Trotz einer kontinuierlichen Maschinenüberwachung (Kapitel 5.1.1) ist es auch heute noch unerlässlich, dass erfahrenes Personal während des Betriebs auf besondere, vom Normalbetrieb abweichende Erscheinungen wie Geräusche, Vibrationen, Gerüche, Rauchentstehung und austretende Medien achtet ( "Bild 4.1-10") und diese bewerten kann. So erhält man wichtige Hinweise auf den Zustand der Maschine. Eine alte Methode ist das Abhören von Maschinengeräuschen. Beim Start, Hoch- und Auslaufen der Maschine ist ein Stethoskop geeignet. Erfahrenem Personal kann ein Schraubenzieher bereits gute Dienste leisten ( "Bild 4.1-11"). Auch die berühmte, auf der Hochkante stehende Münze an einer von der Erfahrung her geeigneten Stelle, kann einen Hinweis auf merkliche Abweichungen im Schwingverhalten bzw. Heftigkeit von Vibrationen der Maschine geben.
"Bild 4.1-1": Nach F. Wotschofsky wird in der älteren Literatur (Lit 4.1-1) die dargestellte Vorgehensweise empfohlen. Sie sieht Intervalle zwischen Inspektionen und Revisionen vor. Diese richten sich nach Betriebsstunden und/ oder Start-Abstellzyklen. Mit den Möglichkeiten der kontinuierlichen Maschinenüberwachung, dem Monitoring (Kapitel 5.1.1), bietet sich heute das „On Condition“-Prinzip an ( "Bild 4.1-0").
Wartung: Wartungsarbeiten mit Betriebsdokumentation und Prüfarbeiten sollten die Verfügbarkeit der Maschine nicht beeinträchtigen. Sie können vom zuständigen Personal an der laufenden oder in Bereitschaft stehenden Maschine und deren Peripherie vorgenommen werden. Wartungsarbeiten sind nach schriftlich festgelegten Plänen, wie einem Schmierstellenplan mit bauteilspezifischen Angaben zum Schmiermittel, durchzuführen. Druckmessungen im Verdichter nach OEM-Angaben, lassen erkennen, ob ein Reinigungs- bzw. Waschvorgang vorzunehmen ist ( "Bild 4.2-1.1" und "Bild 4.2-1.2").
Inspektion: In diesem Rahmen werden ohne den Abbau von Bauteilen Sichtkontrollen, Boroskopinspektionen und Messungen zum Rückschluß auf den Maschinenzustand vorgenommen. Die Befunde sind zu dokumentieren.
Revision: Die Revision bedarf einer Demontage der Maschine, die alle Prüfungen und Kontrollen ermöglicht. Gegebenenfalls sind Maßnahmen einzuleiten, um bis zur nächsten Revision einen sicheren Betrieb zu gewährleisten. Besonderes Augenmerk ist auf bauteiltypische Schädigungsanzeichen wie Oxidation, Deformationen, Rissbildung und Verschleiß zu richten.
Im Zweifelsfall gelten natürlich auch bei Revisionsarbeiten und der Festlegung der Revisionsintervalle die Angaben des OEM. Je nach Inspektionsbefund (z.B. Boroskop), sollten sie in Zweifelsfällen nach Absprache mit dem OEM den Notwendigkeiten angepasst werden können. Ein solches Intervall liegt bei ca. 20 000 äquivalenten Betriebsstunden („äh“) innerhalb maximal 8 Jahren. Zeiten mit hohen Belastungen wie Schnellabschaltungen, Starts (z.B. entsprechend 10 äh) und schnellen Laständerungen werden nach einem möglichst vorher bekannten Schlüssel gewichtet (Bild 2.2- 5).
"Bild 4.1-2": Die Schadensrate über der Zeit folgt bei Gasturbinen, wie für technische Geräte typisch, einer Badewannenkurve ( "Bild 4.1-9"). Dies gilt auch für die einzelnen Revisionszyklen ( "Bild 4.1-1"). Am Anfang nach der eigentlichen Revision ist mit einem, wenn auch kleinen, Anstieg der Schäden zu rechnen. Ohne Revision würde sich jedoch die Schadensrate über lange Zeit unzulässig erhöhen. Mit Revisionszyklen ist zwar auch ein Anstieg zu beobachten, doch dieser ist moderat und beruht in erster Linie auf der “normalen Ermüdung“ bzw. Schädigung der Bauteile.
