Als engagierter Techniker und Betreiber möchte man verstehen, warum ein bestimmter Einfluss einen besonderen Effekt hervorruft. Dieses Verständnis ermöglicht es, ein bestimmtes Verhalten der Maschine zu deuten und nachzuvollziehen. So lässt sich entscheiden, ob ein normales Betriebsverhalten vorliegt oder Maßnahmen einzuleiten sind. Im Folgenden wird versucht, wichtige Zusammenhänge aufzuzeigen, um Angaben in Handbüchern und Vorschriften zu finden, zu verstehen und zielsicher anzuwenden.
Ein zentrales Problem in Verdichtern sind Strömungsinstabilitäten (Stall, Pumpen/engl. surge). Deswegen sind Einflüsse, die sich auf die Neigung des Verdichters zur Instabilität auswirken, von besonderem Interesse. Dies ist möglich, indem die Betriebslinie angehoben und/oder die Pumpgrenze abgesenkt wird ( "Bild 3.1.1-1"). Diese Veränderungen ( "Bild 3.1.1-2") verringern den Pumpgrenzenabstand, d.h. die Sicherheit gegen Strömungsinstabilitäten. Mit diesem Problemkreis stehen auch Wirkungsgradverschlechterungen des Verdichters in Zusammenhang. Dieser nimmt mit den Kraftstoffkosten der Gesamtmaschine an Bedeutung zu.
Von einer Strömungsablösung an einer einzelnen oder mehreren Schaufeln spricht man im Englischen von Stall im Gegensatz zu Verdichterpumpen, das als Surge bezeichnet wird und bei dem die gesamte Strömung abgerissen ist. Es gibt verschiedene Formen von Strömungsablösung/ Stall. Rotierende Ablösung (Rotating Stall, Mild Stall, Cold Stall, "Bild 3.1.1-5") mit der besonders ausgeprägten Sonderform des tiefen Strömungsabrisses (Deep Stall):
Rotierende Ablösungen können unbemerkt bleiben, wenn hinter der betroffenen Stufe normal arbeitende Stufen folgen. Im tiefen Teillastgebiet ist dies sogar üblich. Ist ein großer Bereich des Umfangs ohne Unterbrechung von einer rotierenden Strömungsablösung betroffen, was typisch für den unteren (“tiefen”) Drehzahlbereich ist, so spricht man von einem tiefen Strömungsabriss (Deep Stall). Dieser Zustand muss nicht notwendigerweise von starken Druckstößen gekennzeichnet sein, obwohl ein stark abfallendes Druckverhältnis und ein Wirkungsgradabfall von 20-40% durchaus typisch sind. Bei steigendem Durchsatz kann sich die Strömung in der Ablösezelle wieder anlegen und damit die rotierende Störung verschwinden.
Eine rotierende Strömungsablösung kann sich, wenn nur kleine Verdichterbereiche betroffen sind, nach außen lediglich in einer geringen Abnahme des Luftdurchsatzes äußern. In diesem Fall erfolgt kein merklicher Temperaturanstieg im Heißteil (Mild Stall, Cold Stall). Wenn örtlich der Kühlluftschleier fehlt, können sich jedoch Überhitzungssträhnen im Heißteil bilden.
Beim Deep Stall liegt eine so große Ablösezelle vor, dass sich die Gasturbine nach dem Anlassen nicht mehr beschleunigen läßt (engl. hang up). Eine Drehzahlerhöhung ist nicht mehr möglich, die Maschine bleibt “hängen”. Der Massendurchsatz wird dann zu gering, um der Turbine ausreichend Beschleunigungsenergie zuzuführen und den (teilweise sogar auf Grund des schlechten Wirkungsgrads) erhöhten Leistungsbedarf des Verdichters zu decken. Im Extremfall kommt es ähnlich dem Pumpen wegen fehlender Luft bei vergleichsweise hoher Kraftstoffmenge (falls der Regler nicht schnell genug anspricht) zu unzulässig hohen Turbineneintrittstemperaturen bei verschlechterter Heißteilkühlung. So besteht die unmittelbare Gefahr umfangreicher Überhitzungsschäden.
