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3.4.2 Probleme der Niederdruckturbine, Ursachen und Abhilfen

Probleme infolge mechanischer und thermischer Belastungen

Die Niederdruckturbine kann trotz ihres niedrigen Belastungsniveaus nennenswerte mechanische Beanspruchungen durch Thermoermüdung und Schwingungen erfahren. Erfolgt Rissbildung, ist sogar mit Bauteilbruch bis zum Bruch aller Schaufeln einer Stufe (engl. haircut) zu rechnen.

Die vergleichsweise langen und schlanken Rotorschaufeln der Niederdruckturbine benötigen im Allgemeinen Deckbänder ( "Bild 3.4-1"). Gegeneinander verspannt, dienen sie der Versteifung und Dämpfung (Reibung der Anlageflächen). So lassen sich Schwingungen vermeiden. An den Anlageflächen der Deckbänder treten typische Verschleißprobleme, Rissbildung und Verformungen auf ( "Bild 3.4-1"). Hierzu gehört das Aufdrehen der Blätter. Damit wird der Abstützungseffekt abgebaut und es entsteht die Gefahr eines Übereinanderschiebens der Deckbänder (engl. „shingling“ oder „overriding“, "Bild 3.4-1").

Werkstoffe wie hochlegierte Stähle (CrNi-Typ) und aushärtbare Eisenbasislegierungen (z.B. A-286), aber auch Ni-Legierungen mit begrenzter thermischer Stabilität, können über die typisch lange Betriebszeit Gefügeveränderungen erfahren. Damit verschlechtert sich die ursprüngliche statische und dynamische Festigkeit und Zähigkeit. Solche Veränderungen sind z.B. die Bildung spröder Phasen (z.B. Sigma-Phase). Das kann bei FOD einen Haircut begünstigen. Das kann sich auch auf eine Reparatur an derart veränderten Werkstoffen auswirken. Höhere Temperaturen der Beschaufelungen (im vorderen Turbinenbereich) führen zur Vergröberung (engl. coarsening) oder Ausrichtung der Aushärtungsphase unter Einfluss der Belastungsrichtung (engl. Raftening).

Spezifische Schadensformen der Niederdruckturbine sind “Sulfidation“ oder Schäden im Zusammenhang mit Nasskorrosion im Stillstand. Dabei kann Silber eine bedeutende Rolle spielen ( "Bild 3.4-4").

Heißgaskorrosion und Sulfidation

Zu den spezifischen Schadensformen der ND-Turbinen zählt die Heißgaskorrosion (engl. hot gas corrosion = HGK). Im Temperaturbereich bis ca. 950°C der Niederdruckturbine, überwiegt die Korrosion. Oberhalb dieser Temperatur dominiert die Oxidation ( "Bild 3.4-2"). Wenn sich auf der betroffenen Oberfläche aggressive Ablagerungen als Salzschmelzen ansammeln, kommt es zu einer schnell fortschreitenden Schädigung des Grundwerkstoffs, der sogenannten Sulfidation ( "Bild 3.4-2"). Ganze Schaufelquerschnitte können auf diese Weise durchgehend betroffen sein (Bild 3.4- 3). Besonders gefährdet sind erfahrungsgemäß schlecht belüftete Hohlprofile. Dieses Konstruktionsprinzip wird zur Gewichtsreduzierung bei aerodynamisch und schwingungstechnisch besonders günstigen dicken Blattprofilen angewandt. An solchen Hohlschaufeln können regelrechte “Fenster“ im Blattprofil entstehen. Gefährdet sind zusätzlich Flächen, auf denen sich bevorzugt Stäube absetzen, z.B. Stirnseiten von Leitschaufeldeckbändern ( "Bild 3.3-1").

