung eine wichtige Rolle spielen und müssen vermieden werden. Das gilt besonders, wenn Gasturbinen eine ausreichende Frequenzgenauigkeit/-konstanz im Netz gewährleisten müssen. Bei unzulässigem Frequenzabfall im Netz muss die Gasturbine innerhalb von Sekunden eine erhöhte Leistung (Reserveleistung) bei konstanter Drehzahl abgeben. Diese Leistungssteigerung erfordert mehr Kraftstoff in der Brennkammer. Das führt zu einem Anstieg des Brennkammerdrucks bzw. des Verdichterenddrucks. Die Betriebslinie nähert sich dabei der Pumpgrenze (Bild 3.1.1- 2). So steigt das Risiko des Verdichterpumpens mit umfangreichen Folgeschäden (Bild 3.1.1- 6).

Es gibt mehrere Strategien um Verdichterpumpen zu verhindern: Vorbeugende Maßnahmen: Einen Betrieb, bei dem nicht an die Grenzen der Maschine gegangen wird. Das kann bedeuten, dass Wirkungsgrad der Maschine verschenkt bzw. erhöhter Kraftstoffverbrauch akzeptiert wird. Frühzeitige Maßnahmen erfolgen in sicherem Abstand zur Pumpgrenze. Dies kann eine anspruchsvolle Aufgabe sein, wenn die Komponentenwirkungsgrade im Betrieb empfindlich abfallen (Deterioration). Dazu gehört das sog. Fouling des Verdichters ( "Bild 4.2-1.1") und erhöhte Spaltverluste an Schaufelspitzen und Labyrinthen. ( "Bild 3.1.1-2").

Akute Maßnahmen sind erforderlich, wenn es bereits zu Vorstufen des Verdichterpumpens kommt. Diese treten messtechnisch erfassbar nur Sekundenbruchteile (einige Millisekunden) vor Erreichen der Pumpgrenze auf. Es handelt sich in erster Linie um den sog. ‘Rotating Stall’, eine Strömungsablösung an einzelnen Schaufeln oder Schaufelgruppen ( "Bild 3.1.1-5"). Dabei entstehen charakteristische hochfrequente Druckschwingungen in der betroffenen Verdichterstufe. Sie können mit schnellen Drucksensoren an der Gehäusewand über den Schaufelspitzen erkannt werden. Neben Rotating Stall hat man einen weiteren Auslösemechanismus eines Pumpvorgangs erkannt. Es handelt sich um sog. Modalwellen, periodische Veränderungen der axialen Strömungsgeschwindigkeit. Sie laufen wie der Rotating Stall langsamer als die Rotordrehzahl im Ringraum um. Beide Effekte, Rotating Stall und Modalwellen sind offenbar nicht zu trennen. Neben einem solchen, anspruchsvollen Messsystem ist es wichtig, die aufgenommenen Impulse sicher zu analysieren. Dabei ist erforderlich, die stabiltätsverbessernden Maßnahmen in der extrem kurzen verbleibenden Zeit (einige Millisekunden) auszulösen. Zu solchen Maßnahmen gehören:

Schnelle Leitschaufelbewegungen: Sie sind sehr kurzfristig und unterscheiden sich so von einer vorbeugenden Verstellung.

Impulsartige Änderungen der Kraftstoffzufuhr (engl. fuel spiking, fuel blipping): Eine kurzfristige Rücknahme des Kraftstoffs kann den Brennkammerdruck entsprechend absenken. Hier ist jedoch die Trägheit des mechanischen Zumessungssystems (Regelung, Einspritzung, Ventile) ein Problem.

Lufteinblasung: Sie erfolgt an der von Rotating Stall betroffenen Verdichterstufe mit Hilfe diskreter Luftstrahlen. Diese müssen möglicherweise mit der umlaufenden Strömungsablösung synchronisiert werden. Dazu sind sehr schnelle Druckaufnehmer, computergestützte Auswertung und Steuerung der Lufteinblasung notwendig

Literatur zu [[de:5:51:511:511|Kapitel 5.1.1]]

5.1-1 R.Burkel, J.Murphy, “Infrared Imaging Systems Automate Aircraft Engine Inspection at General Electric“, IE, April 1989, Seite 28-32.

5.1-2 C.B.Meher-Himji, „Detect, troubleshoot gasturbine blade failures“, Zeitschrift Power, December 1995, Seite 35-38

5.1-3 R.Swanekamp,“Maintain top performance from gas-turbine-based systems“, Zeitschrift Power, February 1996, Seite 13-22.

5.1-4 P.Smith, „Gas path analysis“, Aircraft Engineering and Aerospace Technology, Volume 68,Number 2 (1996), Seite 3.-9.

5.1-5 M.P.Boyce, C.B. Mehr -Homji, B. Wooldridge, „Condition Monitoring of Aeroderivative Gasturbines“, ASME Paper 89-GT-36.

5.1-6 N.Bolt, „Kosteneffiziente Forschungsergebnisse für Gasturbinenbetreiber“, VGB Kraftwerkstechnik 76 (1996), Heft 6, Seite 471-475.

5.1-7 Fa. Gas Path Analysis Limited (GPAL) „ State of the Art Performance Monitoring Systems for Gas Turbines, Process Compressors & CHP Systems“, www.gpal.co.uk, Mai 2008.

5.1-8 I.E.Traeger, „ Aircraft Gas Turbine Engine Technology“, second Edition, Glencoe/ Macmillan/ McGraw-Hill, ISBN 0-07-065158-2, 1979, Seite 343 - 351.

5.1-9 K.Maynard, M.Trethewey, R.Gill, B.Resor, „ Gas Turbine Blade and Disk Crack Detection Using Torsional Vibration Monitoring: A Feasibility Study“, SCS Contract Number C-98-001172, 1998, Seite 1-7.(4647)

5.1-10 H.-G. Uhlmann, „ Früherkennung aerodynamischer Verdichterinstabilitäten mittels Wavelet-Transformationsregeln“, Dissertation 2003, Seite 16-14.

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