Rotierende Ablösungen können zu Biege- und Torsionsschwingungen der Beschaufelung führen. Weil kleinere Ablösezungen äußerlich bisher nicht zu erkennen sind, können Resonanzschwingungen über längere Zeit angeregt werden, die an den Bauteilen die Ermüdungsschäden (Schaufelbruch) auslösen.
Wird im Englischen als Surge bezeichnet. Man findet jedoch auch den Begriff Stall, der dem örtlichen Strömungsabriss vorbehalten sein sollte (siehe Rotierende Ablösung). Beim Pumpen handelt es sich um die bekannteste Verdichterinstabilität. Sie ist als niedrigfrequente Schwingung (5-30 Hz) wahrnehmbar. Ursache ist ein sich mehrfach wiederholender Strömungsabriss über den gesamten Umfang des Verdichters. Typisch sind detonationsartige Geräusche mit stoßartigen Vibrationen der Maschine. Dieser Vorgang tritt beim Überschreiten der Pumpgrenze (Abreißgrenze) ein. Der Mechanismus erklärt sich wie folgt:
Ähnlich dem rotierenden Strömungsabriss entsteht eine örtliche Ablösezone. Sie breitet sich jedoch über den gesamten Umfang aus und läuft nicht wie bei der Rotierenden Ablösung um. Kann der notwendige Verdichteraustrittsdruck nicht mehr erreicht werden, ist ein Strömungsabriss im gesamten Verdichter die Folge. Dabei entsteht eine Druckwelle, die mit Schallgeschwindigkeit zum Einlass läuft. Entweder findet dann kein Luftdurchsatz mehr statt oder es erfolgt sogar eine Strömung zum Einlass. Die Brennkammer entleert sich “stromauf” durch den Verdichter, im Extremfall mit Flammenaustritt. Der so abgefallene Druck bewirkt ein Anlegen der Strömung. Der Verdichter fördert wieder, bis der Enddruck oberhalb der Pumpgrenze erreicht ist. Dann wiederholt sich der beschriebene Vorgang.
Verständlicherweise führt das zu Schäden ( "Bild 3.1.1-6"). Kritisch sind die extremen dynamischen Belastungen. Die Beschaufelung kann bis zur Interferenz von Rotor- und Statorschaufeln ausgelenkt werden. Zusätzlich kommt es infolge unsymmetrischer Druckverteilung zu Biegeschwingungen des Rotors. Durch den pulsierenden Druckabfall und Druckaufbau entstehen auch hohe Lagerkräfte in axialer Richtung, welche die tragenden Gehäuse entsprechend verformen. Dies in Verbindung mit den Rotorverbiegungen führt zu gefährlichen Anstreifvorgängen, die große Radialspalte auf Grund des Ausriebs entstehen lassen. Eine bleibende Absenkung der Pumpgrenze ist die Folge.
Die Rückströmung der heißen Brennkammergase in den Verdichter und/oder Quirlverluste durch Luftreibung kann zur Überhitzung der Verdichterbeschaufelung führen.
Noch ausgeprägter als beim tiefen Strömungsabriss ist die Überhitzungsgefahr der Heißteile beim Verdichterpumpen. Hierbei ist wegen des extrem geringen Luftdurchsatzes das Verhältnis zur Kraftstoffmenge noch ungünstiger. Es steht bei gleichzeitigem Anstieg der Gastemperatur noch weniger Kühlluft für die Heißteile zur Verfügung. Entsprechend extrem sind die zu erwartenden Übertemperaturen in Brennkammer und Turbine. Um den Überhitzungseffekt besser zu verstehen, sollte man sich vor Augen halten, dass jeder Gewichtseinheit Luft, die am Verbrennungsvorgang teilnimmt, ca. drei Gewichtsanteile gegenüberstehen, die nicht an der Verbrennung teilnehmen. Im Falle des Pumpens ist dann lediglich noch genügend Luft für die Verbrennung vorhanden. Die Kühlwirkung dieser Luftmenge bestimmt das Temperaturniveau. Das bedeutet eine möglichst gleichmässige Temperaturverteilung im Heißgasstrom vor der Turbine sowie die Kühlung der Heißteile.