Man unterscheidet zwei Schadensformen ( "Bild 3.4-2") der Sulfidation. Den Typ I oberhalb 800°C und den Typ II von ca. 500 °C bis 800°C. Diese Temperaturbereiche sind von der Zusammensetzung der typischen aggressiven Ablagerungen vorgegeben. Hauptschadensmechanismus ist die Zerstörung der schützenden Oxid-Deckschicht. Damit erhalten die schädigenden Salzschmelzen Zutritt zum Grundwerkstoff. Ihre Bestandteile sind Natrium, Vanadium, Magnesium, Kalium und Schwefel. Verbrennt der Betreiber in seiner Maschine vergleichsweise sauberes Gas, sind gefährliche Ablagerungen in erster Linie auf Verunreinigungen der Ansaugluft zurückzuführen, der gefährliche Schwefel fehlt. Weil Natrium und Schwefel eine besondere Bedeutung haben, sind Maschinen in Meeresatmosphäre und/oder bei schwefelhaltiger Staubbelastung (z.B. gipshaltige Stäube) besonders gefährdet.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass Silber, z.B. bei versilberten Verschraubungen, den Sulfidationsvorgang stark beschleunigen kann (Lit. 3.4-3 und Lit. 3.4-4). Es wirkt wahrscheinlich ähnlich einem Katalysator. Silberablagerungen können offenbar im Stillstand der Gasturbine entstehen. Aggressives Schwitzwasser führt zu wässriger Korrosion und Auflösung von Silberschichten, wie sie sich auf Heißteilverschraubungen finden ( "Bild 3.4-4"). Diese wässrigen Lösungen werden beim Start und Hochfahren der Maschine zu anderen Bauteilzonen wie Flanschansätzen der Turbinenscheiben transportiert. Beim Eindampfen scheidet sich wieder korrosionsauslösendes Silber ab und führt zu typischen, grübchenförmigen Sulfidationsschäden.
Gerät Silber auf die beschriebene Art in die Auflagen der Tannenbaumverzahnung der Schaufeln, können diese im Extremfall wie „eingelötet“ erscheinen. Sie sind in diesem Fall ohne Beschädigung nicht mehr demontierbar. Damit sind Schaufeln und Scheibe unreparierbar geschädigt. Das Beispiel 3.4-1 beschreibt ein ähnliches Phänomen bei dem Staubablagerungen zum „Verbacken“ der Schaufeln mit der Scheibe führten. Dieser Schadensmechanismus ist erfahrungsgemäß entscheidend von den besonderen Umgebungsbedingungen abhängig. Bisher wurden ausgeprägte Schäden mit Silbereinfluss nur an Gasturbinen in aggressiver Atmosphäre ( "Bild 3.1.2.2-1") bekannt. Die Nähe chemischer Fabriken und galvanischer Betriebe stellt eine potenziell gefährliche Umgebung dar. Auch hier sei wieder darauf hingewiesen, dass bewusst eingebrachte Verunreinigungen der Ansaugluft (Schadstoffverbrennung) genauestens auf mögliche Auswirkungen zu prüfen sind.

Für den jeweiligen Anwendungsfall ist die Auswahl geeigneter Schichtsysteme von großer Bedeutung. Anzustreben sind dichte, gut haftende und nur langsam wachsende chemisch und mechanisch, d.h. auch gegen Erosion und Thermoermüdung stabile Oxiddeckschichten. Die am häufigsten angewandten Schichtsysteme beruhen auf Al2 O3 - oder Cr2 O3 -Bildung. Solche Schichten werden durch Diffusion ( "Bild 3.3-7") in besonderen Medien (Pulver, Gas) oder als Auflageschichten vom Typ MCrAlY durch thermisches Spritzen hergestellt. Die Schichtdicken liegen üblicherweise zwischen 0,05 und 0,1 mm. Je dicker, umso stärker kann die Grundwerkstofffestigkeit beeinträchtigt werden. Hier sind Kompromisse notwendig. Als Schutz gegen Heißgaskorrosion (Sulfidation) werden Cr2 O3 -Deckschichten genannt. Aber auch von diesen ist erfahrungsgemäß kein vollkommener Schutz zu erwarten, lediglich die Lebensdauer wird verlängert. Der am häufigsten verwendete Schichttyp sind Alitierschichten (Diffusion von Al). Sie dienen in erster Linie als Oxidationsschutz. Ihre Wirkung gegen Sulfidation ist begrenzt. Schichten mit einer Pt-Zwischenschicht zum Grundmaterial werden als PtAl-Schichten bezeichnet. Pt soll den Effekt einer Diffusionssperre haben. Zusätzlich verbessert es den Schutz gegen Heißgaskorrosion vom Typ I weil es sich im Betrieb auch in der äußeren Schichtzone anreichert.

