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3.5.2.1 Wälzlager

Hauptlagerschäden sind erfahrungsgemäß selten. Wenn sie auftreten ist das mit dem Risiko umfangreicher Folgeschäden verbunden. Für die Analyse und Bewertung von Wälzlagerschäden gibt es Normen wie die DIN 5426-1 und ISO 10816-4. Bei Ermüdungsschäden ( "Bild 3.5-10") hat man die Chance einer frühzeitigen Erkennung im Rahmen der bereits erwähnten Kontrollen (Kapitel 3.5.1). Die Ursachen sind unterschiedlich: Ungünstige Betriebsbedingungen (Ölmangel, Ölalterung), Montageprobleme, Verunreinigungen, Überlastungen durch Ausfall anderer Komponenten usw.

Ungünstige Betriebsbedingungen bedeuten

Treten unbemerkt große Unwuchten z.B. nach Schaufelbruch auf, die von den Schwingungssensoren nicht als unzulässig registriert werden, und zerstörungsfrei nicht erkennbar sind, können diese Lager trotzdem bleibend geschädigt sein. Sie sind im Zweifelsfall bei der Reparatur auszutauschen. Andernfalls sind umfangreiche Folgeschäden zu einem späteren Zeitpunkt vorprogrammiert.

Montageprobleme bei Wälzlagern

Montageprobleme, gerade bei Maschinen mit Modulbauweise, können zu mechanischen Lagerbeschädigungen führen ( "Bild 4.2-5"). Auch die Gefahr des Einbringens von Fremdkörpern und Verunreinigungen ist in dieser Phase besonders groß.

Bei Schweißarbeiten im Zuge einer Montage, Reparatur oder Überholung vor Ort ist darauf zu achten, dass kein Stromdurchgang durch Maschine und Lagerung erfolgt. Andernfalls ist mit typischen örtlichen Anschmelzungen auf Lagerlaufbahnen und Wälzkörpern zu rechnen. Diese lösen Ermüdungsschäden aus. Das gilt auch für parasitäre Ströme anderer Quellen, die über Gehäuse und Rotor geleitet werden.

Transportprobleme bei Wälzlagern

Bei nicht ausreichend fixierten Rotoren können Vibrationen beim Transport ( "Bild 3.5-13") zum sogenannten “Brinelling“ führen (Beispiel 3.5-1). Dies ist eine Schädigung der Laufbahnen infolge Vibrationsverschleiß und/oder plastischer Verformung durch Hämmern der Wälzkörper. Gefährliche Vibrationen entstehen beim Transport mit einem LKW auf schlechten Straßen und beim Bahntransport mit Rangierstößen. Besonders alte Gleisanlagen mit unverschweißten Schienen und Spalten können in kurzer Zeit Lager zerstören. Die Erfahrung zeigt, dass nach solchen Schädigungen schnell katastrophale Lager- und Maschinenschäden auftreten. Besonders gefährdet sind hochtourige Maschinen kleiner Leistung. Hier ist bereits beim Hochfahren der Maschine in Sekunden mit schweren Schäden zu rechnen. Geeignet gefederte und gedämpfte Transportaufbauten bzw. Behälter und/oder für den Transport verspannte Rotoren haben sich als geeignete Abhilfe bewährt.

Es besteht auch die Möglichkeit, unzulässig große Beschleunigungen (Stöße) auf dem Transport der Maschine später nachzuweisen. Dafür werden geeignete Sensoren an einer aussagekräftigen Stelle des Transportcontainers oder der Maschine befestigt. Ein solcher (Stoß-)Sensor spricht auf die einmalige Überschreitung eines einstellbaren Schwellenwerts an und zeigt dies bleibend. Typisch sind z.B. Vorrichtungen mit geklemmter Kugel, die von einem Stoß richtungsunabhängig aus ihrer Lage gebracht wird.

