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5.1.1 Kontinuierliche Überwachung- „Condition Monitoring“
Die kontinuierliche Überwachung (Monitoring) des Zustands einer ( "Bild 5.1-3") Gasturbinenanlage die aus einer oder mehrerer Maschinen ( "Bild 5.1-2") besteht, kann heute als Stand der Technik betrachtet werden. Solche Systeme wurden anfangs in Flugtriebwerken angewendet (Bild 5.1- 1) und dürften dann über deren Derivate zum stationären Einsatz gekommen sein.
Zunächst ging es um die rechtzeitige Identifikation von Schäden ( "Bild 5.1-1"). Sie waren also bereits eingetreten und ihre Folgen bedingten die beobachtete Veränderung. Typisch sind Lagerschäden die sich mit Vibrationen anzeigen, die von Beschleunigungssensoren am Gehäuse aufgenommen werden.
Früher wurden in erster Linie Trends einzelner Messungen in relativ langen Zeitabständen überwacht. Heute ermöglicht der Einsatz von Computern die Auswertung einer Vielzahl von Daten unterschiedlicher Sensoren. Damit sind weitaus mehr Erkenntnisse möglich. Es handelt sich um Wirkungsgradänderungen einzelner Komponenten, besonders von Verdichtern und Turbinen. Dabei können für eine Aussage Messwerte aus mehreren Quellen in die Algorithmen einfließen. So besteht auch die Möglichkeit, dass Sensorfehler und Abweichungen im Monitorsystem über logische Betrachtungen (Plausibilität) des Computerprogramms erkannt und berücksichtigt werden.
Das computergestützte Monitoring einer Gasturbine bietet dem Betreiber mehrere Vorteile (Lit 5.1-7):
- Mit dem Monitoring der Wirkungsgrade einzelner Komponenten und der gesamten Maschine/ Anlage lassen sich frühzeitig Probleme erkennen. Damit wird es möglich, Maschinenausfälle und kostspielige Schäden zu vermeiden sowie die Logistik zu optimieren.
- Besonders mit einer Überwachung des Verdichters lassen sich Kraftstoffverbrauch und damit Emissionen möglichst niedrig halten. Hier ist der Wirkungsgradabfall über der Betriebszeit (engl. deterioration) kennzeichnend.
Computergestützte Monitoringsysteme sind heute in der Lage, unterschiedlichste Aussagen zu machen:
- Erkennen von Abweichungen in der Kraftstoffqualität ( "Bild 2.6-5").
- Ein softwarebasierter Simulator ( siehe auch Combined Heat and Power Systems = CHP, "Bild 5.1-4") der Anlage ermöglicht es dem Betreiber das Betriebsverhalten und den Wirkungsgrad seiner Maschine besser zu beurteilen.
- Optimierung der Waschzyklen unter dem Gesichtspunkt der Kostenminimierung ( "Bild 4.2-1.1", "Bild 4.2-1.2" und "Bild 5.1-6").
- Überwachung der Verbrennung/Brennkammer um Instabilitäten ( "Bild 3.2.2-5") und bedenkliche Abweichungen vor dem Eintritt eines Schadens zu warnen.
- Lebensdauerüberwachung bzw. Restlebensdauerbestimmung kriechbeanspruchter Heißteile ( "Bild 2.3-3" und "Bild 2.3-4").
- Individuelle Überwachung von Turbinenrotorschaufeln zur Schadensminimierung ( "Bild 3.3.3-2").
- Planung von Wartungs- und Überholungsaktivitäten (Intervalle, Umfang, betroffene Komponenten).
- Minimierung der Emissionen ( "Bild 3.2.3-10" und "Bild 3.2.3-11").
"Bild 5.1-1" (Lit. 5.1-8): ‘Kontinuierliche’ Maschinenüberwachung dürfte in großem Stil zunächst in Flugtriebwerken eingeführt worden sein. In diesem frühen Beispiel handelte es sich um vergleichsweise wenige Daten über eine längere Betriebszeit. Die positiven Erfahrungen mit dieser Technik ließen sich zumindest für die Derivate solcher Maschinen schnell auch in der stationären Anwendung nutzen. Dieses Bild enthält typische Beispiele einer Zweiwellenmaschine (JT-8D, Lit 5.1-1, ähnliche Auswertungen anderer Triebwerkstypen sind in Lit 5.1-4 enthalten). In der Darstellung sind die Betriebsparameter vertikal angeordnet. Die Betriebszeit befindet sich auf der Abszisse. Wenn sich bestimmte Parameter der Maschine während der Betriebszeit verändern, lässt dies auf mögliche Schadenbereiche und Schadenarten rückschließen.