Es ist zu berücksichtigen, dass Diffusionsschichten bei niedrigen Temperaturen relativ spröd sind. Das begünstigt die Rissbildung (engl. coating cracks) bei Wärmedehnungen während des Starts und dem Abstellen. In dieser Beziehung verhalten sich Plasmaspritzschichten vom Typ MCrAlY (M steht für ein “Metall“ wie Fe, Co, Ni) günstiger. Der Grund ist ihr Übergang vom spröden zum duktilen Verhalten bei, im Vergleich zu Diffusionsschichten, niedriger Temperatur.

Oxidation und Heißgaskorrosion von Honigwabendichtungen

Honigwabendichtungen (“Honeycomb“- Dichtungen; "Bild 3.4-5") werden häufig im Bereich erhöhter Temperaturen als Anstreifschichten genutzt. Typische Anwendungen sind im Gehäuse gegenüber den Rotorschaufelspitzen sowie auf den inneren Leitschaufeldeckbändern gegenüber den Zwischenstufenlabyrinthen des Rotors. Sie bestehen aus einer dünnen, wabenartigen Blechstruktur und dienen zum Einlauf der Labyrinthspitzen oder der Schaufelspitzen, um den Spalt zumindest in einem bestimmten Betriebszustand zu minimieren. Die nur wenige Zehntel Millimeter dicken Blechstege sind über lange Zeit Heißgasen ausgesetzt. Sie können durchoxidieren ( "Bild 3.4-6"), werden spröd und verlieren ihre Festigkeit. Als Folge brechen sie großflächig aus. Das führt zu entsprechender Spaltvergrößerung und Leckage. Sind derartige Schäden zu befürchten, erfordert dies geeignete Materialien und/oder Beschichtungen für die Honeycombstruktur. Eine gewisse Verbesserung in der Größenordnung von 30 % der Gesamtlebensdauer ist bereits von einer Voroxidation der Neuteile zu erwarten. Ob diese ausreicht, muss für den jeweiligen Anwendungsfall abgeschätzt werden. Reicht das nicht aus, ist eine Alitierung der Honigwaben mit bis zu einer Verdoppelung der Lebensdauer ein geeignetes Mittel.

Verschleiß und Schädigung von Labyrinthspitzen

Gerade die Niederdruckturbine hat eine große Zahl von Labyrinthdichtungen. Die Spitzen dieser Dichtungen werden auch beim normalen Anlauf verändert. Es erfolgt zumindest ein Abrieb der Spitzen (Lit. 3.4-5). Nicht selten wird der Werkstoff beim Anlaufvorgang örtlich überhitzt. Panzerungen können ausbrechen und Rissbildung auftreten. Solche Dichtungen werden bei der Überholung durch Aufschweißen, Nacharbeit und eventuelle Neubeschichtung (Panzerung) repariert. Die Rissbildung ( "Bild 3.1.2.4-7.1") in Labyrinthspitzen ist ernst zu nehmen und mit geeigneten Maßnahmen zu vermeiden. Dies kann durch die Wahl geeigneter Spitzenwerkstoffe und Panzerungen geschehen.

Nasskorrosion in Niederdruckturbinen

Gerade Niederdruckturbinen unterliegen im Stillstand durch Schwitzwasserbildung einer besonderen Korrosionsbeanspruchung. Im anschließenden Betrieb kann dann verstärkt HGK auftreten.
Schwitzwasserkorrosion während des Stillstands gefährdet die martensitischen Stähle von Scheiben älterer Maschinentypen. Das gilt besonders für Tannenbaumverzahnungen. Auch Korrosionsnarben in anderen hochbeanspruchten Scheibenzonen wie der Nabe und im Bereich von Schraubenbohrungen können LCF- und HCF-Anrisse auslösen. Deshalb müssen gerade die üblicherweise schlecht zugänglichen Bohrungen bei der Überholung sehr sorgfältig geprüft werden.

Bekannt sind besonders auf Umweltverschmutzung zurückzuführende standortbezogene Schäden. Hier sind Nickellegierungen im Zusammenhang mit Silberbeschichtungen zu nennen. Sulfidation um und an versilberten Schrauben und Muttern sind ein typisches Beispiel (siehe auch den Abschnitt Heißgaskorrosion).