Korrosion an Wälzlagern

Korrosion tritt an Wälzlagern erfahrungsgemäß nur während langer Stillstandzeiten auf. Solche Bedingungen entstehen, wenn eine Maschine in nicht ausreichend konserviertem Zustand längere Zeit gelagert wird, oder während Stillstandzeiten von Monaten. Es ist auch daran zu denken, dass ungenügend konservierte Module und Komponenten (z.B. Getriebe), die als Ersatzteile auf Lager liegen, Korrosionsschäden erleiden können. Die Korrosion steht gewöhnlich im Zusammenhang mit Schwitzwasserbildung und verunreinigter Luft. Korrosive Bestandteile aus Industrieoder Meeresatmosphäre werden vom Kondenswasser aufgenommen. Es ist daran zu denken, dass die Umgebungsatmosphäre standortabhängig sehr unterschiedlich aggressiv sein kann. Aus diesem Grund ist während der Stillstandzeiten Luftaustausch und Schwitzwasserbildung zu vermeiden. Deshalb sind Temperaturänderungen und Luftzutritt möglichst gering zu halten. Ein Aufheizen (z.B. tagsüber) führt mit der Ausdehnung der Luft zu einem „Ausatmen“ der Maschine. Beim Abkühlen (z.B. nachts) „atmet die Maschine wieder ein“. Dies ermöglicht einen merklichen Luftaustausch, mit dem aggressive Verunreinigungen zu den Lagern transportiert werden.

Legt man Maschinen oder deren Komponenten über längere Zeit still, sind sie auf geeignete Weise (nach Herstellerempfehlungen) zu konservieren und/oder „einzumotten“. Zunächst ist festzustellen, ob der OEM einen“Konservierungslauf“ oder die Behandlung von Baugruppen mit Konservierungsöl verlangt. Dieses Öl läuft nicht so leicht von benetzten Flächen wie das ‘Betriebsöl’ und schützt über längere Stillstandszeiten.

Zusätzlich sollten Maßnahmen zur Vermeidung von Schwitzwasser ergriffen werden. Hierzu gehört eine möglichst konstante Umgebungstemperatur. Die Lagerung kann in geschlossenen Behältern oder unter ausreichend dichten Abdeckungen erfolgen. Diese lassen sich mit trockenem, inerten Gas (z.B. Stickstoff) fluten. Hygroskopische Medien wie „Sikagel“ können Restfeuchtigkeit binden. Bei besonderer Korrosionsgefahr (große Temperaturschwankungen, Meeresatmosphäre, Staub) lässt sich die Maschine kontinuierlich mit Trockenluft spülen.

Wegen der erhöhten Korrosionsgefahr nach langen Stillstandzeiten ist bei Betriebnahme eine Ölanalyse ( "Bild 3.5-4") vorzunehmen. Metallische, nicht fest anhaftende Korrosionsprodukte der Lagerkomponenten sind als erhöhter Eisengehalt nachweisbar. Dieser sollte sich bei den späteren Ölanalysen normalisieren. Für Korrosionsschäden durch Schwitzwassereinwirkung im Stillstand sind linienförmige (Rollenlager) oder kreisförmige (Kugellager) Korrosionsnarben um die Kontaktflächen der Wälzkörper typisch. Die Narben haben eine charakteristische Verteilung am Umfang in den unteren gewichtsbelasteten Zonen. Käfige aus edleren Werkstoffen wie Bronze und Kupfer, gegebenenfalls mit einer Silberauflage, können über eine Elementbildung korrosiv wirken. Korrosionsschäden an Anbauaggregaten wie Getrieben wurden nach langen Lagerzeiten (z.B. im Reparaturshop) und ungenügendem Korrosionsschutz beobachtet. Erfahrungsgemäß sind katastrophale Lagerschäden mit Korrosion als Ursache äußerst selten. Es kann davon ausgegangen werden, dass ein Ermüdungsschaden, der sich von einer Korrosionsnarbe entwickelt, zumindest an größeren Maschinen bei Routinekontrollen (Bild "Bild 3.5-7") rechtzeitig bemerkt wird.

Eine besondere, aber auch relativ häufige Form der Korrosion entsteht durch Handschweiß. Typisch für diese Korrosionsform sind fingerabdruckähnliche Erscheinungen. Diese bestehen im Mikrobereich aus einzelnen kleinen Kratern, entsprechend den einwirkenden Tröpfchen. Bei der Handhabung von Wälzlagern sollten also immer geeignete Baumwollhandschuhe getragen werden. Sie sind vor entsprechenden Montagearbeiten bereitzustellen.