Wenn Pumpen eintritt, sind Sofortmaßnahmen wie rasche Verzögerung mit Rücknahme der Brennstoffzufuhr notwendig. Dem Bedienungspersonal sollten die vom Hersteller empfohlenen Maßnahmen gegenwärtig sein. Moderne Maschinen mit elektronischen Reglern sind wegen deren schnellem Ansprechverhalten weniger überhitzungsgefährdet.
Der Sonderfall eines nicht auflösbaren Pumpvorganges, der sogenannte “Lock-in surge” ist besonders gefürchtet. Dieser kann z.B. die Folge einer schweren Verdichterbeschädigung durch einen großen Fremdkörper oder den Ermüdungsbruch einer Schaufel sein. Auch eine fehlerhafte Regelung die auf Druckschwankungen des Stalls falsch reagiert, kann ursächlich sein. Im Fall des Lock-in surge kann die kurzzeitige Unterbrechung der Kraftstoffzufuhr für mindestens 1-2 Sekunden (“fuel blipping”) helfen. Reicht dies nicht aus, muss das Triebwerk abgeschaltet und neu gestartet werden. Dies ist nur möglich, falls die Ursache beseitigt ist und keine bedenkliche Schädigung anzunehmen ist.
MERKSATZ:
Verdichterpumpen kann gewöhnlich durch sofortige Rücknahme des Leistungshebels behoben werden. So lassen sich Überhitzungen der Heißteile vermeiden. Trotzdem ist eine nicht nachweisbare Schädigung der Verdichterbeschaufelung durch Schwingermüdung nicht ausgeschlossen.
"Bild 3.1.1-1": Im Verdichterkennfeld ist auf der Abszisse der Luftdurchsatz, gewöhnlich unter Berücksichtigung der Temperatur und auf der Ordinate das Gesamtdruckverhältnis aufgetragen.
Das Diagramm zeigt mit den sogenannten Drehzahl(kenn)linien das Verdichterverhalten bei jeweils einer konstanten Drehzahl. Man erkennt, wie sich durch Drosselung mit dem Druckanstieg am Verdichteraustritt der Massendurchsatz verändert. Die Drehzahl der Kennlinien entsprechen dem Verhältnis zur Auslegungsdrehzahl (100 %). Je steiler ihr Verlauf und je weniger sie in Abszissenrichtung abbiegen, umso problematischer dürfte das Betriebsverhalten (Handling) der Maschine einzuschätzen sein.
Das Diagramm wird von der sog. Pumpgrenze in zwei Bereiche geteilt. Unterhalb dieser ist stabiler Verdichterbetrieb (hellgrau) gegeben. Oberhalb der Pumpgrenze befinden wir uns in instabilem Gebiet (dunkel). Hier kommt es zum Pumpvorgang als Folge eines Strömungsabrisses. Der Verdichter wird normalerweise auf seiner Arbeitslinie (Betriebslinie, Fahrlinie) betrieben. Diese sollte für den häufigsten Betriebszustand, den stationären Betrieb, im Bereich optimaler Wirkungsgrade des Kennfeldes verlaufen. Damit ist ein günstiger Kraftstoffverbrauch der Gasturbine gewährleistet. Die Beschleunigung der Maschine erfolgt durch erhöhte Kraftstoffzufuhr. Der entstehende Druckanstieg in der Brennkammer bestimmt den Verdichterenddruck. Damit rückt die Betriebslinie näher an die Pumpgrenze. Normalerweise genügt der konstruktiv vorgesehene (Pumpgrenzen-) Abstand, um Pumpen sicher zu vermeiden. Bei Verzögerung kommt es zum Druckabfall in der Brennkammer. Die Betriebslinie entfernt sich von der Pumpgrenze. Für den sicheren Betrieb ist ein möglichst großer Pumpgrenzenabstand anzustreben.
"Bild 3.1.1-2": Das Bild zeigt die wichtigsten stabilitätsmindernden Einflüsse auf das Verdichterverhalten. Sie können den Pumpgrenzenabstand merklich verringern und sind deshalb nach Möglichkeit zu vermeiden.