 Beispiel 3.4-1

Beispiel 3.4-1: Eine Gasturbine wurde mehrere Jahre in extrem staubiger Atmosphäre betrieben. Dabei bildeten sich außen und innen Staubablagerungen mit hohen Anteilen von Schwefel, Arsen, Phosphor und Kalzium. Als die Rotorschaufeln der Leistungsturbine im Zuge einer Überholung ausgebaut werden sollten, zeigten sich diese fest mit der Scheibe „verbacken“. Sie ließen sich nicht mehr zerstörungsfrei demontieren . Eine Untersuchung ergab, dass Staub zwischen die Auflageflächen der Tannenbaumfüße gelangte und dort Sulfidation auslöste. Die Reaktionsprodukte verhinderten die Demontage der Schaufeln. Die Ermüdungsfestigkeit am hochbeanspruchten Schaufelfuß fällt durch den Sulfidationsangriff deutlich ab, selbst wenn ein Ausbau gelingt. Zusätzlich wird die übliche Reibungsdämpfung an den Schaufelfüßen vermindert. Dies begünstigt eine Schwingungserregung der Schaufeln und so Ermüdungsbrüche.

Bild 3.4-1

"Bild 3.4-1" (Lit. 3.4-6): Die langen und schlanken Blätter der Turbinenschaufeln hinterer Stufen (Niederdruckturbine) erfordern auch bei modernen Triebwerkstypen Deckbänder. Hochdruckturbinen älterer Triebwerkstypen sind im Gegensatz zu Schaufeln neuerer Typen ebenfalls mit Deckbändern ausgerüstet. Deckbänder an Turbinenschaufeln verbessern die Dichtwirkung im Bereich der Blattspitzen und stützen das Blatt gegen hochfrequente Schwingungen ab.

Deckbänder an Turbinenrotorschaufeln sind nicht unproblematisch und zeigen spezifische Schäden als Folge von Kriechverformung (Skizzen oben):

Auftwisten, ein bleibendes Aufdrehen des Schaufelblattes unter der Fliehkraft. Dadurch wird die schützende Wirkung gegen Schwingungen abgebaut.

Aufbiegen des Deckbands ist meist die Folge eines nach außen verlagerten radialen Temperaturprofils. Im Extremfall kann es zum Abbrechen einer Deckbandecke kommen.

Shingling (Overriding) ist das dachziegelartige Überlappen der Deckbandkanten benachbarter Schaufeln. Shingling wird von schmalen Anlagen („b“) , Aufbiegen der Deckbänder und Frettingverschleiß begünstigt.

Skizzen unten: Parallelogrammförmige Deckbänder sind gewöhnlich nicht gegeneinander verspannt (Skizze rechts). Sie behindern „Ährenfeld Schwingungen“ nur wenig, bilden unter Fliehkraft einen Spalt und verschieben sich beim Aufdrehen der Schaufeln gegeneinander (linke Skizze „A“ und „B“). Um die Funktion der Deckbänder zu gewährleisten, werden die Schaufeln gegeneinander so verspannt, dass das Blatt unter Torsions spannungen steht. Dazu erhalten Deckbänder Z-Form (engl. interlocking shroud, linke Skizze „C“). Die Anlageflächen werden gegen Frettingverschleiß mit einer Panzerung (z.B. Stellit-Schweißung) versehen. Solche Deckbänder heben auch unter Fliehkraftdehnung nicht voneinander ab. Von der formbedingten Kerbe werden jedoch Ermüdungsrisse durch Thermoermüdung und/oder hochfrequente Schwingungen begünstigt. Insbesondere wenn versehentlich die Auftragsschweißung bis in den Kerbradius verläuft.