Bild 3.5-9

"Bild 3.5-9" (Lit. 3.5-6): Laufspuren an Wälzflächen auf Ringen und Wälzkörpern der Lager sind zwar keine Schäden, können aber wichtige Informationen zu Höhe und Richtung der Belastungen geben. Sie sind im Gegensatz zu Bereichen mit Ermüdungsausbrüchen ( "Bild 3.5-11") kein Merkmal einer Werkstoffschädigung. Form, Verlauf und Verteilung auf den Wälzflächen, die von der auslegungsgemäßen gleichmäßigen Anordnung abweichen, sind jedoch ein Indiz für eine schädigende Lastverteilung.

Diese wird bestimmt von Kraftrichtung Kraftänderungen (z.B. Unwuchten), Maßabweichungen wie Fluchtfehler und Schiefstand im Zusammenhang mit dem Sitz der Laufringe. Verformungen wie Verzug von Gehäusen oder Wellendurchbiegung.

Typisches makroskopisches Merkmal einer Laufspur ist eine glänzende/spiegelnde Oberfläche. Bei mikroskopischer Betrachtung ist eine plastische Einebnung von Bearbeitungsriefen normal. Auch oberflächliche Einlaufpittings zeigen gegebenenfalls die Laufspur an und müssen noch kein Grund zur Besorgnis sein. Übersteigen diese jedoch ein erfahrungsgemäßes, lagerspezifisch tolerierbares Ausmaß, können sie als frühzeitiges Anzeichen für eine zu kurze Auslegungslebensdauer gelten. In diesem Fall kann eine zerstörungsfreie (Eigenspannungen) und/oder eine zerstörende Untersuchung auf Ermüdungsanzeichen für eine Risikoabschätzung notwendig werden.

Bemerkenswert sind auch Anzeichen für Laufflächenbeschädigungen. Dazu gehören Eindrücke von Partikeln oder erste Anzeichen für einen Schlupf der Wälzkörper (engl. Skidding).

Bild 3.5-10

"Bild 3.5-10" (Lit. 3.5-11): Als „normaler“ lebensdauerbegrenzender Schaden an Wälzlagern können Ausbrüche (Ermüdungspits, engl. fatigue pittings, Detail links) auf den Wälzflächen/Laufbahnen gelten (Skizze oben). Sie sind die Folge einer Schwingermüdung durch die Überrollungen. Ihre Ausbreitung weist in Laufrichtung der Wälzkörper. Der Anriss liegt gewöhnlich in der höchstbeanspruchten Zone unter der Wälzfläche (Skizze rechts). Bei dynamischer Überlast(z.B. Unwuchten) dienen die werkstofftypischen Schwachstellen als Rissstarter. Unter normalen/ auslegungsgemäßen Betriebsbeanspruchungen liegt der vorzeitige Ermüdungsrissausgang an Beschädigungen der Wälzflächen. Es handelt sich um Korrosionsnarben, Fremdkörper bzw. deren Eindrücke oder andere Schädigungen wie Schmelzkrater (Stromdurchgang) und Brinnelling ( "Bild 3.5-13").

Laufflächenermüdung ist also eher eine Folge, nicht aber Ursache. Lager mit Korrosionskerben müssen entsprechend den Angaben des OEM (Überholhandbuch) bei der Überholung ausgesondert werden. Korrosion ist damit die häufigste Ursache für die Aussonderung von Lagern.

Legt man einen metallografischen Schliff senkrecht zur Lauffläche in Umfangsrichtung (Skizze unten rechts), kann man im Anrissbeginn symmetrisch zur Schwachstelle schwer anätzbare Zonen (White Etching Areas = WEAs) finden. Wegen ihrer Geometrie werden sie auch als Schmetterlinge (engl. Butterflies) bezeichnet, obwohl dies nicht die einzige Erscheinungsform ist. Sie stehen offenbar im Zusammenhang mit einer Gefügeveränderung als Folge extremer Aufheizung (bis zur Erweichung) im Mikrobereich unter der dynamischen Belastung. WEAs dürfen als Zeichen gefährlich hoher dynamischer Belastung gelten. Ihre Härte liegt über der des Grundmaterials. Das lässt sich mit schneller Abkühlung von hohen Temperaturen erklären (Neuhärtung). Die Häufigkeit der WEA ist last- und zeitabhängig. Es handelt sich um eine irreversible Werkstoffänderung/Schädigung.