Der Pumpgrenzenabstand wird sowohl mit dem Anheben der Betriebslinie als auch mit dem Absenken der Pumpgrenze verkleinert. Eine Vergrößerung der Radialspalte ( "Bild 3.1.1-3") kann auf beide Arten negativ wirken. Die Betriebslinie wird in erster Linie von Einflüssen außerhalb des Verdichters angehoben. Gewöhnlich erhöht sich aber der für die geforderte Leistung notwendige Verdichterenddruck oder es wird ein größerer Massendurchsatz benötigt. Ist das nicht möglich, steht zum Antrieb der Turbine weniger Heißgasenergie zur Verfügung. Ein Abfall der Antriebsleistung zum Verdichter ist die Folge. Will man das ausgleichen, muss die Heißgastemperatur angehoben werden. Damit steigen die Instandhaltungskosten deutlich an ( "Bild 2.3-4" und Bild 3.3.3* 5).
Die Anhebung der Arbeitslinie erfolgt durch ( "Bild 3.1.1-3" und "Bild 3.3-8"):
Einfluss verkleinerter Turbinenquerschnitte:
Den engsten Querschnitt einer Gasturbine gibt der HDT-Leitapparat vor ( "Bild 3.3-8"). Je enger dieser Querschnitt, umso mehr wird der Durchsatz der Maschine gedrosselt. Dabei steigt der Druck an und die Betriebslinie wird angehoben. Die Pumpneigung vergrößert sich. Auch scheinbar kleine Veränderungen an diesem Strömungsquerschnitt können gravierende und unerwartete Folgen für das Betriebsverhalten der Maschine haben. So können bereits Fertigungstoleranzen wie Formtoleranzen von Gussteilen das Verhalten der Maschine so stark beeinflussen. Natürlich machen sich auch betriebsbedingte Veränderungen wie Ablagerungen bemerkbar. Nicht selten müssen Bau-teilkombinationen für jede einzelne Maschine zusammengestellt werden. Verständlicherweise ist in einem solchen Fall der Austausch einzelner Leitschaufeln vor Ort im Zuge einer Reparatur problematisch. Auch betriebsbedingte Veränderungen wie Ausbeulungen oder Verzug der Schaufeln ( "Bild 3.3-9"), oder merkliche Ablagerungen im Strömungsquerschnitt können den beschriebenen Effekt haben.
Leistungsentnahme und Luftentnahme im Verdichter.
Wenn eine in der Auslegung nicht vorgesehene Leistungsentnahme mechanisch (z.B. über den Radialgetriebestrang zu Anbauaggregaten) erfolgt, fehlt diese Leistung dem Verdichter für die Kompressionsarbeit und er wird höher aerodynamisch belastet.
Der gleiche Effekt tritt bei einer zusätzlichen Entnahme von Verdichterluft auf, was einen höheren Massenstrom erfordert.
Luftentnahme kann im Verdichter für unterschiedliche Zwecke erfolgen.
Die Absenkung der Pumpgrenze wird in erster Linie von Effekten im Verdichter selbst bewirkt ( "Bild 3.1.1-3", "Bild 3.1.1-4" und "Bild 3.1.1-5"):
Vergrößerte Spalte.
Den größten Einfluss auf die Pumpgrenze haben die Radialspalte der Verdichterbeschaufelung, besonders die der Rotorschaufeln.
Vergrößerte Radialspalte von über 1% der Schaufellänge führen zu einer dramatischen Verschlechterung der aerodynamischen Leistungsparameter wie Durchsatz, Wirkungsgrad und Pumpgrenzenabstand. Die Pumpgrenze wird von der Strömungsstörung im Spitzenbereich abgesenkt. Gleichzeitig erfolgt eine Anhebung der Betriebslinie (verschlechterter Wirkungsgrad) womit sich der Pumpgrenzenabstand von beiden Seiten verringert. Die hohen Verdichtungsverhältnisse moderner Maschinen führen im hinteren (Hochdruck-) Verdichterteil zu sehr kurzen Schaufeln und wegen der relativ hohen Kompressionstemperaturen zu entsprechend großen thermischen Dehnungen. Damit ist dieser Verdichterbereich für Strömungsstörungen besonders anfällig. Dieser Effekt ist bei den kurzen Schaufeln in kleinen Maschinen und/oder im Bereich eines Hochdruckverdichters ( "Bild 3.1.2.4-1") besonders ausgeprägt. Auch Labyrinthe, sowohl solche zwischen Leitschaufeln und Rotor als auch in besonderem Maß das Verdichteraustrittslabyrinth, beeinflussen bei Spielvergrößerung mit dem Anstieg der Leckage das Betriebsverhalten des Verdichters.