Bild 3.4-2

"Bild 3.4-2" (Lit.3.4-4): Den Schadensmechanismus der Sulfidation kann man sich wie folgt vorstellen:

  • Der Grundwerkstoff (z.B. Ni-Basis) wird normalerweise von einer kompakten Oxidschicht mit Al- und Cr-Oxiden geschützt. Diese Schicht ist für Schwefel undurchdringlich.
  • Verschiedene Mechanismen, wie z.B. die chemische Reaktion der Oxidschicht mit Salzschmelzen, können jedoch dazu führen, dass der Schwefel diese Hürde überwindet.
  • Dabei “lockern” die Salzschmelzen die Oxidschicht auf. Schwefel diffundiert dann ungehindert ein.
  • Ist der Schwefel in den Grundwerkstoff eingedrungen, wird die Wiederausbildung der kompakten, schützenden Oxidschicht verhindert. Die Salzschmelze ist nun als Wegbereiter nicht mehr nötig.
  • Die Folge ist eine beschleunigte Zerstörung des Grundwerkstoffs durch Oxidation.

Offenbar genügt für den Schadensablauf schon sehr wenig Schwefel. Er kann aus Kraftstoff oder Industrieatmosphäre angesammelt werden. Dieser wird nur in einer schmalen Zone am Übergang der Sulfidationszone zum Grundwerkstoff wirksam. Hier unterstützen wenig NiSulfide die Bildung großer Ni-Oxidmengen indem sie den Sauerstofftransport übernehmen. Der Nachweis dieser geringen Ni-Sulfid-Mengen ist nicht einfach. Die Ni-Sulfide finden sich im metallografischen Schliff als kleine graue Punkte im Grundwerkstoff vor der Oxidationsfront. Für den zerstörungsfreien Nachweis gefährlich starker Sulfidation ist die Magnetoskopprüfung geeignet. Sie zeigt größere Mengen durch den Oxidationsvorgang magnetisch veränderten Grundwerkstoff. So können auch äußerlich zugängliche Hohlkörper wie Turbinenleit- und Laufschaufeln im eingebauten Zustand überprüft werden. Das gelingt selbst dann, wenn die Wand noch nicht nach außen durchbrochen, der Schaden also noch nicht sichtbar ist

 Beispiel 3.4-2

Beispiel 3.4-2: Das Bild zeigt eine Niederdruckturbine nach mehreren zehntausend Laufstunden. Die hohlen Leitschaufelprofile sind von innen durchsulfidiert. Es bildeten sich ‘Fenster’ die einen Eindruck der extremen Schädigung vermitteln ( "Bild 3.4-3").

Bild 3.4-3

"Bild 3.4-3" (Lit. 3.4-4): Sulfidation ist an ganz bestimmte Temperaturbereiche gebunden, in denen stabile aggressive Salzschmelzen existieren ( "Bild 3.4-2"). Aus diesem Grund bildet sich äußere Sulfidation in bauteiltypischen Zonen (Skizzen links). Neben der geeigneten Temperatur, werden diese Zonen auch von einer für Ablagerungen günstigen Position bestimmt.

Sulfidation wird besonders dann unterstützt, wenn das Sauerstoffangebot zur Bildung einer dichten, schützenden Oxidschicht nicht ausreicht. Dies ist offenbar besonders in einseitig geschlossenen ungekühlten Hohlschaufeln (Gewichtsminimierung) der Fall. So kommt es im Extremfall zur „Fensterbildung“ (Beispiel 3.4-2), d.h. dem Durchbruch der Wände des Blattes (Skizze unten rechts). Die besondere Problematik dieser Schädigung ist, dass ihr Ausmaß erst in einem späten Stadium erkannt wird.

Bei kühlluftdurchströmten Schaufeln (Skizze oben rechts) scheint es begrenzte Bereiche im Blattinneren zu geben, wo sich aggressive Stäube bevorzugt ablagern. Herrscht hier eine für Sulfidation geeignete Bauteiltemperatur, kommt es zum Angriff

Meistens sind diese Bereiche auf der Druckseite der Schaufelblätter zu finden. An schleiergekühlten Turbinenschaufeln befinden sie sich bevorzugt hinter den Luftaustrittsbohrungen (Skizze oben links). Schaufeln mit ausreichend hohen Kantentemperaturen die Sulfidation nicht begünstigen ( "Bild 3.4-2"), zeigen parallele, schmale Felder (Skizze unten links). Häufig werden Oxide der Sulfidation durch die Erosion des Gasstroms und darin mitgeführter Partikel abgetragen. Die verbliebenen flächigen Vertiefungen weisen auf Sulfidation hin.

