Wir kennen an unserem Auto zwei unterschiedliche Gründe für eine Wartungsmaßnahme. Der Tausch von Verschleißteilen wie Reifen, Bremsen und Kupplung erfolgt gewöhnlich erst, wenn Überwachungssonden oder die Funktion eine Notwendigkeit anzeigen. So etwas nennt man eine „On Condition“-Reparatur, d.h. je nach Zustand.
Dagegen kann bei anderen Komponenten der Hersteller unter Androhung des Garantieverlusts den Austausch fordern. Typisches Beispiel ist der vorgeschriebene Tausch von Zahnriemen zur Ventilsteuerung nach ca. 100 000 Betriebsstunden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich irgendwelche Schäden ankündigen. Eine besonders schonende Fahrweise verlängert den Zeitraum ebenfalls nicht. Diese Art der Reparatur bzw. Wartung kann man als „Life Limited“ bezeichnen.
Was heute bei einem Auto so gut wie nicht mehr vorkommt, ist eine Reparatur verschlissener Teile. Der Tausch gegen Neuteile ist hier das Übliche. Dagegen hat die Reparatur bei Gasturbinen eine großeBedeutung. Davon sind z.B. lebensdauerbegrenzte Rotorkomponenten betroffen. Andere Teile können nach einer genauen Bewertung ohne Nacharbeit wieder verwendet werden oder, falls notwendig, repariert werden. Darin unterscheidet sich die Gasturbine grundlegend vom modernen Auto.
"Bild 4.1-0" (Lit. 4.1-6): Für die Zeitabstände, nach denen eine Gasturbine zu überholen ist, haben sich zwei Konzepte durchgesetzt: Fixed Interval Maintenance ( "Bild 4.1-1") und On-Condition Maintenance. Die jeweilige „Philosophie“ ist nicht unbedingt an einen Gasturbinentyp gebunden. Dabei kann betreiberspezifisch vorgegangen werden. Beide Vorgehensweisen haben ihre Vor- und Nachteile.
Fixed Interval Maintenance ist die traditionelle Vorgehensweise der Gasturbinenüberholung. Sie berücksichtigt besonders die Auslegungslebensdauer/Garantielebensdauer der Heißteile. Soll das Überholungsintervall verlängert werden, sind Nachweise erforderlich. Der OEM gibt dazu Hilfestellung und Empfehlungen. Das vom OEM im Handbuch festgelegte Überholintervall bezieht sich üblicherweise auf Betriebsstunden und/oder Start-/ Abstellzyklen.
Bei der On-Condition Maintenance erfolgt die Überholung in Form des gezielten Tauschs einer Komponente, die ihre Lebensdauergrenze erreicht hat. Natürlich wird man versuchen, Lebensdauern bzw. Restlebensdauern der Bauteile einer Gasturbine möglichst günstig zu kombinieren. Das gilt sowohl für neue als auch gelaufene Teile. Es handelt sich dabei nicht zuletzt um eine anspruchsvolle logistische Aufgabe.
Es kommt also darauf an, den Zustand (“health“) des Bauteils mit ausreichender Sicherheit zu ermitteln. Dafür sind unterschiedliche Vorgehensweisen, die auch kombiniert werden, möglich (Kapitel 5.1.1). Sensoren überwachen und registrieren die lebensdauerbestimmenden Betriebsparameter. Aus denen wird mit vom OEM erarbeiteten Algorithmen der Lebensdauerverbrauch bzw. die Restlebensdauer ermittelt. Dieses Vorgehen wird von modernem „Trend Monitoring“ und elektronischen Reglern gestützt. Boroskopinspektionen ( "Bild 4.1-6") sind in der Lage, Bauteile mit visuell erkennbaren Schädigungskriterien im eingebauten Zustand zu bewerten. Das kann die auf Sensordaten beruhenden Abschätzungen des Trend Monitoring (Kapitel 5.1.1) absichern und/oder allein als Lebensdauerkriterium verwendet werden. Ein Beispiel sind Schäden wie Rissbildung durch Thermoermüdung oder Abzehrung der Wand von Leitschaufeln der Hochdruckturbine durch Oxidation. Um die betroffenen Teile zu wechseln, ist eine Modulbauweise (Bild 4.2-9) hilfreich. Sie begrenzt den Aufwand des Teiletauschs.
Will ein Betreiber nach On-Condition vorgehen oder auf diese umsteigen, ist eine eingehende Vorbereitung mit dem OEM erforderlich.