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3.3.2 Typische Probleme der Hochdruckturbine - Ursachen und Abhilfen

In der Hochdruckturbine (HDT) stehen Probleme der Beschaufelung im Vordergrund. Turbinenleitschaufeln sind besonders durch Überhitzungen ( "Bild 3.3-9") aufgrund heißer Strähnen im Gasstrom gefährdet. Turbinenrotorschaufeln können ebenfalls überhitzt werden ( "Bild 3.2.3-2" und "Bild 3.3-10"), auch wenn sie Temperaturungleichmäßigkeiten am Umfang bei ihrem Umlauf mitteln. Anzeichen für Überhitzungen sind abgelöste oder „aufgerollte“ Diffusionsschutzschichten, Rissbildung sowie starke örtliche Oxidation. Das gilt besonders für die Eintrittskante, wo man von „Orangenschaleneffekt“ spricht ( "Bild 3.3-10" und "Bild 3.3-12"). Bei „Verbrennungen“ (extreme Oxidation) und Anschmelzungen fehlen im Extremfall ganze Schaufelpartien.

Typische Ursachen für die Überhitzung der Turbinenbeschaufelung sind:

Rost wirkt erfahrungsgemäß verstopfend. Es ist deshalb unbedingt darauf zu achten, dass der Ansaugschacht und alle Einbauten frei von Rost sind. Kühlluftkanäle können von triebwerksinternen Fremdkörpern (OOD) deformiert werden ( "Bild 3.3-10"). Ausbrechende Thermobarrieren (Kapitel 3.2.3) sind eine typische Ursache. Kokspartikel aus der Brennkammer sollten für Erdgasnutzer kein Thema sein. Wenn aber zum Start oder zeitweise zum Betrieb ein rußbildender Kraftstoff verwendet wird, kann die Gefahr des “Carbon Impact“ bestehen. Rückstände aus Reinigungsprozessen können Oxidation und Heißgaskorrosion in Kühlluftkanälen begünstigen. Dazu gehören eingetrocknete Ätzmittel. Sie und andere Fremdstoffe werden im Rahmen eines Reparatur- oder Fertigungsprozesses eingebracht (Lit. 3.3- 12). Besonders gefährlich sind niedrig schmelzende Eingusslegierungen die mit dem Grundwerkstoff reagieren und Risse auslösen. Schmelztropfen von Laser- und Elektronenstrahl- (engl. electron beam =EB) bearbeitung oder Strahlmittel sind in der Lage Kühlluftbohrungen zu blockieren.

Bei Überhitzungsverdacht ist grundsätzlich auch die Brennkammer auf Anhaltspunkte für ein ungünstiges Temperaturprofil zu überprüfen ( "Bild 3.2.3-2"). Merkmale sind Verzug, Rissbildung, Ausbrüche, ungewöhnliche Koksbildung, beschädigte oder verstopfte Düsen usw ( "Bild 3.2.3-1").

Um gezielte Abhilfemaßnahmen einzuleiten, müssen auch Überhitzungen ohne markante äußerliche Schäden erkannt werden. Heißteile wie Turbinenbeschaufelungen bestehen aus Ni-Basis-Werkstoffen die mit der sogenannten Gamma-Strich-Phase, einem besonderen Gefügebestandteil, aushärten. Der erfahrene Fachmann kann elektronenmikroskopisch (REM) aus Menge, Größe, Form, Orientierung und Anordnung dieser Phase auf Temperatureinwirkungen schließen. Erschwerend ist jedoch, wenn längere Betriebszeiten bei normaler Betriebstemperatur nach der Überhitzung, das schadensrelevante Bild verändern.

Eine weitere Möglichkeit der nachträglichen Temperaturbestimmung besteht in der metallographischen Untersuchung von Schutzschichten. Diffusionsschichten zeigen z.B. markante Veränderungen (Bild 3.3- 7).

In den hoch fliehkraftbeanspruchten Turbinenrotorschaufeln können sogenannte Kriechporen ( engl. creep voids) im Gefüge oder auf der Bruchfläche Hinweise auf Kriechen als wirksamen Schadensmechanismus geben ( "Bild 3.3-13"). Die heute üblichen Gusslegierungen zeigen im Gegensatz zu Schmiedelegierungen älterer Maschinentypen erfahrungsgemäß keine ausgeprägte Kriechporenbildung. Das Fehlen von Kriechporen läßt also nicht den umgekehrten Schluss zu, dass Kriechen als Schadensursache ausscheidet.