In diesem Fall ist wegen der bereits vorweggenommenen Inkubationszeit der Ni-SulfidBildung nur noch mit einer vergleichsweise kurzen Restlebensdauer zu rechnen.

Bild 3.4-4

"Bild 3.4-4" (Lit. 3.4-3): Silber wird bei Heißteilen aus Ni-Basis-Werkstoffen und hochlegierten Stählen verwendet, um einen kontrollierbaren Reibbeiwert zu erhalten: Zusätzlich soll „Fressen“ (Kaltverschweißen) und Fretting (Schwingverschleiß) vermieden werden. Deswegen werden besonders Schrauben, Muttern und Passflächen von Bolzen versilbert. Silber kann Bauteile aus Nickellegierungen auf gefährliche Weise schädigen.

Skizze1:Auslösen und Unterstützen von Sulfidation durch eine Art katalytische Wirkung von Silber auf Heißteiloberflächen.

Skizze 2: Bei erhöhten Bauteiltemperaturen (vermutlich >700 °C) kann Silber gefährlich in Ni-Legierungen und hochlegierte Stähle eindiffundieren. Besonders wenn diese, wie für Schrauben und Bolzen üblich, unter hohen Zugspannungen stehen. Solche Schäden bevorzugen den Gewindebereich. Es kommt zu Versprödung, unzulässigem Festigkeitsabfall und zum Bruch. Voraussetzung für die Diffusion ist der metallische Kontakt des Silbers mit dem Grundmaterial. Das ist bei Neuteilen der Fall. Eine Schädigung durch Diffusion ist dagegen an gelaufenen Bauteilen mit schützenden oxidierten Oberflächen bei Kontakt mit Silber weniger wahrscheinlich.

Skizze 3: Auslösen von Sulfidation an Heißteilen aus Ni-Legierungen im Kontakt mit versilberten Flächen. Dadurch kann auch die Ermüdungsfestigkeit unzulässig abfallen.

Skizze 4: Verdichterscheiben aus einer Titanlegierung barsten, nachdem Risse in den Bolzenbohrungen der Verschraubung des Rotorverbands auftraten. Die Rissbildung wird auf den Kontakt der Titanlegierung mit gegen Fretting versilberten Bolzen aus hochlegiertem Stahl (A-286) zurückgeführt. Clhaltiges Schwitzwasser hat offenbar zur Bildung von Silberchlorid geführt und bei den erhöhten Betriebstemperaturen Silberablagerungen in den Bolzenbohrungen entstehen lassen. Mit derartigen Verunreinigungen, insbesondere Chloriden, ist in Meeresatmosphäre immer zu rechnen.
Bei Langzeiteinwirkung sind Schädigungen am Scheibenwerkstoff Waspaloy (Ni-Legierung) im Zusammenhang mit Silber beobachtet worden. Dabei kann sich Silber von den Verschraubungen ablösen und benachbarte Bauteile schädigen (Skizze 5).

Skizze 5: Im Rotor einer Niederdruckturbine aus einer Ni-Legierung trat Lochfraß im Zusammenhang mit Silberablagerungen auf. Die Ablagerungen entstanden wahrscheinlich aus eingedampftem Schwitzwasser, in dem Silberverbindungen gelöst waren. Das aggressive Wasser hatte anscheinend die Verschraubung im Stillstand entsilbert und wurde dann beim Anfahren der Maschine nach außen in die Flanschansätze geschleudert, wo es verdampfte. Es handelt sich also um eine Kombination der Schadensmechanismen aus Skizze 1 und 4.

Skizze 6: Diese HDT-Scheibe besteht aus einer Ni-Legierung. An beiden Flanschen entstanden nach längeren Versuchsläufen Risse. Sie wurden vom Silber der Verschraubung ausgelöst.

Um derartige Schäden in Verbindung mit Silber zu vermeiden, sollte auf ein Versilbern der Kontakt- und Gleitflächen verzichtet werden. Dies hat den zu akzeptierenden Nachteil, dass lösbare Verbindungen (z.B. Schrauben) bei der Demontage so geschädigt werden, dass eine Wiederverwendung nicht mehr möglich ist.