Diagramm 2 zeigt, dass die Schadensrate (Lit 4.1-1) als eine Addition von drei Einzeleffekten verstanden werden kann.
Dem Langzeitversagen (“A“) der nicht von der Revision erfassten Bauteile. Den Schäden in Zusammenhang mit der Revision selbst (Spitzen in “B“) und den Verschleißschäden innerhalb eines Revisionsintervalls (“C“).
Es wird erwartet, dass die Summe dieser Schäden deutlich niedriger als ohne Revisionen ist. In diesem Zuammenhang sei nicht verschwiegen, dass auch gänzlich andere Ansätze, z.B. für Flugtriebwerke, propagiert werden (On Condition, "Bild 4.1-0"): Dafür wird Wartung und Inspektion ausgebaut und perfektioniert. So soll eine Überholung mit totaler Zerlegung weitestgehend überflüssig werden. Möglicherweise ist die umfangreiche Expertise des Wartungspersonals von Fluggeräten sowie die weitreichenden Inspektionsarbeiten der Betreiber Voraussetzung für eine solche Vorgehensweise.
Das Revisionsintervall ( "Bild 4.1-2"): Es wird üblicherweise vom OEM festgelegt und ist wichtiger Bestandteil der Auswahlüberlegungen bei der Beschaffung einer Gasturbine. Je nach Inspektionsbefund sollte das Intervall in Absprache mit den zuständigen Partnern wie OEM und Versicherung verlängert oder verkürzt werden können.
Ein Kriterium ist der Zeitpunkt ab dem eine Reparatur wichtiger und kostenintensiver Bauteile wie der Turbinenbeschaufelung noch sinnvoll ist.
Diagramm 1 (Lit. 2.3-1) zeigt diese Überlegungen. Im Bereich “I” fallen die niedrigsten Reparaturkosten an. Verschlechtert sich der Zustand entsprechend dem Schädigungsgrad so tritt die zugehörige Kurve bei “A” in eine Zone “II” mittlerer Schädigung ein. Wird zu diesem Zeitpunkt eine Reparatur durchgeführt, verlängert sich die Nutzungsdauer um die halbe Lebensdauer. Erfolgt die Reparatur erst bei Erreichen der Zone “III” in Punkt “B” ist die Schädigung bereits so groß, dass sich die Kosten einer optimalen Lebensdauerverlängerung gegenüber der Neuteilbeschaffung nicht mehr rechnen.
Die Kurve „C“ gilt für rechtzeitig, d.h. im Bereich von von „I“ bis „A“ reparierte Teile. Im Lebensdauerbereich bis zu einem nicht mehr reparierbaren Zustand liegt der Punkt „D“. Sie ist deutlich länger als des nicht reparierten Teils. Der Reparaturzeitpunkt wird auch von Einflüssen wie Kraftstoff oder besonderen Betriebsbedingungen und Umwelt (z.B. Verunreinigungen der Ansaugluft), wenn diese die lebensdauerrelevante Schädigung des Bauteils merklich beeinflussen.
Wichtig: Entscheidend ist also die Einschätzung des Schädigungsgrades. Vom OEM wird die Schädigung aufgrund seiner Interessenlage möglicherweise eher als weiter fortgeschritten angesehen als vom Betreiber. Hier kann sich eine neutrale Fachauskunft lohnen. Auch der Versicherer sollte hinzugezogen werden.
Ist der spezifische Kraftstoffverbrauch (Kapitel 5.1.1) ein Revisionskriterium, kann die Qualität des Reparaturshops bzw. der Überholung von entscheidender Bedeutung sein
In Diagramm 3 ist nach Lit 4.1-2 eine Streubreite von ca. 3,5% für diese Kenngröße erkennbar. Sie steigt über die Betriebszeit bei einem hohen Ausgangswert zusätzlich noch an. Das Revisionsintervall würde sich in diesem Fall weiter verkürzen.
"Bild 4.1-3": Die Inspektion ( "Bild 4.1-1", siehe auch Lit. 1-7) erfolgt an der nichtzerlegten Maschine als „dirty inspection“ oder „Inspection in as run condition“. Im Gegensatz dazu wird eine Überprüfung der Teile bei einer Revision ( "Bild 4.1-2") oder Überholung im zerlegten und gereinigten Zustand (Lit. 4.1-3) als “clean inspection“ bezeichnet. Im Folgenden werden typische Vorgehensweisen im Rahmen der Inspektion beispielhaft dargestellt:
Zunächst erfolgt eine äußere visuelle Kontrolle der Maschine auf Besonderheiten (Bild 4.1- 10). Fotografische Dokumentation ist dabei empfehlenswert. Sie kann bei später erkannten Problemen für die Klärung eine entscheidende Rolle spielen.
