Verhalten und Lebensdauer der Gasturbinenkomponenten wird in besonderem Maß vom instationären Betrieb beeinflusst. Zyklische Belastungen, wie Drehzahl- und Temperaturänderungen, treten in den Vordergund.
In den Heißteilen der Turbine, aber auch im hinteren Verdichterbereich (Kompressionstemperaturen von mehreren 100 o C), treten während der Startphase hohe Temperaturgradienten zwischen Scheibenkranz und Scheibennabe auf ( "Bild 2.2-3" und "Bild 3.3-7"). So entstehen Wärmespannungen (Bild 2.2-4), die sich den fliehkraftbedingten Scheibenbelastungen überlagern. Die Wärmespannungen tragen so entscheidend zur lebensdauerbestimmenden niedrigzyklischen Belastung (engl. Low Cycle Fatigue = LCF, "Bild 3.1.2.1-0") der Rotoren bei. In Rotoren moderner Gasturbinen kann die LCF-Lebensdauer der Scheiben einzelner Stufen begrenzt sein. Je mehr Zeit eine Scheibe für eine Durchwärmung bei relativ niedrigen Umfangstemperaturen hat, desto geringer ist der Lebensdauerverbrauch. Falls LCF die lebensdauerbestimmende Größe ist, kann der Startzyklus für den Rotor weit bedeutsamer sein als die darauffolgende Langzeitbelastung. Im stationären Betrieb herrscht ein vergleichsweise kleiner Temperaturunterschied zwischen Scheibenkranz und Scheibennabe. Das führt zu relativ niedrigen Wärmespannungen in der Scheibe. Besonders lebensdauerverzehrend sind “Schnellstarts”. Je schneller sich der Schaufelkranz beim Start aufheizt, umso höher sind die Zugspannungen in der Nabe. Ein solcher Vorgang kann einem Vielfachen an normalen Lebensdauerzyklen und einem langen Zeitraum stationären Betriebs entsprechen (siehe Kapitel 2.2.4).
Beispiel 2.2-1: Beim Hochfahren einer größeren „Derivat-Gasturbine“ wurde eine merkliche Unwucht beobachtet, die zu Besorgnis Anlass gab. Plötzlich trat ein lauter Knall auf und die Gasturbine lief äußerst ruhig, d.h. ohne merkliche Unwucht. Die Erklärung des Betreibers war, dass offenbar eine Rotorverkrümmung im Stillstand vorlag ( "Bild 2.2-1"). Diese hatte zu einem Versatz von Flanschen und/oder Zentrierbunden geführt. Beim Hochfahren wurde die Verspannung durch die unwuchtbedingten Vibrationen gelöst. Die Rotorkomponenten „schnappten“ wieder in ihre richtige Lage zurück.
Dieses Beispiel sollte jedoch nicht dazu animieren, das schädigende Potenzial von Unwuchten in der Startphase zu unterschätzen. Hier ist genau darauf zu achten, was der Hersteller an Unwuchten bzw. Beschleunigungen beim Startvorgang und Hochfahren zulässt. Besser ist, vorbeugend die vom OEM vorgeschriebenen Regeln für das Abstellen und einen Wiederstart zu beachten (siehe "Bild 2.2-1"). Die Situation ist dann besonders problematisch, wenn der Rotorbow auf Grund eines verklemmten Versatzes nicht mehr zurück geht und mit einer dynamischen Überlastung zu rechnen ist..