Welcher erfahrene Autobesitzer hat nicht schon die folgende Situation erlebt: Man übernimmt sein Auto nach einer Reparatur in der Werkstatt, im Vertrauen dass nun alles in Ordnung ist. Unter dauerndem Termindruck sparen wir uns die Zeit für eine Probefahrt. Bald stellt sich heraus, die Freude war offenbar zu früh. Das alte Leiden macht sich wieder bemerkbar. Noch ärgerlicher wird es, wenn wir feststellen müssen, dass zwar die reklamierte Fehlfunktion nicht mehr auftritt, dafür aber andere bedenkliche Erscheinungen. Vielleicht sind plötzlich Anzeigen der elektronischen Uhr oder des Bordcomputers fehlerhaft oder die Motorleistung ist unbefriedigend. Die Werkstatt schwört bei der Reklamation, dass vorher alles funktionierte. Das Problem dürfte wohl eher in der Fahrweise des Kunden zu suchen sein. Wir geloben uns wieder einmal: Der nächste Werkstattbesuch wird erst mit einer Probefahrt, gemeinsam mit einem Verantwortlichen der Werkstatt beendet.
Ein aussagekräftiger Abnahmelauf bei der Inbetriebnahme einer Gasturbine nach einem Kauf oder einer Überholung ist entsprechend dem viel höheren Kostenpotenzial noch viel wichtiger als bei einem Auto. Hier sollten wir besonders kritisch sein.
Der Abnahmelauf erfolgt vor der eigentlichen Inbetriebnahme und soll nicht zuletzt dem Betreiber zeigen, dass die technischen Voraussetzungen zur Erfüllung der maschinenbezogenen Anforderungen gegeben sind. Weil dieser Nachweis für den Betreiber von großer Bedeutung sein kann, soll er eingehender behandelt werden. Die folgenden Ausführungen dienen zum Verständnis der einschlägigen Vorschriften für Abnahmeläufe. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Ein Abnahmelauf erfolgt gewöhnlich nach umfangreicheren Arbeiten, die vom OEM zu verantworten sind. Die Notwendigkeit für einen Abnahmelauf ist also typischerweise bei einer neuen Maschine, bei Überholungen sowie größeren Reparaturen gegeben. Nachzuweisen sind die zugesagten Eigenschaften und die technische Integrität der Maschine. Der Lauf sollte deshalb für alle relevanten Betriebszustände der jeweiligen Anwendung aussagekräftig sein. Er kann sowohl beim Hersteller als auch im Shop oder vor Ort erfolgen. Wichtig ist, dass betriebstypische Besonderheiten berücksichtigt werden. Dazu gehört bei heutigen „Low-NOx-Maschinen“ die Auswirkung des Kraftstoffs (z.B. Erdgas). Scheinbar kleine Unterschiede der Zusammensetzung beeinflussen die Verbrennung merklich ( "Bild 3.2.2-5"). Das kann sich auf verschiedene Weise sehr ungünstig auswirken ( "Bild 3.2.1-5.1", "Bild 3.2.1-5.2" und "Bild 3.2.3-1")
Der Abnahmelauf für Gasturbinen ist, wie bei allen Maschinen, eine Möglichkeit, eventuelle gravierende Fehler frühzeitig zu erkennen. Diese können mit konstruktiven Besonderheiten (z.B. Instabilität der Verbrennung), der Fertigung und der Montage in Zusammenhang stehen. Natürlich wird der Abnahmelauf nach einem vorher festgelegten Plan durchgeführt. Selbstverständlich sollte der Lauf am Einsatzort mit der betriebstypischen Peripherie (Kapitel 3.7) erfolgen. Provisorien im Einlauf- und Austrittsbereich sind zu vermeiden. Die Betriebsparameter müssen das Einsatzspektrum abdecken. Hierzu gehören zeitweise extreme Umgebungs- bzw. Ansauglufttemperaturen. Alle Besonderheiten vor, bei und nach diesem Lauf sollten gemeinsam mit dem OEM protokolliert werden. Dies erleichtert gegebenenfalls später das Verständnis für Probleme sowie deren Behandlung. In jedem Fall sollte man sich vom Hersteller die Unbedenklichkeit auftretender Besonderheiten bestätigen lassen.