Bild 3.4-5

"Bild 3.4-5" (Lit.3.4-5): Dichtungen mit einer Wabenstruktur aus oxidationsbeständigem Ni-Basis-Blech (Honigwabendichtungen = Honeycombdichtungen) werden in der Turbine als Anlaufflächen für Labyrinthsspitzen und Rotorschaufeln genutzt (Skizzen oben). Die Dichtwirkung bei kleiner Spaltweite ist um so besser, je kleiner die Waben sind. Am Besten ist eine glatte Fläche. Sie ist als Standard von der horizontalen Linie repräsentiert. Mit ansteigender Spaltweite wird die Dichtwirkung größerer Waben/Zellen relativ zur glatten Fläche besser (Diagramm).

Vabendichtungen haben sich als Anstreifstrukturen auch bei mehreren Millimetern radialem und axialem Einlauf bewährt. Die Labyrinthspitzen werden vom normalen Anstreifvorgang nicht unzulässig geschädigt. Honeycombs haben gerade bei größeren Labyrinthspalten eine gute Dichtwirkung (Lit 3.4-1). Darüber hinaus wirken Sie auf Labyrinthschwingungen dämpfend (Lit 3.4-2). Während sehr langer Betriebszeiten, wie sie für Industrieanwendungen typisch sind und/oder unter besonderen korrosiven Bedingungen, kann es jedoch zu einer deutlichen Schädigung der Wabenwände durch Oxidation oder Heißgaskorrosion kommen. Im Extremfall versprödet die gesamte Wabenstruktur und bricht aus ( "Bild 3.4-6"). Das vermindert die Dichtwirkung deutlich und führt nicht nur zu hohen Spaltverlusten mit entsprechenden Wirkungsgradeinbußen ( "Bild 2.5-2"). Auch die Gefahr einer unzulässigen Aufheizung der Rotorabstandsringe durch die Heißgasleckströmung erhöht sich. Aus diesem Grund sollte der Hersteller die Langzeithaltbarkeit dieser Dichtsysteme im Heißgasbereich und für die betreiberspezifischen Bedingungen glaubhaft demonstrieren können ( "Bild 3.4-6"). Dazu sind relevante Referenzen von Betreibern geeignet. Um das Ausbrechen oxidierter Honigwaben zu verhindern, werden gegenüber Rotorschaufeln ohne Deckband auch mit Ni-Basis-Sinterwerkstoffen gefüllte Wabendichtungen eingesetzt. Eine solche Dichtungsstruktur lässt natürlich die Vorteile der offenen Waben wie leichter Einlauf und Dämpfungswirkung nicht erwarten.

Bild 3.4-6

"Bild 3.4-6": "Bild 3.4-6" (Lit. 3.4-5): Geänderte Betriebsbedingungen können unerwartete Schäden an „bewährten Bauteilen“ auslösen. Das ist der Fall, wenn man die Betriebszeiten zwischen den Überholungen verlängert oder eine relativ hohe Leistung über längere Zeiträume fordert. Dann wird im Heißteilbereich der „Verschleiß“ der Schaufelspitzendichtungen zu einem lebensdauerbestimmenden Faktor.

Oxidation schwächt die dünnen Blechstege („A“, Bild unten) der Honeycombdichtungen, sodass ein Ausbrechen der Waben den Spitzenspalt der Turbine („B“) unzulässig vergrößert.

Literatur zu Kapitel 3.4

3.4-1 R.C. Bill, L.T. Shiembob, “Some Considerations of the Performance of Two Honeycomb Gas-Path Seal Material Systems“, Lubrication Engineering (1981) April Seite 209-216.

3.4-2 J.S.Alford, GE Co.,“Labyrinth Seal Designs Have Benefitted from Development and Service Experience“, SAE Paper 710435 (1971).

3.4-3 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 3, Seite 5.4.1.1-7, ISBN 3-00-017733-7, 2003, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

3.4-4 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 1, Seite 5.4.5-1 bis Seite 5.4.5-13, ISBN 3-00-005842-7, 2000, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

3.4-5 A.Rossmann, „Die Sicherheit von Turbo-Flugtriebwerken“, Band 2, Seite 7.1.3-27, ISBN 3-00-008429-0, 2001, Axel Rossmann Turboconsult, Bachweg 4, 85757 Karlsfeld.

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