Doch nicht nur die Höhe der Temperatur ist von Bedeutung, auch die Temperaturverteilung (Bild 3.3- 14) hat große Auswirkung auf eine Schädigung. Der zugehörige Schadensmechanismus ist die Thermoermüdung (Lit. 3.3-11). Rissbildung an den Eintrittskanten der Schaufeln und im Inneren (!) des Bauteils, d.h. in den Wänden der Kühlluftkanäle, ist dafür typisch (Bilder 3.3-14, -15). Das Phänomen der verstärkten Rissbildung in der relativ kalten Wand von Kühlluftkanälen steht in scheinbarem Widerspruch zur beschleunigten Kriechschädigung bei erhöhter Temperatur. Es handelt sich hier aber um einen anderen Schädigungsmechanismus, den zyklischen Ermüdungsvorgang der Thermoermüdung. Die Belastungen sind eine Folge behinderter Wärmedehnung ( "Bild 3.3-16"). Dabei stehen Zugspannungen der kälteren Bereiche im Gleichgewicht mit Druckspannungen der heißeren Zonen. Sie erklären sich aus der größeren Wärmedehnung. Bei Leitschaufeln führen Wärmespannungen zwischen den Deckbändern und dem Schaufelblatt zu typischen Thermoermüdungsrissen im Übergangsradius ( "Bild 3.3-9" und "Bild 3.3-17"). Solche Risse werden häufig vom OEM in Handbüchern bis zu einer gewissen Größe toleriert. Die maximale Risslänge hängt von der Gasbiegebelastung der Schaufeln und/oder der rissbedingten Leckluftrate ab. Mitunter werden Druckspannungen im Blatt so hoch, dass dieses durch Kriechen „ausknickt“.

An Schaufelsegmenten, die aus mehreren Blättern bestehen, können sich die Schäden auf eine besondere Blattlage konzentrieren. Das ist der Fall, wenn ein Blatt von benachbarten Schaufeln des Segments besonders an der Verformung gehindert wird. Zu hohe Bauteiltemperaturen im Bereich der Erweichung, begünstigen eine örtliche Aufblähung der Schaufelblattwand ( "Bild 3.3-10") durch den Kühlluftdruck.

Heute tragen Turbinenleitschaufeln moderner Maschinen oft keramische Wärmedämmschichten. Solche Schichten haben einen Entwicklungsstand erreicht, durch den Probleme wie Schichtabplatzungen und Erosion ( "Bild 3.2.3-8") auch über die langen, garantierten Betriebszeiten beherrschbar bleiben. Trotzdem ist zu beachten, dass diese Schichten mit Schmelzen aus Staubablagerungen und anderen Luftverunreinigungen reagieren und so frühzeitig versagen können ( "Bild 3.2.3-7" und "Bild 3.2.3-8"). Wie bereits in Kapitel 3.2.3 erwähnt, besteht wegen der Sauerstoffleitung des heißen ZrO2 , die Gefahr einer Langzeitoxidation der Haftschicht und einer entsprechenden Abnahme der Haftfestigkeit.

MERKSATZ:

Bild 3.3-9

"Bild 3.3-9": Die Turbinenleitschaufel sieht im Gegensatz zur Rotorschaufel alle Temperaturungleichmäßigkeiten des Heißgasstroms ( "Bild 3.2.3-2") in radialer und Umfangsrichtung. Ihr gilt die besondere Aufmerksamkeit der Heißteilinspektion ( "Bild 4.1-6"). Die Hochdruckturbinenleitschaufel ist eines der reparaturintensivsten Bauteile.

Einige typische Schadensbilder :

“A”: Orangenschaleneffekt im Bereich hoher Bauteiltemperaturen. Das Schadensbild entsteht aus der Kombination starker Oxidation und flacher Thermoermüdungsrisse.

“B”: Rissbildung infolge Thermoermüdung. Die Risse sind meist nicht tief, aber stark oxidiert und verbreitert.

“C”: Durch Übertemperaturen “verbrannter” (extrem oxidierter) und/oder geschmolzener Bereich. Es fehlen merkliche Wandbereiche.

“D”: Eine “aufrollende“ Diffusionsschicht weist auf Bauteiltemperaturen im Erweichungsbereich des Grundwerkstoffs hin. Der Effekt entsteht durch lokales Anschmelzen einer Al-reichen Schichtzone zum Grundwerkstoff ( "Bild 3.3-7").