Sind erst einmal Ausbrüche vorhanden, beschleunigt sich der Schaden. Die Kerben und ausgeplatzte Laufbahnpartikel begünstigen als Fremdkörper weitere Anrisse. Trotzdem ist in den meisten Fällen der Schadensfortschritt relativ langsam. So lässt sich mit Sensoren im Ölkreislauf (Magnetstopfen, Magnetsonden, "Bild 3.5-5") ausreichend früh ein drohendes katastrophales Versagen erkennen. Lediglich bei Wälzlagern sehr hochtouriger kleiner Triebwerke (z.B. Derivate von Hubschrauberantrieben) zeigt die Erfahrung, dass sich Schäden zu schnell ausbilden können um sie abzufangen.

Bild 3.5-11 Bild 3.5-11extra

"Bild 3.5-11" (Lit. 3.5-6): In dieser Zusammenstellung sind typische makroskopische Erscheinungsformen und Merkmale von Wälzlagerschäden den Ursachen zugeordnet. Damit sollen dem Praktiker Fachbegriffe näher gebracht werden, um Angaben in Spezifikationen und Handbüchern besser zu verstehen und einzuordnen. Darüber hinaus soll eine Hilfestellung bei Schadensuntersuchungen gegeben werden.

Bild 3.5-12

"Bild 3.5-12" (Lit. 3.5-6): Tritt trotz aller Sorgfalt ein Lagerschaden auf, ist die Voraussetzung für gezielte ausreichend sichere Abhilfen, dass die Schadensursachen ermittelt werden. Über Lagerschäden gibt es wohl die umfangreichste systematische Fachliteratur eines Maschinenelements. Dies suggeriert die Einschätzung, man bräuchte nur, ähnlich wie bei der Pilzbestimmung, ein solches Buch zu Rate ziehen. Die Erfahrung zeigt jedoch eher das Gegenteil. Gewöhnlich sind Lagerschäden in Gasturbinen zum Zeitpunkt in dem sie bemerkt werden so weit fortgeschritten, dass sichere Rückschlüsse auf die Schadensursache kaum mehr möglich sind. Umso wichtiger ist es, alle aussagefähigen Merkmale an der Maschine und dokumentierten Betriebsdaten zu nutzen und zu werten. In diesem Bild werden solche Merkmale angeführt. So ist es z.B. durchaus nicht selbstverständlich, dass bei einer Demontage alle relevanten Schadensbereiche fotografisch dokumentiert, Ölproben entnommen und gesichert oder die Filter ohne Beeinflussung einer Untersuchung zugänglich gemacht werden.

Zu den Aufzeichnungen gehören Schwingamplituden und Frequenzen.

Bild 3.5-13

"Bild 3.5-13" (Lit. 3.5-6) Vibrationen können während des Transports bei nicht geeignet abgestützten Maschinen oder unverspannten Rotoren zu echtem Brinelling (Beispiel 3.5-1) führen. Solche Schädigungen lösen erfahrungsgemäß, besonders bei kleinen hochtourigen Triebwerken, bereits beim Hochfahren in Sekunden katastrophale Schäden aus.

 Beispiel 3.5-1

Beispiel 3.5-1: Mehrere Gasturbinen kleiner Leistung mussten mit der Bahn und dem LKW zu einem abgelegenen Betriebsort befördert werden. In mehreren Fällen, wenige Stunden nach der Inbetriebnahme, kam es zur totalen Zerstörung der Maschinen. Eine Schadensuntersuchung ließ auf primäre Lagerschäden schließen. Die Recherche vor Ort ergab, dass die Maschinen ca. 20 km auf schlechten Straßen zum Aufstellungsort transportiert wurden. Die Untersuchung noch nicht betriebener Maschinen vor Ort bestätigte eine Schädigung der Lagerlaufbahnen durch (echtes) Brinelling. Die Maschinen erhielten nun zum Transport im Rahmen des Austausch und/oder für eine Überholung, eine provisorische radiale Verspannung (‘Verkeilung’) des Rotors. Diese ließ sich auf einfache Weise in Form einer Verkeilung durch Holzstreben realisieren. Darauf trat kein Schaden mehr auf. So wurde die Richtigkeit von Analyse und Maßnahme eindrucksvoll bestätigt.

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