Ungleichförmige Zuströmung.
Ungleichmäßige Druck- und Temperaturverteilungen am Umfang des Verdichtereintritts wirken schädlich auf das Verdichterverhalten. Das gilt bis weit in den Verdichter. In Umfangsrichtung können sich solche Ungleichmäßigkeiten nur schlecht ausgleichen, weil sich der Verdichter so verhält, als ob er aus parallelen, am Umfang angeordneten “Leitungen” besteht. In der “Leitung” mit dem kleinsten Eintrittsdruck muss bei vorgegebenem Austrittsdruck somit das höchste Druckverhältnis erzeugt werden. In dieser “Leitung” wird also zuerst ein Strömungsabriss erfolgen ( "Bild 3.1.1-4") und von dort das gesamte Strömungssystem destabilisieren ( "Bild 3.1.1-5"). Dabei hat die Zahl der Störungen am Umfang nicht unbedingt einen merklichen Einfluss auf die Verschlechterung der Pumpgrenze. Bereiche mit Eintrittsdruckstörungen und Strömungsablösungen erhalten eine erhöhte Energiezufuhr mit einer Temperaturerhöhung. Bei gleichem Druckverhältnis verringert sich so der Pumpgrenzenabstand. Deshalb sind ungünstig gestaltete Einläufe zu vermeiden. Dazu gehören fehlende Einlauftrichter (Bellmouth), größere Leckagen im Ansaugschacht und ein geöffneter Bypass nach dem Filter. Eine Verwirbelung der Einlaufströmung kann zusätzlich heftige Schwingungen der Beschaufelung mit Ermüdungsbrüchen auslösen. Nicht zu vergessen ist, dass durch eine Vereisung des Eintrittsbereichs oder die Fehlfunktionen der Enteisungsanlage derartige Störungen entstehen.
Erhöhte Kühlluftmenge für die Heißteile.
Kühlluftmengen können zunehmen, wenn z.B. in der Kühlluftführung vom Verdichter zu den Heißteilen durch Vergrößerung der Dichtspalte (Labyrinthe) Leckagen auftreten ( "Bild 3.1.2.4-1"). Auch Schäden wie Rissbildung an gekühlten Bauteilen, z.B. Turbinenleitschaufeln ( "Bild 3.3-9" und "Bild 3.3-12"), können einen deutlichen Kühlluftverlust verursachen.
Die Beschleunigung der Maschine:
Die Steigerung der Rotordrehzahl erfordert mehr Kraftstoff. Damit erhöht sich der vom Verdichter aufzubringende Brennkammerdruck. Die Betriebslinie wird deutlich angehoben. Erst wenn eine Verschlechterung des Verdichterwirkungsgrads außerhalb der Auslegung vorliegt, wird im Normalfall die Pumpgrenze überschritten. Ein Pumpvorgang beim Beschleunigen ist also als Hinweis zu werten, dass die Maschine, insbesondere der Verdichter, auf unzulässige Abweichungen überprüft werden sollte (z.B. Boroskopinspektion, siehe "Bild 4.1-8").
Verschlechterte Verdichter- und Turbinenwirkungsgrade:
Ein verschlechterter Verdichterwirkungsgrad erfordert eine Drehzahlanhebung zur Aufrechterhaltung des Massenstroms. Das entspricht einer Anhebung der Betriebslinie. Typische Einflüsse, die den Verdichterwirkungsgrad verschlechtern, werden im Abschnitt über die Absenkung der Pumpgrenze behandelt. Ein schlechterer Turbinenwirkungsgrad bedingt, dass weniger Leistung für den Antrieb des Verdichters zur Verfügung steht. Damit fällt die Rotordrehzahl zwangsläufig ab. Um diese wieder zu steigern, muss die Kraftstoffmenge erhöht werden. Das wiederum beeinflusst den Verdichterenddruck und hebt so die Betriebslinie an. Einflüsse wie Rauigkeitssteigerungen und Spaltverluste mindern den Turbinenwirkungsgrad ( "Bild 3.3-9" und "Bild 3.3-10").