“E”: Oberflächenverbrennungen und Heißgaserosion im Deckbandbereich. Diese Erscheinung weist auf örtliche Schwächen des Kühlluftschleiers hin. Häufig ist die Schädigung flächig, rau und von Oxid grünlich verfärbt.

“F”: Rissbildung (engl. coating cracks) in der Beschichtung die gegen Oxidation und Heißgaskorrosion aufgebracht wird ( "Bild 3.3-7").

“G”: Radialriss im Schaufelblatt auf der Druck- oder Saugseite entlang der Korngrenzen (Warmrisse, Heißrisse) gerichtet erstarrter Bauteile ( "Bild 3.3-4"). Meist sind sie ein Hinweis auf hohe Wärmespannungen, Oxidation der Korngrenzen und besonders hohe Bauteiltemperaturen (siehe auch „G“, "Bild 3.3-10").

“H”: Ausknicken und Deformationen des Blattes. Dieser Effekt ist auf große Wärmedehnungsunterschiede zwischen Blatt und Plattformen zurückzuführen. Hohe Druckspannungen führen zur Kriechverformung. Er kann als Hinweis auf kurzfristig besonders hohe örtliche Temperaturen gelten. Solche Erscheinungen werden vom Start oder der Beschleunigung begünstigt.

“I”: Typische Rissbildung als Folge hoher Wärmespannungen und Thermoermüdung am Übergang Schaufelblatt/Deckbänder ( "Bild 3.3-17"). Oft sind diese Risse bis zu einer vom OEM spezifizierten Länge zulässig. Als Kriterium dient ein verzögerter Rissfortschritt.

Bild 3.3-10

"Bild 3.3-10": Es schadet nicht, wenn auch der Betreiber typische Schäden der Heißteile den Fachbegriffen und Erscheinungsformen zuordnen kann. Dieser Fall tritt beim Einsatz des Boroskops ( "Bild 4.1-5" und "Bild 4.1-7") im Rahmen einer Heißteilinspektion ein. Angenommen, es wird ein Boroskopbefund dem Betreiber der Maschine genannt und vielleicht durch eigene Inaugenscheinnahme oder an Hand von Fotos demonstriert. Wenn die Einschätzung des Befunds umfangreiche und kostspielige Aktionen erfordert, ist ein Verständnis der technischen Zusammenhänge dem Betreiber eine wertvolle Entscheidungshilfe und dient dem Vertrauen.

Einige typische Befunde an Hochdruckturbinenrotorschaufeln:

“A”: “Orangenschaleneffekt” auf Grund starker Oxidation mit Thermoermüdungsanrissen in einer Zone hoher Betriebstemperaturen. Dieses Schadensbild findet man bevorzugt an der Schaufeleintrittskante.

“B”: Heiße Zone (“Hot Spot”) wird durch verstärkte Aufrauung infolge Oxidation und “Riffelbildung” in der Diffusionsschicht angezeigt. Im Extremfall kann der Kühlluftdruck zur Ausbeulung der Schaufelwand genügen. Örtliche Überhitzungen können auf einen unzureichend schützenden Kühlluftschleier (z.B. Verstopfung) hindeuten.

“C”: Ein besonders neuralgischer Punkt ist die Schaufelspitze (Lit 3.3-6) deckbandloser Hochdruckturbinenschaufeln (siehe Detail oben). Typisch sind Ausbrüche und Verbrennungen im Dichtbereich der Schaufelspitze. Die Anstreiffunktion zur Spaltminimierung lässt keine dauerhafte Oxidationsschutzschicht zu. So kommt es an der Schaufelspitze nach längeren Laufzeiten zu starkem Oxidationsangriff. Die entstehende Spalterweiterung führt gerade bei diesem Bauteil zu einer merklichen Beeinflussung des Gesamtwirkungsgrades. Deswegen werden besondere Anstrengungen in Form von Entwicklungsprogrammen unternommen, um ein verbessertes Langzeitverhalten der Schaufelspitze zu erzielen. Dazu gehört das Aufbringen von Hartstoffpartikeln

“D”: Abgebrannte Schaufeleintrittskante in Spitzennähe. Typische Ursachen sind Kokseinschläge (engl. carbon impact, "Bild 3.3-10"), Beschädigungen durch ausgebrochene Partikel von Wärmedämmschichten ( "Bild 4.1-7" „C“) oder die Verstopfung des Kühlluftkanals im Schaufelspitzenbereich ( "Bild 3.3-12").