Flüssigkeiten werden abgelassen und Proben nach OEM-Angaben genommen. Ölanalysen ( "Bild 3.5-4") können z.B. Hinweise auf Verschleißprobleme oder ungewöhnliche Betriebsbedingungen wie Überhitzungen geben. Ölfilter ( "Bild 3.5-3") und Magnetstopfen ( "Bild 3.5-5") werden gezogen und gegebenenfalls die Ablagerungen untersucht.
Spiele (z.B. Schaufelverstellung und Rückmeldekabel von Steuerungen und Reglern) und Spalte sind zu kontrollieren und zu dokumentieren.
Befestigungen wie Rohrschellen und Kabelhalterungen sind, soweit zugänglich, auf den notwendigen Sitz, Lockerungen und Verschleiß zu überprüfen. Gegebenenfalls sind Verstellkräfte und Losbrechmomente zu bestimmen. Darauf wird jedes Modul selbst noch einmal einer genauen Inspektion unterzogen. Hierzu gehören Funktionsprüfungen der Komponenten und Boroskopinspektionen (Bilder 4.1-5 und 4.1-6).
"Bild 4.1-4": Es handelt sich um ein Beispiel für eine strukturierte Entscheidung (Entscheidungsbaum). Auch die Ablagerungen an den Magnetstopfen ( "Bild 3.5-5") können ähnlich wie die Filterrückstände Auskunft über den Zustand der Maschine geben und/oder den Trend möglicher Probleme aufzeigen (Bild "Bild 3.5-7" und "Bild 3.5-8"). Eine Kombination mit Ölfilteruntersuchungen ( "Bild 3.5-3") kann die Aussagesicherheit deutlich verbessern. Sie wird deshalb nicht selten vom OEM verlangt. Bei Magnetstopfensystemen ( "Bild 3.5-5"), die unzulässige Ablagerungen elektrisch anzeigen, ist zuerst das Anzeigesystem auf eine eventuelle Fehlanzeige zu überprüfen.
Je nach Befund der Filter- und der Magnetstopfenablagerungen hilft ein Entscheidungsbaum. Schwarze Felder zeigen Ergebnisse, die einen Weiterbetrieb ohne Empfehlung des OEM nicht raten lassen. Graue Felder erfordern absichernde Aktionen wie sie vom Hersteller in den Vorschriften/Handbüchern empfohlen werden. Weiße Felder können je nach Befund den uneingeschränkten Weiterbetrieb der Maschine erlauben.
"Bild 4.1-5": Boroskopinspektionen (Lit 4.1-6) gehören längst zum Stand der Technik. Sie ermöglichen die optische Kontrolle der Bauteile und eine fotografische Dokumentation des Befunds. Voraussetzung ist die geeignete Verteilung und Anordnung der Boroskopöffnungen. Nach Möglichkeit sollten der gesamte Strömungskanal (Lit 1.1-6), insbesondere alle Heißteile, einer Inspektion zugänglich sein. Dazu ist es notwendig, dass auch der Blickwinkel des Objektivs berücksichtigt wurde.
Ein Problem ist die Deutung der Befunde ( "Bild 4.1-7" und "Bild 4.1-8"). Dies gilt besonders für neue Technologien wie Wärmedämmschichten wenn noch nicht ausreichend Erfahrung vorliegt. Aber auch Heißteile mit den üblichen Diffusionsbeschichtungen können bei Risserscheinungen Rätsel aufgeben. Wenn z.B. zu entscheiden ist, ob es sich lediglich um einen Riss in der Schicht (Coating Crack) oder um einen tieferen Riss bis in das Grundmaterial handelt. So kann eine linienartige Koksablagerung in Strömungsrichtung auf einem Schaufelblatt, d.h. in bevorzugter Rissrichtung, als Riss missdeutet werden. Aufwändige Reparaturmaßnahmen werden sich in solchen Fällen später als unnötig herausstellen.
Im gefährlichen Fall dagegen kann es sich um einen von innen an der Kühlluftführung ausgehenden Riss handeln ( "Bild 3.3-14" und "Bild 3.3-15") der zur Oberfläche durchgedrungen ist ( "Bild 4.1-7"). Dann ist mit einem kurzfristigen, nicht mehr abfangbaren Versagen der Schaufel zu rechnen.