Erhöhter Druckverlust in der Brennkammer.
Ein Druckverlust in der Brennkammer wirkt sich als Widerstand für den Luftstrom aus. Er ist vom Verdichter auszugleichen. Damit wird die Betriebslinie angehoben. Nicht auslegungsgemäße Druckverluste in der Brennkammer können z.B. durch Fremdkörper,Verstopfungen und Verwerfungen entstehen (siehe "Bild 3.2.3-1").
Bautoleranz der Verdichterbeschaufelung.
Die Profile der Verdichterbeschaufelung unterliegen natürlich den zulässigen Toleranzen. Wegen der großen Zahl der Schaufeln und ihres besonders für geometrische Abweichungen (Toleranzen!) empfindlichen aerodynamischen Arbeitsprinzips, können Veränderungen der statistischen Verteilung unzulässige Effekte auslösen. Typische Problemzonen sind Vorderkanten (Radius, Übergänge), Anstellwinkel und der Übergang in die Fußplattform. Aber auch Profilabweichungen können zu Problemen führen. Je anspruchsvoller die Auslegung des Verdichters, umso größer ist der Effekt. Er dürfte also bei modernen Maschinen ausgeprägter sein. Besonders heimtückisch sind Maßstreuungen, die durch Zeichnungsforderungen und durch die Qualitätskontrolle nicht erfasst wurden und deren Existenz sich erst am Betriebsverhalten zeigt. Abweichungen können auch auftreten, wenn besondere Betriebsanforderungen Beschichtungen wie eine Lackierung oder einen Erosionsschutz erfordern.
Beschädigte oder raue Beschaufelung.
Die Beschaufelung des Verdichters kann im Betrieb infolge Erosion und/oder Fremdkörpereinschlägen deformiert verändert oder aufgeraut (siehe Kapitel 3.1.2.2) werden. Die Aufrauung erfolgt in der Hauptsache an der Eintrittskante und auf der Druckseite. Aber der Übergang zur Saugseite, wo die Ablösung der Strömung erfolgt, reagiert besonders empfindlich (siehe nachfolgende Abschnitte). Ist die Schaufel von einem Fremdkörperschaden stark deformiert, wird hier zuerst eine Strömungsablösung erfolgen. Sie ist als Rotierende Ablösung (engl. rotating stall) von außen meist nicht zu erkennen, was die Gefahr einer Schwingermüdung der Schaufeln erhöht. Je höher das Druckniveau, umso dünner ist die Grenzschicht. Schädlich wirken sich bereits kleinere Rauigkeiten aus. Im vorderen Verdichterbereich können deshalb größere Rauigkeiten akzeptiert werden als zum Verdichteraustritt hin.