“E”: Rissbildung in Mitte der Druckseite des Schaufelblattes. Ein solcher Schaden kann auch von örtlichen, linienartigen dunklen Verfärbungen (Rußfahne) angezeigt werden. Denkbar sind Thermoermüdungsrisse, die von den innenliegenden Kühlluftbohrungen ausgehen ( "Bild 3.3-14" und "Bild 3.3-15").

„F“: Unter Riffelbildung (engl. rumpling ( "Bild 3.3-7" „C“) versteht man eine orientierte Rauigkeitsvergrößerung. Schutzschichten erleiden unter Thermoermüdung als Folge der zyklischen plastischen Verformung eine markante Wellenstruktur (siehe Detail unten).

„G“: Rissbildung an der Spitze gerichtet erstarrter Schaufeln. Es handelt sich um eine Kombination aus Oxidation und Thermoermüdung.

Nicht dargestellt sind Befunde wie Ablagerungen und Beläge im Bereich der Bohrungen für den Kühlluftschleier. Sie können eine bedenkliche Kühlluftverschmutzung anzeigen und bilden sich aus aufgeschmolzenem Staub. Dazu gehört auch Abrieb von Einlaufbelägen (Labyrinthe, Gehäuse, "Bild 3.1.2.4-4").

Ein besonderes Problem bei Boroskopbefunden sind Fehlinterpretationen von linienförmigen Anzeigen. Sie können einen gefährlichen Riss ( "Bild 3.3-5" und "Bild 3.3-15") oder eine harmlose Ablagerung ( "Bild 4.1-7" „G“) bedeuten . Hier ist Expertenwissen gefragt.

Bild 3.3-11

"Bild 3.3-11": Die Bauteiltemperatur eines Turbinenrotors ist von mehreren Einflüssen abhängig. Besonders wichtig ist die Temperaturverteilung im Heißgas und die Kühlluftzufuhr.

“1,2,3” Zeigen verschiedene Temperaturprofile des Heißgasstroms. Anzustreben ist ein gleichmäßiger Verlauf ( "Bild 3.2.3-2") mit niedriger Maximaltemperatur (“1”). Hierfür ist die Brennkammer (Verzug, Rissbildung), aber auch der Kühllufteintritt in das Heißgas aus vorgelagerten Schaufeln, Labyrinthen und statischen Gasführungsteilen verantwortlich.

Heißgaseinbrüche zum Kranzbereich (“4”) der Scheibe, z.B. nach einem Dichtungsschaden. Bild rechts zeigt die Folgen einer extremen Überhitzung des Kranzbereichs einer Scheibe. Es kam zu deutlichen plastischen Verformungen der Tannenbaumnuten und Abschleudern von Schaufeln.

“5,6,7” deuten die Kühlluftströmung um die Scheibe und zur Schaufel an. Hier können sich ungewöhnliche Langzeitveränderungen der Dichtungssysteme und erhöhte Leckagen auswirken. Den normalen Verschleiß sollte der OEM schon berücksichtigt haben.

Bild 3.3-12

"Bild 3.3-12": Die Effektivität der Kühlung einer Turbinenschaufel wird von unterschiedlichen Einflüssen beeinträchtigt. Damit besteht die Gefahr von Überhitzungen und merklichen Lebensdauereinbußen ( "Bild 2.3-2").

“A”: Verengung der kantennahen Kühlluftbohrung durch Fremdkörpereinschlag. Typische Fremdkörper in der Turbine sind Kokspartikel aus der Brennkammer (engl. carbon impact) und ausgeplatzte Wärmedämmschichten ( "Bild 4.1-7" „C“).

“B”: Hohe Betriebstemperaturen erzeugen in der Kühlluftbohrung eine isolierende Oxidschicht (siehe auch „E“). Die weniger gut gekühlte und deshalb heißere Schaufelwand oxidiert schneller. Es handelt sich also um einen selbstbeschleunigenden Vorgang.

“C”: Verstopfungen der Kühlluftführung durch Stäube in der Kühlluft. Typisch ist z.B. Abrieb aus Labyrinthen und Gehäusebelägen ( "Bild 3.1.2.4-4").

“D”: Zusetzen von Entstaubungsbohrungen durch zu viel Staub in der Kühlluft.