Hierzu einige Empfehlungen:
"Bild 1.1-1": (Lit 1-2) Wichtigste Emissionen sind die Schadstoffe in den Abgasen, die bei der Verbrennung des Kraftstoffes entstehen ( "Bild 3.2.1-3"). Es handelt sich in erster Linie um Gase wie
Bei Erdgas sollte der SO2 -Anteil im Gegensatz zu den üblichen flüssigen Kraftstoffen (Kapitel 2.6) vernachlässigbar sein. Die Schadstoffemissionen guter moderner Gasturbinenanlagen sind sehr gering und erfüllen die Anforderungen jüngster Gesetzgebung. Die Gasturbine als Turbomaschine mit vernachlässigbaren Unwuchten gibt selbst kaum Vibrationen und Körperschall an das Fundament und den Boden ab. Deshalb gewinnen Vibrationen von Getrieben, Hilfsgeräten und angetriebenen Maschinen wie Kompressoren oder Generatoren an Bedeutung. Falls notwendig, ist ein Zwischenrahmen zu empfehlen der den gesamten Maschinensatz trägt und seinerseits über elastische Elemente am Boden abgestützt ist. Schall wird üblicherweise in der Hauptsache von der Gasturbine erzeugt, obwohl hochfrequenter Lärm, der von der Getriebegehäuseoberfläche abgestrahlt wird, nicht zu vernachlässigen ist. Der am Eintritt des Verdichters entstehende hochfrequente Schall, kann über den Einlaufkanal nach außen dringen. Durch Filter und Schalldämpfer wird dieser Lärm gut beherrscht. Um den von den Oberflächen aller Aggregate (Gasturbine, Getriebe, Generator, Hilfsgeräte) abgestrahlten Schall durch eine Einzelmaßnahme zu beherrschen, hat sich eine einzelne Schallhaube als besonders kosteneffektiv bewährt. Das relativ niedrigfrequente Abgasgeräusch kann mit nachgeschalteten Schalldämpfern auf zulässige Werte minimiert werden (Lit 1- 8). Moderne Gasturbinenanlagen können so für dezentrale Kraftwerke, auch in Wohngebieten, dienen.
"Bild 1.1-2": Wichtige Kriterien für die Beschaffung einer Gasturbine sind die zu erwartenden äußeren Einflüsse. Dabei handelt es sich in erster Linie um die Beschaffenheit der Ansaugluft. Diese Aspekte werden an folgenden Stellen des Buchs eingehender behandelt:
"Bild 1.1-3": Der Wirkungsgrad einer Gasturbine ist lebensdauerabhängig (Lit 1-3, Kapitel 5.1.1.1). Diese Erscheinung nennt man „Deterioration“. Er verschlechtert sich bei der neuen Maschine anders als beim Automotor. Das ist in der Einlaufphase besonders deutlich. Dieses Verhalten erklärt sich aus der Veränderung verschiedener Komponenten unter den Betriebseinflüssen. Der anfänglich stärkere Verlust ist in erster Linie auf Einlauf und Abrieb der Luft und Gasdichtungen zurückzuführen (Kapitel 3.1.2.4). Abrieb und Einlauf der Dichtungen erzeugt im Betriebszustand mit der größten radialen Überdeckung ( "Bild 3.1.1-3" und "Bild 3.1.2.4-3") ein Minimum der Spaltverluste. Leider ist dies nicht notwendigerweise der eigentliche Betriebspunkt für den Dauerbetrieb. In diesem fällt dann der Wirkungsgrad durch die größeren Spalte und somit höheren Leckverluste merklich ab. Der Einlaufvorgang wiederholt sich verständlicherweise nicht im gleichen Maß bei jedem neuen Start/Abstellvorgang. Die Dichtungsspalte sind nach den ersten Anstreifvorgängen bereits so ausgerieben, dass bei folgenden längeren Betriebszeiten nur noch eine moderate Verschlechterung eintritt. Wichtig ist, dass beim Abnahmelauf ein praxisrelevantes Betriebsprogramm gefahren wird. Sonst ist nicht zu erwarten, dass das Verhalten der Maschine zu diesem Zeitpunkt für den späteren Betrieb genügend aussagekräftig ist. Ist der Einlauf zu klein, werden die später auftretenden maximalen Überdeckungen nicht erreicht. Das kann zu gefährlichen Anstreifvorgängen führen. Ist der Einlauf zu tief, hat die Maschine über die Betriebszeit keinen optimalen Wirkungsgrad. Verschlechterungen des Wirkungsgrades bei längeren Betriebszeiten dürften in erster Linie auf Langzeiteffekte zurückzuführen sein. Dazu gehören Aufrauung oder Profilveränderung der Verdichterbeschaufelung durch Ablagerungen (engl. fouling, "Bild 4.2-1.1" und "Bild 4.2-1.2") oder Erosion (Kapitel 3.1.2.3). Auch Dichtungen an Schaufelspitzen und Labyrinthen unterliegen einer Langzeitverschlechterung durch Alterung und Erosion.