Genau so wichtig wie die geigneten Boroskopöffnungen und die Boroskopgeräte selber ist ein erfahrenes und geschultes Personal (Lit 4.1- 3). Dieses sollte wissen wo es hinsehen muss, um typische Fehler zu erkennen und zu bewerten. Die Wertung in Problemfällen wird natürlich vorzugsweise mit dem OEM geschehen. Denkbar ist, dass in Zukunft der optische Befund durch Bildübertragung dem OEM oder Fachberater zur Verfügung steht. Auf diese Weise wird eine Ferndiagnose möglich und es ist nicht in jedem Fall die Präsenz des bewertenden Spezialisten vor Ort notwendig.
"Bild 4.1-6": Boroskope gibt es in verschiedenen Ausführungen (Lit 4.1-6). Starr wie oben dargestellt oder flexibel. Wichtig für eine erfolgreiche Boroskopinspektion ist zu wissen, wo man nach was sucht. Hierzu können die Bilder 4.1-7, 4.1-8, 3.3-9 und 3.3-10 hilfreich sein. Zur Deutung des Befundes bedarf es gewöhnlich Konsultationen und spezifischer absichernder Prüfungen, wenn Handbücher und Vorschrift interpretierbar sind. Insbesondere die Einschätzung des Risikos bezüglich des zu erwartenden Schädigungsverlaufs, etwa eines Risswachstums oder eines Korrosionsangriffs, erfordert die Expertise des Herstellers.
"Bild 4.1-7": Hier sind einige typische Bilder von Hochdruckturbinenschaufeln, wie sie der Prüfer im Boroskop sieht, beispielhaft dargestellt (siehe auch Lit 4.1-4 und Lit 4.1-5).
“A”: Örtlicher Oxidationsschaden, auch in Verbindung mit Heißgaskorrosion, in einem bauteilspezifischen heißen Bereich. Ein solcher “Hot Spot“ entsteht z.B. dort, wo ein ausreichend schützender Kühlluftschleier nicht wirksam ist. Die oxidationshemmende Diffusionsschicht ist bereits aufgezehrt, der Grundwerkstoff zur Oberfläche durchgetreten.
“B”: Typischer Thermoermüdungsriss mit verzögertem Risswachstum ( "Bild 3.3-9") an einer Leitschaufel im Übergang zum äußeren Deckband.
“C”: Einschlag eines internen Fremdkörpers (engl. OOD) auf einem Laufschaufelblatt (Folgeschaden siehe „D“ in "Bild 3.3-10"). Typisch für die Turbine ist die Lage zur saugseitigen Eintrittskantenseite. Fremdkörper in der Hochdruckturbine sind z.B. Kokspartikel aus der Brennkammer (“carbon impact“) oder ausgebrochene Keramikteilchen von Thermobarrieren/Wärmedämmschichten ( "Bild 3.2.3-4").
“D”: ‘Verbrannte’ Eintrittskante („E“) im Spitzenbereich einer Turbinenlaufschaufel ohne Deckband. Ursache der Übertemperatur kann die innere Verstopfung einer Kühlluftbohrung sein. Typisch ist eine zugesetzte Entstaubungsöffnung oder eine Verengung der Kühlluftbohrung infolge einer Deformation (OOD, „C“).
“E”: Starke Oxidation (“Verbrennung”) und Thermoermüdungsrissbildung an der Eintrittskante einer Turbinenschaufel. Diese typische Erscheinung bei örtlichen Übertemperaturen wird auch als “Orangenschaleneffekt” bezeichnet.
“F”: Turbinenlaufschaufel in die Fremdmaterial, z.B. Labyrinthabrieb oder Ausrieb von Einlaufschichten des Verdichters ( "Bild 3.1.2.4-4") über die Kühlluft in die Schaufel gelangt und aus den Kühlluftschleier-Bohrungen austritt und anschmilzt.
„G“: Schwarze Linie in Strömungsrichtung kann von verkoktem Öl stammen und ist dann ungefährlich. Handelt es sich jedoch um einen von der Kühlluftstruktur im Inneren zur Blattoberfläche durchgedrungenen Riss (Bild 4.1- 5) ist mit einem kurz bevorstehenden Blattbruch zu rechnen.