“E”: Verschlechterung der Wärmeleitung durch eine Oxidschicht im Bereich von Verunreinigungen im Kühlluftkanal. Es kann sich um die Folge einer unzureichenden Spülung der Schaufel nach einer “aggressiven” Reinigung im Zuge der Überholung handeln. Vergleiche mit „B“.

“F”: Kühlluftleckage als Folgeschaden einer Rissbildung ( "Bild 3.3-15").

Bild 3.3-13

"Bild 3.3-13": Eine Kriechschädigung ( "Bild 2.3-2") geht bei vielen Werkstoffen mit einer Bildung von sog. Kriechporen (Lit 3.3-2) an den vorzugsweise quer zur Zugbeanspruchung orientierten Korngrenzen einher. Fe- und Ni-Basis Schmiedelegierungen zeigen diesen Effekt besonders ausgeprägt, Werkstoffe ohne Korngrenzen (Einkristalle) dagegen nicht. Für grobkörnige Gusswerkstoffe ist der Effekt wenig ausgeprägt.

Die Kriechporen wachsen mit steigender Betriebszeit zu Rissen. Im Endstadium führen sie zu den, für Zeitstandbrüche typischen, zerklüfteten Oberflächen.

Eine Abschätzung der Zeitstandschädigung ist in manchen Fällen dem Fachmann möglich. Damit besteht die Chance für Rückschlüsse auf eine eventuelle Weiterverwendung noch nicht sichtbar geschädigter Bauteile. Eine solche Restlebensdauerabschätzung erfordert einige Voraussetzungen. Nicht zuletzt werden umfangreiche Erfahrungen mit dem betroffenen Bauteiltyp und dem Verhalten des verwendeten Werkstoffs unter den speziellen Betriebsbedingungen des Bauteils benötigt.

Bild 3.3-14

"Bild 3.3-14": Typische Temperaturverteilung einer intensiv gekühlten Turbinenschaufel. Um die Kühlluftbohrungen sind die Temperaturen relativ niedrig und steigen zur Oberfläche stark an. Diese Zonen nehmen einen großen Anteil der fliehkraftbedingten Betriebsbelastungen auf, d.h. hier ist die Zugspannung besonders hoch. Mit den Zug-Wärmespannungnen können die Kühlluftbohrungen einreißen ( "Bild 3.3-15"). Die Kühlung ist so ausgelegt, dass die Schaufeltemperatur zum Fuß hin abnimmt, um der steigenden Fliehkraftbelastung gerecht zu werden und die Scheibentemperaturen (an den Schaufelaufnahmen) niedrig zu halten. Die Kanten sind trotz intensiver Kühlung besonders heiß. Die größere Wärmedehnung entlastet die Fliehkraftbeanspruchung. Schaufelkanten sind wegen ihrer hohen Betriebstemperaturen besonders von Oxidation und Gefügeveränderungen betroffen.

Die ungleichmäßige Temperaturverteilung und -belastung im Querschnitt der Schaufel ist auch der Grund, warum eine einfache Längendehnungsmessung zur Ermittlung der Kriechdehnung für die Abschätzung der Restlebensdauer meist ungeeignet ist. Kriechverformungen führen eher zu Verzügen im Blatt und nicht zu auswertbaren Längenänderungen. Erfolgversprechender könnten neueste Vermessungsmethoden mit Laserverfahren sein, welche die gesamte Schaufelgeometrie erfassen und die individuelle Neuschaufel mit der gelaufenen Schaufel vergleichen.

Bild 3.3-15

"Bild 3.3-15": Gewöhnlich sind verformungsbehinderte kältere Zonen eines Bauteils von Wärmespannungen besonders hoch auf Zug beansprucht. Wärmere Bauteilbereiche mit größerer Wärmedehnung weisen dagegen aus Gleichgewichtsgründen Druckspannungen auf. Sie stehen unter Verformungsbehinderung durch die kälteren Zonen mit deren Zugspannungen im Gleichgewicht (Bild 3.3- 7).

Um die Kühlluftbohrungen bilden sich Zugspannungszonen von denen Thermoermüdungsrisse ausgehen können ( "Bild 3.3-14"). Solche Risse können optisch, d.h. von Außen erst erkannt werden, wenn sie zur Blattoberfläche durchbrechen ( "Bild 3.3-10" ). In diesem Fall ist das Bauteil bereits gefährlich geschwächt. Oxidation oder Heißgaskorrosion in den Kühlluftbohrungen unterstützt diese Schädigungsform.