Leck im Hochdruckverdichter: Beispiele sind Schäden an Luftentnahmeleitungen und Abblasventilen. Im stationären Betrieb führt ein solches Leck zur Abnahme des Verdichterenddrucks. Zur Aufrechterhaltung der Leistung muss mehr Kraftstoff zugeführt werden, um die Turbineneintrittstemperatur und damit die Turbinenleistung zu erhöhen. Dies bedingt, dass die Drehzahl des Verdichters ansteigt und den erforderlichen Enddruck wieder aufbaut. Ein Verdichterleck hat einen ähnlichen Effekt wie eine Verschlechterung des Verdichterwirkungsgrads ( "Bild 3.1.1-2"). Alle die beschriebenen Einflüsse führen zu einer merklichen Änderung der überwachten Parameter
Brennkammerschaden (Ausbrüche der Brennkammerwandungen "Bild 3.2.3-1", Schäden an den Einspritzdüsen): Diese Schäden sind sehr schwer aus den Überwachungsparametern zu identifizieren. Oft sind es Folgeschäden in der Turbine die eine Erkennung ermöglichen. Es sind also die typischen Parameteränderungen die auch bei Turbinenschäden zu erwarten sind: Abfall der Drehzahlen und Anstieg der Turbineneintrittstemperatur. Der Temperaturanstieg ist eine Folge erhöhter Kraftstoffzugabe, um die erforderliche Leistung zu gewährleisten.
Schaden am HDT-Leitapparat: (siehe Beispiele in "Bild 3.3-9"). Ist ein größerer Anteil der Beschaufelung betroffen, fällt die HDT-Drehzahl signifikant ab. Turbineneintrittstemperatur und Kraftstoffverbrauch steigen ähnlich wie bei den BK-Schäden an. Bemerkenswert ist die deutliche Erhöhung der Schwingungsmesswerte, die in der Literatur nicht erklärt wird. Denkbar ist jedoch eine Schwingungsanregung durch Strömungsungleichmäßigkeiten am Umfang im Turbinenbereich.
Schaden am Lager des HDV: Die Hochdruckdrehzahl geht zwar erwartungsgemäß zurück, gänzlich unerwartet ist jedoch ein deutlicher Abfall des Schwingniveaus im hinteren Maschinenbereich. Dies zeigt eindrucksvoll, wieviel Expertise zur richtigen Bewertung der Überwachungsparameter notwendig ist.
"Bild 5.1-2": (Lit. 5.1-7): Ein solcher on line, real time Softwaresimulator entspricht dem derzeitigen Stand der Technik. Es handelt sich um ein computergestütztes System. Messwerte werden über Algorithmen vor Ort oder in einer zentralen Überwachung ausgewertet und bewertet. Die Ergebnisse lassen sich über Netzwerke weiterleiten und dokumentieren. Es geht in erster Linie um
- den aktuellen Wirkungsgrad der Maschine.
- Beeinflussung der Heißteillebensdauer (Kriechen, "Bild 2.3-3" und "Bild 2.3-4").
- Einfluss auf (Abgas) Emissionen.
- Ansaug- und Abgasverluste.
- Kostenminimierung (Austausch, Reparatur, Überholung, Wartung).
- Logistik sowie Planung von Wartung (z.B. Verdichterwaschen ) und Überholung.
- Schadenverhütung
Mit dem Computermodell der Maschine (Simulator) lassen sich auch typische Effekte und deren Auswirkungen abschätzen:
- Umgebungseinflüsse wie Temperatur, Druck und Feuchtigkeit.
- Wirkungsgradverschlechterung (deterioration).
- Maßnahmen zur Leistungssteigerung wie Eintrittskühler, Wassereinspritzung und Optimierungen der Anlage.
- Regelungssystem: Drehzahlen, Leistungsgrenzen.
- Trends die auf Veränderungen, insbesondere Schäden, hinweisen.
- Kraftstoffänderungen/-wechsel.