"Bild 1.1-4": Flugturbinenderivate sind bei Grundlastbetrieb in der industriellen Anwendung deutlich anders belastet als die Flugtriebwerke von denen sie abgeleitet sind (Lit 1-4). Maschinen für Grundlast mit den typisch langen Laufzeiten (mehrere 10 000 Betriebsstunden) werden üblicherweise mit niedrigerem Gastemperaturniveau („derated“) betrieben als Derivate. Bei Spitzenlastmaschinen ist jedoch die Belastung, zumindest was die Startzahl (meist ein Start bei weniger als 10 Betriebsstunden) anbetrifft, recht ähnlich. Aus diesem Grund ist bei Spitzenlastanwendung die zyklische Lebensdauer der Heißteile (Thermoermüdung, "Bild 3.3-16") und möglicherweise auch die anderer Rotorkomponenten (zyklische Fliehkraftänderungen, "Bild 3.1.2.1-0") lebensdauerbestimmend. Im Gegensatz dazu ist z.B. die Lebensdauer der Beschaufelung der Hochdruckturbine bei Langzeitbetrieb in erster Linie von Heißgaskorrosion bzw. Oxidation und Kriechbeanspruchung ( "Bild 2.3-2") abhängig. Der gravierende Einfluss der Startzahl ist in "Bild 2.2-5" dargestellt. Den Einfluss der Grundlast bzw. des Temperaturniveaus zeigt "Bild 2.3-3".
"Bild 1.1-5": Typische Besonderheiten beeinflussen die Wartungsfreundlichkeit einer Gasturbine (Lit 1-5 und Lit 1-6). Sie werden unter dem Begriff „Human Factors“ zusammengefasst.
“A”: Modulbauweise ( "Bild 4.2-4"), d.h. Austauschbarkeit einzelner Baugruppen. Eine solche ist z.B. der Hochdruckverdichter. Diese Bauweise ermöglicht im Reparaturfall eine schnelle Verfügbarkeit.
“B”: Längsgeteilte Gehäuse ermöglichen das Öffnen der Maschine ohne umfangreiche Demontage. So lassen sich auf relativ einfache Weise einzelne Schaufeln des Leitapparates - etwa nach einem FOD - tauschen. Nachteil der Längsteilung kann eine Ovalisierung (Steifigkeitssprung im Flanschbereich) des Gehäuses sein. In diesem Fall ist mit ungleichmäßigem Ausrieb und Spalten am Umfang zu rechnen. Im Gegensatz dazu, ist dies bei Gehäusen die aus Ringen aufgebaut sind nicht zu erwarten. Jedoch ist die Demontage erschwert.
“C”,”D”,”F”: Einzeln vor Ort tauschbare Rotorschaufeln in Verdichter und Turbine.
“E”: Einzeln tauschbare Hochdruckturbinenleitschaufeln bzw. Leitschaufelsegmente. Der Austausch erfolgt bei geöffnetem Gehäuse ohne eine weitere Zerlegung der Maschine.
“G”: Gut zugängliche Brennkammer die einen Austausch bzw. die Reparatur einzelner Bereiche zulässt.
“H”: Außen gut zugänglich angebrachte Geräte (Regler, Pumpen usw.), Leitungen, Sensoren und Überwachungssysteme mit guter Kontroll- und Austauschbarkeit.
“I”: Ausreichende Zahl und günstige Anordnung der Boroskopöffnungen für alle wichtigen Bauteile im Hauptstrom.
"Bild 1.1-6": Manche Bauteile erfordern wegen besonderer Eigenschaften des verwendeten Werkstoffs zur Reparatur nicht oder nur selten verfügbare Anlagen und Fachpersonal. Das kann die Reparaturkosten deutlich erhöhen, z.B. bei Reparaturschweißungen. Eine Reparatur vor Ort ist in solchen Fällen meist nicht mehr möglich. Es gilt der Trend:
Kriterium ist die sogenannte Warmrissbildung. Aus diesem Grund sind höchstfeste pulvermetallurgische Werkstoffe bezüglich ihrer Schweißreparatureignung mit besonderer Skepsis zu betrachten. Ein Beispiel sind Labyrinthzwischenringe aus besonders warmfestem aber warmrissanfälligem Werkstoff. Fehlt die Möglichkeit der Schweißreparatur integrierter Labyrinthspitzen (Bild 3.1.2.4-7), wird der Ersatz des teuren Teils unumgänglich. Üblicherweise werden hochfeste Werkstoffe im Betrieb auch entsprechend hoch belastet. An solchen Teilen können bereits kleine schweißbedingte Fehler zu Risswachstum führen ( "Bild 5.3-1"). Je schlechter die Schweißbarkeit infolge Mikro- und Makrorissbildung, Festigkeitsabfall, Eigenspannungen und Verzug, umso aufwändiger sind die Arbeiten in den Reparaturshops, falls sie dort überhaupt ausgeführt werden können. Nicht nur das Schweißverfahren selbst ist wichtig. Erst die nachträgliche Qualitätssicherung, z.B. die Rissprüfung auf innere Mikrorisse gewährleistet die Sicherheit. Das Betriebsverhalten von Schweißreparaturen kann sich durch die Absenkung der Festigkeit in Schweiß- und Übergangszone verschlechtern. Dann sind reparierte Teile für Betriebsschäden anfälliger als Neuteile. Die Demonstration (Nachweis) der Reparierbarkeit der Komponenten kann daher ein Beschaffungskriterium sein.
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