"Bild 3.1.1-3": Das Bild zeigt die typische Tendenz der Abhängigkeit des Verdichterwirkungsgrads vom Spitzenspalt (Lit 3.1.1-1) der Rotorschaufeln und der Leitschaufeln. Es ist klar zu erkennen, dass Spitzenspalte zwischen Leitschaufeln und Rotor die Verdichterleistung relativ wenig beeinflussen (unterer Bereich). Spalte zwischen Rotorschaufelspitzen und Gehäuse beeinträchtigen dagegen die Verdichterleistung deutlich mehr (oberer Bereich). Dieser Unterschied wird mit der Spaltgröße immer gravierender. Spitzenspalte an Rotorschaufeln sind also auch für die Gesamtmaschinendaten von größerer Bedeutung ( "Bild 3.1.2.4-1"). Im Diagramm ist das Verhältnis des Spitzenspaltes zur Blatthöhe auf der Abszisse aufgetragen. Dies macht sich bei den kurzen Schaufeln der hinteren Verdichterstufen besonders bemerkbar. Bereits kleine Spalte führen zu "Bild 3.1.1-3" merklich größeren Wirkungsgradeinbußen als bei den langen Schaufeln im vorderen Verdichterteil. Ein s/h -Verhältnis (Spitzenspalt/ Schaufelhöhe) von 1% bedeutet bei einer Schaufel von 20 mm Höhe eine Spaltweite von lediglich 0,2 mm. Wie schwierig die Spalthaltung ist ( "Bild 3.1.2.4-3"), beleuchtet die Überlegung, dass bei größeren Verdichterdurchmessern die Dehnung von Rotor und Stator schon sehr gut aufeinander abgestimmt sein muss, um ein akzeptables Betriebsverhalten zu gewährleisten. Es ist leicht verständlich, dass kleine Maschinen wegen der notwendigen extrem kleinen Spalte, besonders hohe Anforderungen an die Genauigkeiten der Bauteile stellen. Deshalb sind kleine Maschinen für Spaltvergrößerungen im Betrieb besonders empfindlich.
"Bild 3.1.1-4": Das Bild soll Grundlagen zum Verständnis von Strömungsinstabilitäten im Verdichter vermitteln:
Die Strömungsumlenkung der Schaufel erzeugt eine Reaktionskraft, die der aerodynamischen Auftriebskraft und dem Profilwiderstand entspricht. Die Rotorschaufel überträgt das auf die Welle zu bringende Drehmoment sowie eine Axialkraft (nach vorne) gegen die Strömungsrichtung. Die Auftriebskraft am Blattprofil ist eine Folge der unterschiedlichen Strömungsgeschwindigkeit zwischen Oberseite (Saugseite) und Unterseite (Druckseite). Die sog. “aerodynamische Belastung“ entspricht einer Geschwindigkeitsdifferenz zwischen der verzögerten Strömung auf der Saugseite und der Austrittsgeschwindigkeit. Wird der “Anstellwinkel” des Schaufelprofils vergrößert, d.h. die Richtung der Anströmung zum Profil immer steiler, kommt es zur Strömungsablösung (Strömungsabriss, Stall) auf der Saugseite. Der Auftrieb bricht zusammen. Der Druckunterschied zwischen Saug- und Druckseite war also für den herrschenden Strömungszustand zu groß. Dieser Abfall des Auftriebs bedeutet, dass die Schaufel die Luft schlecht bis nicht mehr fördert.
Der Winkel unter dem die Luft die “stallende” Schaufel verlässt, ist gegenüber der Schaufel mit anliegender Strömung verändert. Die in Strömungsrichtung folgende Schaufel der nächsten Stufe erhält so ebenfalls einen ungünstigen Anströmwinkel der auch hier einen Stall verursacht. So kann sich ein sog. rotierender Strömungsabriss schnell im Verdichter ausbreiten ( "Bild 3.1.1-5").
"Bild 3.1.1-5": Rotierende Ablösung (Rotating Stall, Mild Stall, Cold Stall) mit der besonders ausgeprägten Sonderform des tiefen Strömungsabrisses (engl. Deep Stall):
Die Vorstellung, dass ein Strömungsabriss bzw. der folgende Pumpvorgang nahezu gleichzeitig am gesamten Umfang eines Schaufelgitters ausgelöst wird, ist falsch. Stattdessen ist davon auszugehen, dass zuerst an Schaufeln eines begrenzten Umfangsbereichs die Strömung abreißt und sich diese Störung dann ausbreitet. Anfällig für einen Strömungsabriss sind z.B. Schaufeln mit geometrischen “Fehlern” sowie Bereiche mit größerem Spitzenspiel oder einer lokal gestörten Zuströmung. Ein den Stall auslösender Einfluss kann umso geringer sein, je "Bild 3.1.1-5" näher das Schaufelgitter bereits im Bereich der maximalen Strömungsumlenkung betrieben wird ( "Bild 3.1.1-4"). Eine örtliche Strömungsablösung wirkt versperrend und lenkt die Strömung ab. Die im gleichen Gitter nachfolgende Schaufel wird ungünstiger, die bereits die Störung durchlaufende Schaufel jedoch wieder günstiger angeströmt. So liegt hinter der Störung die Strömung wieder an. Damit erscheint die Zelle der Strömungsablösung dem äußeren Beobachter mit 10%-50% der Umfangsgeschwindigkeit in Drehrichtung des Rotors zu rotieren, Das führt zur Bezeichnung „Rotating Stall“. Solche Zellen können auch mehrfach am Umfang auftreten.