Bild 3.3-16

"Bild 3.3-16": Thermoermüdung ist eine Bauteilschädigung mit Rissbildung durch zyklische Wärmespannungen. Die Skizze zeigt im oberen Teil ein Modell des Belastungsvorgangs. Die Rissbildung in Turbinenleitschaufeln ( "Bild 3.3-17") lässt sich so gut darstellen.

Ein metallischer Stab wird von zwei festen Wänden verschiebbar begrenzt. Wird dieser Stab aufgeheizt, dehnt er sich aus. Ohne Behinderung der Wände tritt die Wärmedehnung “lt“ ein. Die Dehnungsbehinderung der Wände führt bei Überschreitung der Fließgrenze zu Druckspannungen und plastischem Stauchen “lp“. Nach dem Abkühlen ist der Stab um diese Stauchung kürzer, es entsteht ein Spalt zwischen Wand und Stab. Der Stab ist nun entlastet.

Wir stellen uns vor, der Stab wäre nun zu Versuchsbeginn mit den Wänden fest verbunden. In diesem Fall erfolgt wiederum das plastische Stauchen im Zuge der Aufheizung. Während des Abkühlens treten jetzt aber Zugspannungen in dem kürzeren Stab auf. Ein Temperaturzyklus (T) entspricht also einem Zug/Druck Spannungszyklus im plastischen Bereich. Er führt zu einer mechanischen Ermüdung (Bild 3.1.2.1- 0) im LCF-Bereich, der sogenannten Thermoermüdung. Wir sehen also, dass ein Spalt in Form eines Risses zwischen Stab und Wand entlastet. Dies bedeutet auch eine Verlangsamung der Rissfortschrittsgeschwindigkeit während des Risswachstums. Der Entlastungseffekt erlaubt es dem OEM, bauteilspezifische Risslängen in Handbüchern und Vorschriften zuzulassen ( "Bild 3.3-17").

Bild 3.3-17

"Bild 3.3-17": Thermoermüdungsrisse können zur örtlichen Entlastung des Bauteils führen ( "Bild 3.3-16") wenn sie in eine Zone sehr niedriger Zugspannungen oder auf einen Druckspannungsbereich zulaufen. Damit wird ihr Fortschritt zumindest für einige Zeit bzw. Lastzyklen langsamer. Dies ist nur dann zu erwarten, wenn im Bereich der Rissbildung keine hohen Zugspannungen (z.B. Fliehkräfte) überlagert sind.

Der typische Kranzriss “A“ in einem integralen Turbinenrad (typisch für Maschinen kleiner Leistung) kann beherrschbar und für gewisse, vom OEM festgelegte, Betriebszeiten bzw. Start-Abstell-Zyklen zulässig sein.

Der Nabenanriss “B“ dagegen befindet sich in einer Zone sehr hoher Zugspannung, die kaum in den Querschnitt hinein abfällt. Hier ist auch bei kleinen Fehlern und Rissen die Gefahr eines Bauteilversagens nach kurzem Rissfortschritt gegeben. Eine solche Situation ist unzulässig!

Im Falle der Turbinenleitschaufel sind die typischen Thermoermüdungsrisse im Übergang Deckband/Schaufelblatt “C” nicht selten. Wenn sich ihr Wachstum für einen ausreichenden Zeitraum bis hin zum Stillstand verlangsamt, sind diese Risse bis zu einer gewissen, vom OEM spezifizierten Länge, zulässig.

Bild 3.3-18

"Bild 3.3-18": Integrales Turbinenrad wie es für Kleingasturbinen üblich ist: (1) Risse durch Anstreifen,(2) Risse durch Schaufelschwingungen im HCF-Bereich (3) Kranzrisse durch Thermoermüdung, (4) Labyrinthrisse durch Anstreifen ( "Bild 3.1.2.4-7.1") und zyklische Beanspruchung im LCF- und/oder HCF-Bereich. (5 und 6) Ermüdungsrisse durch LCF aufgrund von Fliehkraft- und Temperaturzyklen insbesondere beim Start ( "Bild 3.3-5").

(7 und 8) Rissbildung durch Scheibenschwingungen im HCF-Bereich und/oder LCF-Risse "Bild 3.3-18" durch Thermowechsel und Fliehkraftänderungen. (9) Rissbildung durch Thermoermüdung und/oder Überhitzung und Oxidation ( "Bild 3.3-10").

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