"Bild 4.1-8": Das Bild zeigt Verdichterschaufeln wie sie der Prüfer im Boroskop sieht :
“A”: Radialer Schwingriss in Leit- und Laufschaufeln ohne Deckband durch hochfrequente Schwingungen höherer Ordnung (“Lyramode”). Für diese Schadensform sind besonders Schaufeln moderner Verdichter mit dünnen Profilen und großer Sehnenlänge empfindlich.
“B”:Ausbrüche an weichen Einlaufschichten im Verdichtergehäuse gegenüber den Verdichterrotorschaufeln ( "Bild 3.1.2.4-4"). Wahrscheinlich entstehen diese Schäden durch Schwingermüdung infolge hochfrequenter Gehäuseschwingungen im Zusammenhang mit der “blade passing frequency”.
“C”: Fremdkörpereinschlag (FOD) in der Eintrittskante einer Verdichterschaufel.
“D”: Schwingrisse. “D1”: Ermüdungsriss an einer beidseitig fixierten Verdichterleitschaufel. Typisch für Torsionsschwingungen im Schaufelblatt mit einer Knotenlinie parallel zu den Kanten. “D2”: Schwingriss, ausgelöst von einer Biegeschwingung des Schaufelblattes. Der Riss geht von der Kante aus.
"Bild 4.1-9": Technische Anlagen folgen in ihrem zeitlichen Schadensverhalten erfahrungsgemäß einer typischen Gesetzmäßigkeit, der sogenannten Badewannenkurve. Wider Erwarten treten bei Inbetriebnahme des Neuteils verstärkt Schäden und Fehler auf (Lit 0-4). Denkt man aber einmal an seine privaten Erfahrungen zurück, etwa mit einem Auto oder einem Computer, findet man viele Beispiele in denen man sich als externe Qualitätskontrolle des Lieferanten vorkam. Bei Gasturbinen sind Fremdkörperschäden durch vergessene Befestigungselemente, Werkzeuge und Hilfsstoffe ein Grund für diesen Effekt. Auch Montagemängel können eine Rolle spielen. Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Phänomen bei Revisionen wiederholt ( "Bild 4.1-2") wundert nicht. Im Bereich der sicheren Auslegungslebensdauer ist die Schadenshäufigkeit nahezu konstant. Hier verläuft die Kurve horizontal. Sie wird von äußeren Zufallseinflüssen sowie von Bedienung und Wartung bestimmt. Erst zum Lebensdauerende hin wird die Betriebsschädigung (z.B. Verschleiß oder Korrosion) der Bauteile so groß, dass ihre Ausfallwahrscheinlichkeit und damit die Schadenshäufigkeit merklich ansteigt.
"Bild 4.1-10": Das aufmerksame Bedienungspersonal und der Betreiber können Anzeichen für Probleme frühzeitig erkennen. Gegebenenfalls lassen sich in Zusammenarbeit mit dem OEM rechtzeitig geeignete Abhilfemaßnahmen einleiten. Dargestellt sind typische äußere Merkmale für Probleme einer Gasturbine:
Drahtummantelungen von elastischen Bälgen (Kompensatoren, A) an Druckleitungen können nach längeren Laufzeiten auf Grund der funktionsbedingten Bauteilbewegungen von der Innenseite durchgescheuert werden. Dies führt zu Drahtbrüchen und einem Aufspleißen des Balgs, bevor ein explosionsartiges vollständiges Versagen der Rohrverbindung eintritt.
Bälge auf Aufspleißungen kontrollieren!
Flanschverbindungen (B) druckführender Gehäuse wie die des hinteren Verdichters oder von Brennkammer und Turbine können Lecks aufweisen. Typisch sind versagende Verschraubungen oder Rissbildung. Heißgasaustritt lässt sich an örtlichen Verfärbungen der Gehäusewand erkennen.
Auf ungewöhnliche Verfärbungen und Deformationen der Gehäuse im Flanschbereich achten!
An Rohrleitungen im Bereich von Befestigungsschellen (C) besteht bei zu lockerem Sitz der Schellen eine erhöhte Gefahr von Scheuerstellen und Rissbildung. Zusätzlich leidet eine schwingungsdämpfende Wirkung der Schelle auf die Rohrleitung.
Auf Scheuerstellen im Bereich von Schellen achten!
Verspannung von Rohrleitungen (D) ist eine wichtige Ursache für Rissbildung. Das erhöhte Spannungsniveau (Mittelspannung) verringert die nutzbare Schwingfestigkeit.