"Bild 3.1.1-6": Ein Strömungsabriss (Pumpen, oft ungenau auch als Stall bezeichnet) im Verdichter (Bild 3.1.1- 5) kann zu einer Vielzahl von Schäden im gesamten Maschinenbereich führen. Dieses Bild zeigt typische Problemzonen.
Im Verdichter führen die Druckstöße zu starker Durchbiegung der Beschaufelung und radialen sowie axialen Auslenkungen des gesamten Rotors. Damit ist ein Kontakt zwischen Lauf- und Leitschaufeln möglich. Zusätzlich können durch den Strömungsabriss Schwingungen angeregt werden, die Schaufeln dynamisch überlasten. So entsteht die unmittelbare Gefahr von Ermüdungsbrüchen ( "Bild 3.1.1-7").
Eine große radiale und axiale Auslenkung führt auch zum Kontakt des Rotors mit den Gehäusen. Das gilt neben den Rotorschaufelspitzen auch für Leitschaufelspitzen und Labyrinthdichtungen. Ein solcher Kontakt schädigt Einlaufdichtungen (weiche Anstreifschichten) mit großem Spaltausrieb und Anlaufsysteme (harte Anstreifschichten) mit Überhitzung.
Ein kurzzeitig zu stark veränderter Achsschubausgleich ( "Bild 2.5-1") überlastet die Hauptlager.
Die Druckstöße in den Gehäusen können derartige elastische Verformungen der Gehäusewände auslösen, dass es zum Ausbrechen (spröder) Anstreif- und Wärmedämmschichten kommt.
Findet beim Strömungsabriss kurzzeitig keine nennenswerte axiale Strömung mehr statt, fließt die Energie des Rotors als Reibung (“Quirlverlust”) in Luft und Beschaufelung. Damit besteht die Gefahr von Überhitzungsschäden im Verdichter.
Zusätzlich besteht die Gefahr, dass die Heißgase aus der Brennkammer in den hinteren Verdichterbereich expandieren.
Strömungsabriss bedeutet Mangel an Kühlluft bei gleichzeitig verstärkter Kraftstoffzufuhr in der Brennkammer. So entstehen Übertemperaturen an den Heißteilen.
MERKSATZ:
Ohne den OEM sollten keine Prüfläufe zur Ermittlung des Verdichterzustands oder mit Veränderungen im Gasstrom vorgenommen werden.
Mit einer Gasturbine älterer Bauart wurden offenbar Prüfläufe zur Ermittlung des Betriebsverhaltens des Verdichters (Pumpgrenze, Wirkungsgrad) durchgeführt. Dessen Schaufeln bestanden anscheinend aus einem Stahl und zeigten eine merkliche Aufrauung durch Erosion und Korrosion. Dies dürfte die Schwingfestigkeit bereits deutlich abgesenkt haben.
Bei den Läufen wurden im Abgasaustritt Querschnitte merklich verkleinert. Es kam wahrscheinlich zu einem deutlichen Gasrückstau. Dieser führte zum Verdichterpumpen. Mehrere Rotorschaufeln einer vorderen Stufe wurden zu derartig intensiven Schwingungen angeregt, dass es zu Ermüdungsanrissen und in einem Fall zum Bruch einer Schaufel kam.
Die Folge war ein katastrophaler Verdichterschaden, der eine Neubeschaufelung notwendig machte. Neben den hohen Kosten wurde die Wiederaufnahme des Betriebs empfindlich verzögert.
3.1.1-1 L.P.Ludwig, NASA Lewis Research Center, „Gas Path Sealing in Turbine Engines“,
3.1.1-2 SAE,Aerospace Recommended Practice,“Gas Turbine Engine Performance Station Identification and Nomenclature“ ARP 755A