Darüber hinaus lässt sich die Reaktion der Anlage auf Betriebsdaten untersuchen, die in Hardwaretests ein zu hohes Schadensrisiko bedeuten. Hierzu gehören Heißteilüberhitzungen durch extreme Gastemperaturen
Dieses Bild entspricht weitgehend der Bildschirmdarstellung eines sog. Gasturbinensimulators. Eigene Felder sind den gemessenen Parametern und daraus ermittelten Betriebsdaten wie Wirkungsgraden, Kosten, Fehlfunktionen, Emissionen sowie Alarmen zugeordnet. In der tatsächlichen Ausführung enthalten die Anzeigen Daten und Zahlen mit Dimensionsangaben. Auf diese wurde hier wegen der Übersichtlichkeit verzichtet. Zusätzlich lassen sich in vielen Fällen noch weitere Bildschirmdarstellungen mit Detailangaben aufrufen.
"Bild 5.1-3" und "Bild 5.1-4": Softwaresimulatoren lassen sich auch für kombinierte Anlagen wie Kraft-Wärmekopplung (Bild 2.1- 3.2, Combined Heat and Power Systems = CHP-Systeme, Cogeneration Systems) anwenden. Die Wärmenutzung steigert den Wirkungsgrad enorm. Das reduziert auch die Emissionen. Für einen maximalen Effekt sind die Anlagenkomponenten bzw. ihr Betrieb entsprechend anzupassen. Das gilt für Änderungen von Einflüssen wie Umgebung, Kraftstoff, Leistung/ Wärmemenge.
Dargestellt ist eine Anlage mit zwei Gasturbinen, deren Abgaswärme in einem einzigen Dampferzeuger genutzt wird.
"Bild 5.1-5" (Lit. 5.1-7): Eine wichtige Rolle spielt das Zusammenwirken der Komponenten (engl. matching). Treten Schäden auf, verändern diese die Charakteristiken der Komponenten und so die Messwerte. Daraus ermittelt die Gasstromanalyse Kennwerte der Abweichungen (engl. fault indices).
Mit Hilfe der Gasstromanalyse lassen sich auch Fehler von Sensoren ( "Bild 3.6.2-1") der Datenermittlung (engl. instrument error) erkennen. Dazu werden vom Computerprogramm logische Betrachtungen genutzt (Plausibilität). Ein Beispiel sind bessere Werte eines Verdichters (Wirkungsgrad, Luftdurchsatz) als Auslegung bzw. Neuzustand.
Die Gasstromanalyse eines Zweiwellentriebwerks erfordert folgende typische Messwerte bzw. Parameter (Skizze rechts):
- Verdichter
- Eintrittstemperatur
- Eintrittsdruck
- Austrittsdruck
- Austrittstemperatur
- Gaserzeuger (engl. Gas Generator =GG):
- Austrittstemperatur (EGT/TGT)
- Austrittsdruck
- Drehzahl
- Leistungsturbine (LT, Power Turbine = PT)
- Austrittstemperatur
- Austrittsdruck
- Drehzahl
- Kraftstoff
- Durchfluss
- Unterer Heizwert (Lower Caloric Value of the Fuel = LCV).
Mit diesen Daten lässt sich das Betriebsverhalten der Maschine kontinuierlich überwachen ( "Bild 5.1-2") und daraus lassen sich wichtige Schlüsse ziehen ( "Bild 5.1-6" und "Bild 5.1-7").
"Bild 5.1-6" (Lit. 5.1-7): Dieses Diagramm zeigt den Trend einer Verdichterverschmutzung (engl. fouling) über mehrere Wochen als den Wirkungsgradabfall (engl. deterioration) gegenüber einem sauberen Zustand. Damit lässt sich der optimale Zeitpunkt für ein Waschen des Verdichters festlegen ( "Bild 4.2-1.2").
"Bild 5.1-7": (Lit. 5.1-7): Mit Hilfe der Gasstromanalyse lassen sich Verdichterkennfelder ( "Bild 3.1.1-1" und "Bild 3.1.1-2") mit der Lage des aktuellen Betriebspunkts erstellen. Bewertet wird dessen Abweichung von der Auslegung, die so selbst innerhalb eines Prozents erkennbar sind. Daraus lässt sich auf den Zustand des Verdichters und eventuelle Maßnahmen schließen:
- Wartung wie Waschen des Verdichters ( "Bild 4.2-1.1" und 4.2-1.2),
- Überholung, z. B. zum Zweck der Spaltminimierung ( "Bild 3.1.2.4-1") oder wegen abgeaufener Heißteillebensdauer ( "Bild 2.2-5" und "Bild 2.3-3") .
- Logistik z.B. Teilebeschaffung/-bereitstell- ung.