Deshalb ist bei der Montage auf unverspannten Einbau der Rohrleitungen besonders Wert zu legen!
Scheuerstellen an Anlageflächen von Leitungen (E) sind der Anfang von Lecks und/oder Funktionsversagen (elektrische Leitungen), deshalb:
Scheuerstellen der Bauteile erkennen und vermeiden!
Austritt von Öl, Kraftstoff, Hydraulikflüssigkeit insbesondere im Bereich von Verschraubungen (F) kündigen erhöhte Brandgefahr bis zum Ausfall der gesamten Anlage an.
Auf austretende Medien achten!
An Flanschschellen (G) sind die aufgenieteten Laschen anrissempfindlich. Man kennt auch Brüche der Schließschrauben im Zusammenhang mit Korrosion oder Versprödung ( "Bild 4.2.3.1-3").
Spannschlösser an Flanschschellen beachten!
Ausbeulungen (H) an druckführenden Gehäusen. Bei Heißteilen sind örtliche Anlauffarben oder verstärkte Oxidation Anzeichen für Probleme im Inneren. Solche Veränderungen sind an Gehäusen der Brennkammer und Turbine im Schadensfall zu erwarten. Hier kommt es im Extremfall zum explosionsartigen Aufreißen.
Bei Ausbeulungen an Gehäusewandungen den Hersteller informieren!
Schweißstellen (I) und verformungsbehinderte Bereiche wie Gehäuseecken (K)sind gegenüber Thermoermüdung und Zyklen des Innendrucks besonders empfindlich. Örtlich auffällige Veränderungen, wie Verfärbungen, können in diesen Bereichen Hinweise auf ausströmendes Heißgas durch einen Riss sein.
Es kann sich um Strähnen im Zusammenhang mit örtlich veränderten Oxidationsbedingungen (I) handeln. Auch ungewöhnliche Ablagerungen (Art und Ort) sind ein Erkennungsmerkmal.
Auf Anzeichen für Rissbildung im Gehäusebereich achten!
"Bild 4.1-11" (Lit. 4.1-7): Dem Praktiker sind durchaus Hilfsmittel bekannt, die ihm bei seinen Sinnenseindrücken unterstützen. Dargestellt sind zwei typische Beispiele:
Schraubendreher (Skizze links): Anwendbar während des Drehens eines Rotors mit der Hand. Besonders geeignet ist eine Ausführung mit durchgehender Klinge. Diese kann den Körperschall einer schwingenden Wand (z.B. Rohr, Gehäuse) direkt zum angelegten Ohr leiten. Dadurch wird der interessierende Schall am Ohr zu Lasten äußerer Störgeräusche (Luftschall) stärker und deutlicher
Eine Geldmünze zur Vibrationseinschätzung ist nur in besonderen Fällen auf ebenen Flächen wie an einem Prüfstand anwendbar. Die Münze wird vorsichtig senkrecht aufgestellt und ihr Verhalten auf der vibrierenden Fläche (Umfallen, Bewegung) bewertet. Diese Beobachtung ist natürlich nur im Vergleich zu dem normalen Verhalten einschätzbar. Natürlich muss gewährleistet sein, dass die Münze nicht als Fremdkörper zurückbleibt.
4.1-1 F.Wotschofsky,“Voraussetzungen für den störungsfreien Betrieb und gute Verfügbarkeit von Gasturbosätzen“, Haus der Technik, Vortragsveröffentlichungen 463, Seite 9-15.
4.1-2 J.C.Kimball,P&W ,“Improved Gas Turbine Engine Maintenance through Management and Analysis of Engine Performance Data“,AIAA-80-1085, (1980).
4.1-3 D.A.Anderson, P.J.Henderson, E.W. Horn, W.R. Taylor, „Gas Turbine Engine Inspections - What to Look for and Why“, AIAA Paper No. 75-1309 (1975).
4.1-4 R.C.Wellmann,P&W Co.,“Boroscope Inspection Training and Certification“, SAE Paper 861706 (1986).
4.1-5 J.S.Siemietkowski, W.S.Williams, „10,000 Hours of LM2500 Gas Turbine Experience as Seen Through the Boroscope“, ASME Paper 86-GT-269, (1986).
4.1-6 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turboflugtriebwerken, Band 5“, (2008).
4.1-7 J.W.Sawyer, „Sawyer´s Turbomachinery Maintenance Handbook I“, Turbomachinery International Publications USA, (1980).